Wirkt Alain Corneaus genaue
Inszenierung von
Cime d'amour wie ein mathematisches Experiment,
macht De Palma in der Neufassung dieses französischen Krimis aus dem
Jahr 2010 ein scharfes Genregebräu, das ob seiner Vielseitigkeit die
Geschmackspalette manch eines Kinogängers sicherlich
überstrapazieren dürfte.
Passion hält sich zunächst recht brav an
die Vorlage, stellt uns die beiden Kolleginnen Christine (Rachel
McAdams) und Isabelle (Noomi Rapace) bei einem Flirt während der
Arbeit vor. Chefin Christine nutzt ihre Untergebene gnadenlos aus,
manipuliert sie. Isabelles Gegenschlag führt zu einem sexuell
aufgeladenen Zickenkrieg, bei dem das männliche Geschlecht in
Gestalt von Dirk (Paul Anderson) nur noch als Spielball taugt.
Bildete bei Corneau die Finanzwelt den Handlungsrahmen, ist es bei De
Palma die Werbebranche. Und wie bei Corneau ist der auch bei De Palma
irrelevant. Wichtig ist nur, dass wir uns in der Sphäre der Schönen
und Reichen bewegen, die in kalter, moderner Architektur hausen, für
Firmendeals durch Europa jetten und in Edelkarossen zu
Sterne-Restaurants chauffiert werden.
In der Welt der Reichen und Schönen.
In dieser sterilen Luxuswelt, in der
niemand von Geldsorgen gequält wird (außer Dirk!), möchte man,
pardon: frau, geliebt werden. Christine fordert Liebe von Isabelle.
Doch nicht, um mit ihr eine glückliche Beziehung zu führen, nein,
nur um Macht über sie auszuüben. De Palma inszeniert Christine als
böse Königin, thronend auf ihrer teuren Couch in exquisitem
Bademäntelchen unter dem sich noch exquisitere Lingerie befindet -
in ihrer Hand das Smartphone als Zepter. Eine irrwitzige Einstellung!
Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass es nicht um eine
ernsthafte Auseinandersetzung mit Machtstrukturen geht. Das gäbe der
Stoff auch nicht her. Zu plump und eindimensional sind die Motive der
Figuren. Vielmehr geht es - wie so oft bei De Palma - um Masken,
Rollen, Spiegelungen und Lügen.
So kann man behaupten, McAdams spiele
gestellt, unnatürlich, übertrieben, opernhaft-ausstellend. All dies
trifft zu. Aber im Kontext ihrer Rolle ergibt das durchaus Sinn. Sie
verkörpert eine Frau, die permanent anderen etwas vorspielt. Und
diese Frau ist keine Schauspielerin, jedenfalls keine gute. McAdams
aber ist eine. Sie zeigt uns, dass Christine eine schlechte
Schauspielerin ist. Für einen kurzen Moment verliert Christine ihre
Maske, als jemand eine Verabredung mit ihr absagt. Der unmittelbar
folgende Wutausbruch ist echt, nicht gestellt, wenn auch extrem - was
aber auf die krankhafte Persönlichkeitsstruktur der Figur
zurückzuführen ist.
Die böse Königin auf ihrem Thron.
Insbesondere die erste Hälfte
entwickelt sich leider nicht so geschmeidig wie in De Palmas anderem
Europa-Thriller -
Femme Fatale. Manche Szene wirkt zäh. Auch die
Szenenfolge holpert etwas. Geschuldet ist das der Vorlage. Die
Handlung muss für den Krimiplot in der zweiten Hälfte gnadenlos
vorangetrieben werden. Erst zum Schluss, in den letzten fünfzehn
Minuten, löst sich De Palma gänzlich von Corneaus Film, erweitert
dafür die Rolle der Dani (Karoline Herfurth behauptet sich hier
trotz der Hürde des Englischen und hinterlässt einen guten
Eindruck) und präsentiert uns ein Best Of seiner Thrillerelemente in
einer Abschlusssequenz, die gaga im besten Sinne ist. Blonde
Doppelgängerinnen, Rasiermesser, Aufzüge - eine fulminante Hommage
an sein eigenes Kino, natürlich ironisch gebrochen.
„Ihr wollt De
Palma? -
Hier habt ihr
ihn!
‟, scheint er uns
augenzwinkernd zuzurufen. Wie in
Raising Cain nimmt er sein eigenes
Genre liebevoll auseinander.
Traum oder Realität? Am Ende verschwimmen die Grenzen.
Überhaupt wird man Passion wohl am
ehesten gerecht, wenn man den Film als Parodie versteht: als Parodie
auf Seifenopern, Krimis und De Palmas eigene 80er-Jahre-Thriller.
Nicht ohne Grund enthält Passion etliche Spiegelungen.
Die Variation der eröffnenden
Kamerafahrt zu Beginn des letzten Akts deutet beispielsweise eine
Wiederholung der Geschehnisse voraus. Allerdings ist sie auch Beleg
für das deutlich erkennbare Budgetproblem des Films - De Palma rückt
das Apple-Logo hier derart zentral ins Bild, dass man meinen könnte,
er möchte Product Placement persiflieren. Dass Passion auf externe
Sponsoren wie Apple angewiesen war, merkt man dem Film leider an.
Zwar handelt es sich letztlich um ein Kammerspiel, aber immerhin
spielt es in Berlin und in einer Szene in London, die allerdings im
Berliner Nobelrestaurant Margaux gedreht wurde. In den wenigen
Außenszenen dient Berlin als Hintergrundkulisse, erscheint sehr
aufgeräumt, wie geleckt und fügt sich so natürlich ausgezeichnet
in einen Film, der Oberflächen zelebriert. Dennoch hätte man
sicherlich interessantere Locations wählen können anstelle der
klassischen Anlaufpunkte für Touristen wie den Potsdamer Platz oder das Bode Museum. In Femme Fatale ist das besser gelungen - Pariser
Touri-Orte kommen dort so gut wie nicht vor.
Berlin als Hintergrundkulisse.
Brian De Palma fügt seinem bisherigen
Gesamtwerk mit Passion einen Film hinzu, den man als Epilog zu
seinen Thrillern lesen kann. Wild wechseln Atmosphäre und Ton des
Films zwischen Seifenoper mit Hochglanz-Zicken, Whodunit und Giallo.
Visuell bewegt sich der Film auf hohem Niveau, hält aber keine
wirklichen Überraschungen bereit. Die Mordszene im Splitscreen ist
stimmungsvoll choreografiert, aber sicherlich nicht sensationell. Die
Düsternis, der Noirlook in der zweiten Hälfte ist schick, aber
nicht außergewöhnlich. Die finale "De-Palma-Sequenz" ist
ein großer Spaß, aber doch nur eine Reminiszenz an vergangene
Zeiten. Und so muss ich ein wenig betrübt zu dem Schluss kommen,
dass Passion ein für Freunde von De-Palma-Thrillern überaus
vergnüglicher Streifen ist, der jedoch das Werk des Altmeisters um
nichts Wesentliches erweitert.