Mittwoch, März 27, 2013

Filmtipp: Passion

Wirkt Alain Corneaus genaue Inszenierung von Cime d'amour wie ein mathematisches Experiment, macht De Palma in der Neufassung dieses französischen Krimis aus dem Jahr 2010 ein scharfes Genregebräu, das ob seiner Vielseitigkeit die Geschmackspalette manch eines Kinogängers sicherlich überstrapazieren dürfte. Passion hält sich zunächst recht brav an die Vorlage, stellt uns die beiden Kolleginnen Christine (Rachel McAdams) und Isabelle (Noomi Rapace) bei einem Flirt während der Arbeit vor. Chefin Christine nutzt ihre Untergebene gnadenlos aus, manipuliert sie. Isabelles Gegenschlag führt zu einem sexuell aufgeladenen Zickenkrieg, bei dem das männliche Geschlecht in Gestalt von Dirk (Paul Anderson) nur noch als Spielball taugt. Bildete bei Corneau die Finanzwelt den Handlungsrahmen, ist es bei De Palma die Werbebranche. Und wie bei Corneau ist der auch bei De Palma irrelevant. Wichtig ist nur, dass wir uns in der Sphäre der Schönen und Reichen bewegen, die in kalter, moderner Architektur hausen, für Firmendeals durch Europa jetten und in Edelkarossen zu Sterne-Restaurants chauffiert werden.

In der Welt der Reichen und Schönen.

In dieser sterilen Luxuswelt, in der niemand von Geldsorgen gequält wird (außer Dirk!), möchte man, pardon: frau, geliebt werden. Christine fordert Liebe von Isabelle. Doch nicht, um mit ihr eine glückliche Beziehung zu führen, nein, nur um Macht über sie auszuüben. De Palma inszeniert Christine als böse Königin, thronend auf ihrer teuren Couch in exquisitem Bademäntelchen unter dem sich noch exquisitere Lingerie befindet - in ihrer Hand das Smartphone als Zepter. Eine irrwitzige Einstellung! Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass es nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Machtstrukturen geht. Das gäbe der Stoff auch nicht her. Zu plump und eindimensional sind die Motive der Figuren. Vielmehr geht es - wie so oft bei De Palma - um Masken, Rollen, Spiegelungen und Lügen.

So kann man behaupten, McAdams spiele gestellt, unnatürlich, übertrieben, opernhaft-ausstellend. All dies trifft zu. Aber im Kontext ihrer Rolle ergibt das durchaus Sinn. Sie verkörpert eine Frau, die permanent anderen etwas vorspielt. Und diese Frau ist keine Schauspielerin, jedenfalls keine gute. McAdams aber ist eine. Sie zeigt uns, dass Christine eine schlechte Schauspielerin ist. Für einen kurzen Moment verliert Christine ihre Maske, als jemand eine Verabredung mit ihr absagt. Der unmittelbar folgende Wutausbruch ist echt, nicht gestellt, wenn auch extrem - was aber auf die krankhafte Persönlichkeitsstruktur der Figur zurückzuführen ist.

Die böse Königin auf ihrem Thron.

Insbesondere die erste Hälfte entwickelt sich leider nicht so geschmeidig wie in De Palmas anderem Europa-Thriller - Femme Fatale. Manche Szene wirkt zäh. Auch die Szenenfolge holpert etwas. Geschuldet ist das der Vorlage. Die Handlung muss für den Krimiplot in der zweiten Hälfte gnadenlos vorangetrieben werden. Erst zum Schluss, in den letzten fünfzehn Minuten, löst sich De Palma gänzlich von Corneaus Film, erweitert dafür die Rolle der Dani (Karoline Herfurth behauptet sich hier trotz der Hürde des Englischen und hinterlässt einen guten Eindruck) und präsentiert uns ein Best Of seiner Thrillerelemente in einer Abschlusssequenz, die gaga im besten Sinne ist. Blonde Doppelgängerinnen, Rasiermesser, Aufzüge - eine fulminante Hommage an sein eigenes Kino, natürlich ironisch gebrochen. Ihr wollt De Palma? - Hier habt ihr ihn!, scheint er uns augenzwinkernd zuzurufen. Wie in Raising Cain nimmt er sein eigenes Genre liebevoll auseinander. 

Traum oder Realität? Am Ende verschwimmen die Grenzen.

Überhaupt wird man Passion wohl am ehesten gerecht, wenn man den Film als Parodie versteht: als Parodie auf Seifenopern, Krimis und De Palmas eigene 80er-Jahre-Thriller. Nicht ohne Grund enthält Passion etliche Spiegelungen.

Die Variation der eröffnenden Kamerafahrt zu Beginn des letzten Akts deutet beispielsweise eine Wiederholung der Geschehnisse voraus. Allerdings ist sie auch Beleg für das deutlich erkennbare Budgetproblem des Films - De Palma rückt das Apple-Logo hier derart zentral ins Bild, dass man meinen könnte, er möchte Product Placement persiflieren. Dass Passion auf externe Sponsoren wie Apple angewiesen war, merkt man dem Film leider an. Zwar handelt es sich letztlich um ein Kammerspiel, aber immerhin spielt es in Berlin und in einer Szene in London, die allerdings im Berliner Nobelrestaurant Margaux gedreht wurde. In den wenigen Außenszenen dient Berlin als Hintergrundkulisse, erscheint sehr aufgeräumt, wie geleckt und fügt sich so natürlich ausgezeichnet in einen Film, der Oberflächen zelebriert. Dennoch hätte man sicherlich interessantere Locations wählen können anstelle der klassischen Anlaufpunkte für Touristen wie den Potsdamer Platz oder das Bode Museum. In Femme Fatale ist das besser gelungen - Pariser Touri-Orte kommen dort so gut wie nicht vor.

Berlin als Hintergrundkulisse.

Brian De Palma fügt seinem bisherigen Gesamtwerk mit Passion einen Film hinzu, den man als Epilog zu seinen Thrillern lesen kann. Wild wechseln Atmosphäre und Ton des Films zwischen Seifenoper mit Hochglanz-Zicken, Whodunit und Giallo. Visuell bewegt sich der Film auf hohem Niveau, hält aber keine wirklichen Überraschungen bereit. Die Mordszene im Splitscreen ist stimmungsvoll choreografiert, aber sicherlich nicht sensationell. Die Düsternis, der Noirlook in der zweiten Hälfte ist schick, aber nicht außergewöhnlich. Die finale "De-Palma-Sequenz" ist ein großer Spaß, aber doch nur eine Reminiszenz an vergangene Zeiten. Und so muss ich ein wenig betrübt zu dem Schluss kommen, dass Passion ein für Freunde von De-Palma-Thrillern überaus vergnüglicher Streifen ist, der jedoch das Werk des Altmeisters um nichts Wesentliches erweitert.

Dienstag, März 26, 2013

FFF Nights: Stoker

Mit Leben und Werk von Bram Stoker hat Stoker auf den ersten Blick nichts zu tun. Doch verbindet der Trieb nach Blut die Protagonistin India (Mia Wasikowska) mit Stokers Geschöpf Dracula. Die Idee, ein sexuell erwachendes Mädchen ihren Drang nach Blut und Gewalt entdecken zu lassen, ist alles andere als neu: Sicherlich ist Brian De Palmas Carrie eine komplexere Figur als Park Chan-wooks India, dennoch fesselt uns India. Von Beginn an umgibt sie eine schwer deutbare Düsternis. Ihr Vater ist unter mysteriösen Umständen gestorben. Man ahnt, dass es nicht nur die Trauer um ihn ist, die das Kind melancholisch wirken lässt. Als der zwielichtige Onkel Charlie (Matthew Goode) bei India und ihrer psychisch labilen Mutter (Nicole Kidman) einzieht, holt die Vergangenheit die Familie ein (Hitchcock lässt grüßen!).

Stoker ist eine Augenweide: Jede Einstellung ist ein optischer Genuss. Darüber hinaus gibt es einige ausgeklügelte Steadicamfahrten zu bewundern. Das komplette Kontrastprogramm zum Freund der statischen Kamera Don Coscarelli und seinem Festivalbeitrag John Dies at the End. Aber das, was Coscarelli an visueller Eleganz vermissen lässt, fehlt bei Park Chan-wook in Form von rauen Ecken. Die betörenden Bildkompositionen können über die Genrekonventionen, die der Film bedient (keinesfalls erweitert!), nicht hinwegtäuschen. Und so ist Stoker letztlich ein Genreprodukt, das vorgibt, mehr zu sein, als es tatsächlich ist. Dennoch ist es insgesamt - ein Vergnügen.
7.5/10

Montag, März 25, 2013

FFF Nights: John Dies at the End

Nach den ersten fünf Minuten habe ich mich beim Gedanken ertappt, die ausverkaufte Vorstellung vorzeitig zu verlassen. Wenn es schon zu Beginn nötig ist, dem Zuschauer mit ewigem Voice-over-Gesülze die Handlung zu erklären, kann das nicht gut werden, dachte ich. Zum Glück blieb ich sitzen, denn John Dies at the End ist ein skurriles Drogenmärchen voller schrulliger Einfälle - eindeutig eine der besseren Arbeiten Don Coscarellis. Zwar ist der Hauptdarsteller (Chase Williamson) ein Totalausfall, er kämpft die ganze Zeit mit seiner Mimik, die sich letztlich doch kaum verändert. Dafür gibt es schöne Momente mit Paul Giamatti (der übrigens auch produzierte) und Sgt. Zim, ähm, Clancy Brown. Insgesamt ein durchaus amüsanter Trip durch drogeninduzierte Paralleluniversen.
6.5/10

Sonntag, März 24, 2013

FFF Nights: The ABCs of Death

Zu viele Köche verderben den Brei, heißt es. Und viele Filmprojekte scheinen diese Binsenweisheit zu bestätigen. New York Stories oder Four Rooms fallen sofort ein. Auch Cloud Atlas spaltet die Gemüter. Im Fall von The ABCs of Death ist das Konzept simpel, aber irgendwie sympathisch-doof: Wir gehen das Alphabet durch und zu jedem Buchstaben gibt's einen Kurzfilm, in dem jemand ums Leben kommt. Im Film zum Buchstaben Q behauptet der sich selbst in Szene setzende Regisseur, man erhalte 5000 Dollar Budget für die Realisierung. Sollte das stimmen, überraschen einige der Beiträge dadurch, wie viel man mit so wenig Geld auf die Leinwand zaubern kann (H is for Hydro-Electric Diffusion / V is for Vagitus). Manch andere Crew hat hingegen offenbar 4000 Dollar versoffen, um zu einer Idee zu gelangen, wie man das Restgeld noch filmisch nutzen könne (G is for Gravity / M is for Miscarriage). 

Das Gesamtwerk kann allerdings trotz der gut zwei Stunden Laufzeit überzeugen. Die Filme der "großen Namen" (Ti West: M is for Miscarriage / Ben Wheatley: U is for Unearthed) gehören allerdings nicht unbedingt zu den Höhepunkten.
7/10

Donnerstag, März 21, 2013

Demnächst: PASSION-Kritik

Heute fand die Berliner Pressevorführung von Passion statt, zu der ich als nicht-Journalist freundlicherweise eingeladen wurde. Eine Rezension wird also demnächst folgen. Nur soviel vorab: Passion ist ein streckenweise unfassbar komischer Film, unter anderem weil De Palma sich hier so hemmungslos selbst zitiert wie nie zuvor. Nach der Stimmung während und nach der Pressevorstellung zu urteilen, wird Passion die deutsche Kritik wohl bestenfalls spalten. Ich befürchte allerdings, die Mehrheit wird ihn verreißen.