Samstag, März 24, 2007

DVD: Casino Royale


M: I would ask you if you could remain emotionally detached, but I don't think that's your problem, is it, Bond?

Bond: No.

Diese Sätze fallen, während der gefolterte, tote Leib eines Bondgirls von einem Traumstrand abtransportiert wird. Meines Erachtens eine der Schlüsselszenen in Casino Royale. Denn im Kern geht es hier um die "Bondwerdung" eines jungen Agenten (Daniel Craig). Über zwei Stunden verfolgen wir, wie ein ungewohnt roher, muskelbepackter Doppelnullagent seinen letzten Hauch Menschlichkeit verliert. In den meisten Vorgängerfilmen wurde diese emotionale Kälte der Bond-Figur geschickt durch (Selbst-)Ironie überspielt. Die fehlt in Casino Royale fast völlig. - Und nachdem der sechste Bonddarsteller in seinem Debütauftritt etliche Zweikämpfe sowie Vergiftungen, Folter und Betrug überlebt und sich dadurch sein letztes bisschen Menschlichkeit abgeschliffen hat, darf er verdientermaßen die wohl bekannteste Namensnennung der Filmgeschichte zu einer der bekanntesten Filmmelodien von sich geben, während ein automatisches Maschinengewehr lässig an seiner Schulter ruht und ein angeschossener Bösewicht zu seinen Füßen kauert: "The name's Bond. James Bond." Bond ist nun der kaltblütige Killer, den die Zuschauer haben wollen. Ein subtiler Tritt in den Hintern abgestumpfter, vergnügungssüchtiger Freunde des Action-Kinos.


Der 21. Film der Serie beinhaltet jene Elemente, die man von einem Bondfilm erwartet. Und doch: Vieles ist anders. Das beginnt mit der in Schwarzweiß gehaltenen Pre-Credit-Sequenz, setzt sich über einen verhältnismäßig schlicht gehaltenen, frauenlosen (!) Vorspann zum durchschnittlichen Rock-Gedudel von Chris Cornell fort und findet in der eben beschriebenen Ausleuchtung der Bond-Figur seinen Niederschlag in der Handlung. Q und Moneypenny fehlen. Letzterer weine ich aber keine Träne nach, da sie in ihren letzten Auftritten mehr frauenpolitisches Statement als charmanter Bestandteil der Serie war.

Die erste große Actionsequenz, ein Parkourlauf, gehört zu den besten Actionszenen der letzten Kinojahre. Das ist wohl insbesondere Sébastian Foucan zu verdanken, einem der Begründer von Parkour und Bonds Gegenspieler in dieser Verfolgungsjagd. Graziös werden Geländer übersprungen, wird über Baukräne gelaufen und werden Wände erklommen. - Auch die übrigen Actionsequenzen sind gelungen. Es wird verzichtet auf die drei klassischen Zutaten: zu Land, zu Wasser und in der Luft. In Casino Royale findet die meiste Action im direkten Zweikampf statt. Das verleiht ihr etwas weniger abgehobenes, gibt dem Film entschieden mehr Härte aber dient natürlich auch dazu, Bonds innere Verfassung zu verdeutlichen: So hilft sich Bond beispielsweise zur Beruhigung ein großes Glas Whisky ein, nachdem er zwei Widersacher in einem langwierigen Treppenhaus-Kampf getötet hat - hätte er sie einfach abgeknallt, ergäbe diese Szene wenig Sinn.

Wie in Bondfilmen üblich werden gegenwärtige politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen angeschnitten. Ugandische Rebellen, der Bau eines Großraumflugzeugs inklusive damit einhergehender Aktienspekulationen, Flughafensicherheit und sogar Gunther von Hagens' umstrittene Körperwelten-Ausstellung, der Bond freundlicherweise eine weitere Leiche schenkt, spielen eine Rolle im Plot um den Blut weinenden Schurken Le Chiffre (Mads Mikkelsen), mit dem sich Bond schließlich eine Pokerschlacht in Montenegro liefert.


Geschmückt wird Bond beim Pokerspiel von Vesper Lynd (Eva Green), einer smarten Mitarbeiterin des britischen Schatzamtes: "I am the money." - "Every penny of it." Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen haben ihr die drei Drehbuchautoren (unter ihnen Paul Haggis: Million Dollar Baby) jedoch bedeutend mehr Fragilität verliehen. Lynd ist keine Kampfmaschine und steckt Bonds blutige Morde nicht locker weg. Das schenkt dem Film ein wenig mehr Glaubwürdigkeit, die solche Rambo-Bräute wie Wai Lin, Pam Bouvier oder May Day nicht gerade förderten.

Judy Dench als M ist wie immer grandios. Sie spielt die reservierte Chefin des MI6 mit der notwendigen Kühle, durchbricht diese aber immer wieder durch ironische Zwischentöne.

Zwei Deutsche sind in Nebenrollen vertreten: "Musterknabe" Jürgen Tarrach und Ludger Pistor (der Herr Meier aus Lola rennt) sorgen für etwas Humor im Film. Eine willkommene Abwechslung und Gegengewicht zur langen Tradition deutscher Bösewichte in Bondfilmen.

Das bringt mich schließlich zu Daniel Craig, der hier ein starkes Debüt gibt. Er spielt den jungen Spion mit mehr Energie als seine Vorgänger, darf dank eines klugen Drehbuchs, das die Bondfigur ungewöhnlich dynamisch konzipiert, jenseits seiner Physis auch seine Schauspielkünste zur Entfaltung bringen. All diese Ebenen meistert er mit Bravour, hebt sich klar von Connery, Moore, Lazenby und Brosnan ab - am ehesten erinnert er wegen seiner Härte an Dalton. Und das ist nach den Tagen des Dressman-Bonds Pierce Brosnan eine echte Wohltat!

Regisseur Martin Campbell ist mit Casino Royale der beste Bond seit Licence to Kill gelungen. Der Bruch mit der distinguierten Unantastbarkeit des Topagenten ist eine Frischzellenkur, die dem Franchise zu einer zweiten Jugend verhilft.

Zur DVD

Die 2-Disc Collector's Edition kommt im ansprechenden Pappschuber mit Digipack. Leider wurden die zwei Scheiben nicht nebeneinander, sondern übereinander platziert. So muss man erst die obere Disc rausnehmen, um an die untere zu gelangen. Neben einem kleinen Booklet liegen fünf Postkarten bei, die Figuren des Films zeigen.

Wie bereits bei der vergangenen Woche rezensierten Parfum-DVD, befindet sich auch hier auf der Hauptfilm-Disc ein Kopierschutz, der das Abspielen auf Computern wahrscheinlich verhindert. Offenbar kommt es auf das Laufwerk an, ob die Scheibe normal funktioniert, oder ob das Bild so aussieht.

Die animierten Menüs sind auf beiden DVDs schlicht, funktional und in Schwarzweiß gehalten.

Das anamorphe 2.40:1 Bild lässt nichts zu wünschen übrig. Da sich sämtliche Extras auf Disc 2 befinden, steht genug Speicherplatz zur Verfügung, um die 139 Minuten auf den zwei Layern der DVD-9 mit durchweg hoher Bitrate zu verteilen. Das steht dem Film insbesondere in Actionszenen gut zu Gesicht. Egal, wie schnell sich Kamera oder Objekte bewegen, das Bild bleibt stets konturreich und gestochen scharf. Ich konnte keine Störungen oder Beeinträchtigungen entdecken. Die Farben sind satt und kontrastreich, Bilddetails kommen voll zur Geltung.

Der Layerswitch ist so gut gesetzt, dass ich ihn erst bei der zweiten Sichtung der DVD entdeckt habe: Er befindet sich bei 1:14:18 - Le Chiffre ist im Begriff die Hotelzimmertür hinter sich zu schließen.

Die Menüs sind auf beiden Scheiben in schlichtem Schwarzweiß gehalten.

Es befindet sich deutscher und englischer DD 5.1 Ton auf der DVD. Dialoge kommen stets sauber aus dem Center, die Musik überwiegend ebenfalls von vorne. Beide Tracks verwenden die Möglichkeiten des Surroundsounds ausgiebig aber nie selbstzweckhaft. Besonders gelungen sind die Surroundeffekte im Showdown in Venedig. Während des Feuergefechts hört man die Querschläger hinter sich einschlagen, das Knarren des maroden Hauses kommt aus allen Kanälen und vermittelt einem das Gefühl, selbst dort gefangen zu sein. Ein sehr guter, präziser Gebrauch des Surroundsounds.

Insgesamt hat mir der englische Ton besser gefallen. Er wirkt dynamischer, gerade in den Dialogen, die im Deutschen flacher klingen.

Es befinden sich optionale deutsche, englische und türkische Untertitel auf den DVDs.

Die Bonus-DVD

Zwei Featurettes beschäftigen sich mit der Entstehung von Casino Royale.

"Becoming Bond" beschreibt in 26 Minuten die Suche nach dem neuen Darsteller, die Proben und Dreharbeiten. Zahlreiche Interviews mit Schauspielern, Regisseur und Drehbuchautoren geben Einblick in die Entstehung des Films.

"James Bond: For Real" widmet sich in 23 Minuten den Actionszenen des Films, zeigt Planung, Training und Realisierung derselbigen. Etwas nervig ist dabei das immer wieder überlaut eingespielte James Bond Thema zu Filmszenen.

"Bond Girls are Forever" stellt in drei Teilen mit einer Laufzeit von insgesamt ca. 45 Minuten die Bondgirls aus den verschiedenen Filmen vor. Moderiert von Maryam d'Abo, dem Cello-Mädchen aus The Living Daylights, wird vorgeführt, wie sich das Frauenbild über die Jahrzehnte veränderte.

Abgerundet werden die Extras durch Chris Cornells Musikvideo "You know my Name".

Fazit: Ein absolut sehenswerter Bond, der mit der besten Kino-Action vergangener Jahre, einem energiegeladenen neuen Hauptdarsteller und einer klugen Story überzeugen kann. Der Transfer aufs digitale Medium ist perfekt geglückt. Die Bonus-DVD ist jedoch nur Durchschnittsware. Die Featurettes sind informativ, aber bedienen sich zu sehr dem formelhaften Making Of Stil. Audiokommentare fehlen. Da vermutlich spätestens mit dem Start des 22. Bondfilms im nächsten Jahr eine vollgepackte Ultimate Edition von Casino Royale veröffentlicht wird, sollte man genau abwägen, ob man sich nicht zunächst besser die preiswertere Single-Disc zulegt.

6 Kommentare:

Stefan hat gesagt…

Sehr ausführlich, Respekt! Habe die DVD heute erhalten und kann es kaum erwarten, CR endlich mal im O-Ton zu sehen (diese Stimme!). LICENCE TO KILL ist für mich bis jetzt (kenne noch nicht alle 20) ebenfalls der Beste! :-)

Stefan hat gesagt…

... nach CR natürlich.

Jochen hat gesagt…

Dankeschön.

Und Bondfilme sind im OV ja grundsätzlich ein Hochgenuss, obwohl die deutschen Synchros meist nicht einmal schlecht sind. Erinnert sei an "Den Hund hat's mit eingeklemmten Schwanz zerrissen" ;-)

Flo Lieb hat gesagt…

Ich muss mich ja dann hier mal klar als Freund des Brosnan-Bonds outen, wobei das für die Filme nicht so gilt, die absteigend schlechter wurden. Aber Goldeneye sagte mir schon sehr zu.
Für mich ist und bleibt jedoch Connery der beste Bond und von allen Filmen gefällt mir immer noch Dr. No am besten, ich bin jedoch auch generell kein großer Bond-Fan, obschon ich alle Teile gesehen hab (abgesehen von dem mit Lazenby).

Aber tolle Review! Respekt!

Jochen hat gesagt…

Den Lazenby-Bond kann ich unbedingt empfehlen. Hab ihn schließlich vor kurzem auf Platz eins der Glorreichen 7 gesetzt...

Connery ist natürlich eine Klasse für sich :-)

Anonym hat gesagt…

Die Filmkritik ist klasse! Sehr ausführlich.. :-) Ich finde es ist definitiv der beste James Bond Film.. ein tolles Comeback, einer totgeglaubten Filmreihe :-)