Samstag, Oktober 28, 2006

OT: Spinner/-innen

Als ich Frau Künast unlängst in den Nachrichten darüber philosophieren hörte, wie in Zukunft aus älteren Arbeitslosen wieder aktive "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" werden sollen, ärgerte ich mich wie so häufig, wenn Politiker reden: nicht über den unglaubwürdigen Inhalt des Gesagten, nein, über die Form. In der Politik lässt sich nämlich etwas beobachten, was nach meiner Erfahrung für keine andere Berufgruppe gilt: die permanente Produktion von Wortmüll.

Die Rede ist von der Doppelung von Personengruppen durch explizite Differenzierung der Geschlechter, also z. B. Schülerinnen und Schüler, Musliminnen und Muslime oder Ärztinnen und Ärzte. Das ist für mein Sprachempfinden ein echte Zumutung. Es wirft auf das Gesagte nicht nur das schmerzend-grelle Licht der Bürokratie, es ist darüber hinaus formal hässlich und inhaltlich redundant.

Hässlich und falsch: das Binnen-I. Mittlerweile verwendet es nicht einmal mehr die taz.

Die feministische Linguistik setzt Genus (das grammatische Geschlecht) und Sexus (das natürliche Geschlecht) gleich. Diese Gleichsetzung müsse nach deren Meinung nun zwangsläufig auch dazu führen, dass in der Pluralform (und nur um diese geht es mir hier!) beide Geschlechter explizit genannt werden, wenn es sich um ein generisches Maskulinum handelt (z. B. der Schüler, der Muslim, der Arzt). Das Sprachempfinden der Mehrheit der Bevölkerung ist freilich ein gänzlich anderes. Ansonsten würden ja alle diese dämliche Doppel-Pluralform bilden. Jedoch tun dies nach meiner Erfahrung nicht einmal Dozentinnen mit dem Schwerpunkt feministische Literaturtheorie. Und warum sollten sie auch? Es ist unökonomisch. Alleine deshalb wird es sich auf Dauer nicht einmal in der Sphäre anbiedernder Politikersprache halten können. Ein schwacher Trost für all diejenigen, denen sich in der Gegenwart bei jedem "Liebe Kolleginnen und Kollegen" der Magen umdreht.

Ich bin kein Gegner politisch korrekter Sprache. Deshalb muss ich mein ästhetisches Sprachempfinden aber doch nicht gleich beerdigen, zumal die Doppelnennung grammatisch völlig überflüssig ist, weil die Pluralform beide Geschlechter einschließt. Was hier gern übersehen wird, ist, dass die sprachlich explizite Differenzierung der Geschlechter in der Pluralform trennt und nicht vereint, also gleichstellt. Die Benutzer dieser vermeintlich sexismusfreien Sprache erreichen somit das Gegenteil von dem, was sie wollen: sie bauen künstliche Barrieren zwischen den Geschlechtern auf, statt sie sprachlich gleichzustellen.

Ich fürchte, dass ich mit dieser „Schmähschrift“ vermutlich niemanden überzeugen werde - ich bin mir jedoch sicher: In 25 Jahren wird diese Doppelform ein Fußnote der Sprachgeschichte sein. Ein Lichtblick: Das Binnen-I ist schon gescheitert.


Empfehlenswerter Link:
Arthur Brühlmeier. Sprachzerstörung aus Konzilianz -
Die Umkehr ist fällig.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hurra, endlich mal was richtig Gutes und wichtiges, schade, dass du nicht auf das erigierte "i" eingegangen bist, was noch viel ungrammatischer ist, aber was soll's die Hochphase des emanzipierten Schwachsinns ist vorbei. Wobei ich nichts gegen Emanzipierung sagen will, aber wie du es auch sagst ist das eher grenzenschaffend als-abbauend...