Mystery Street: Der Mord an Vivian Holden (Jan Sterling) wird in diesem "CSI-Noir" (Regie: John Sturges) sechs Monate nach ihrem Tod mit modernen Methoden der Zeit rekonstruiert. Alles, was der zuständige Lieutenant Moralas (Ricardo Montalban) zu Beginn seiner Untersuchung hat, ist ein Häufchen Knochen, das am Strand gefunden wurde. Moralas wendet sich schlauerweise an das Institut für Rechtsmedizin in Harvard. Der dortige Fachmann Dr. McAdoo (Bruce Bennett) kann innerhalb kurzer Zeit Geschlecht, Alter, Zeitpunkt des Todes und den Beruf der Toten bestimmen. Das überrascht sogar den heutigen CSI-geschulten Zuschauer. Die beeindruckenden Methoden des Dr. McAdoo sind um einiges bodenständiger und nachvollziehbarer als die hypermodernen DNA-Analysen und sonstigen Tricks gegenwärtiger Kriminaltechniker. Das verleiht Mystery Street eine angenehme Aufrichtigkeit und löst in manch einem Rezipienten womöglich nostalgische Gefühle aus. Doch leider ergibt sich aus der Erzählstruktur des Films ein Spannungsproblem: Da die Identität des Täters schon relativ früh klar ist, wirken die detektivischen Arbeiten Lieutenant Moralas' in der zweiten Hälfte eher einschläfernd als spannungserzeugend. Einen solch dämlichen Kommissar habe ich in Film noirs selten erlebt. Hinzu kommt, dass es keine echte Femme fatale gibt. Sicherlich ist die verschlagene und leicht neurotische Mrs Smeerling (Elsa Lanchester) eine überaus zwielichtige Figur. Ihr fehlt aber das nötige Maß an sexueller Attraktivität, um Männer zu manipulieren. Deshalb muss sie auf andere Mittel zurückgreifen. - Insgesamt ein bedingt empfehlenswerter kleiner Film aus der Blütezeit der schwarzen Serie, der gute Werbung für Harvard macht, durch seine altertümliche Kriminaltechnik begeistern kann, jedoch teilweise zu umständlich erzählt, um durchgehend bei Laune zu halten.
63 Punkte.
The Naked City zählt wie T-Men und He Walked by Night zur Kategorie der Doku-Noirs, die Ende der 40er Jahre populär wurden. Komplett an Originalschauplätzen in New York gedreht, darf man in diesem Jules-Dassin-Film auf Skyscraper-Baustellen weilen, miefige Boxbuden von innen kennenlernen und natürlich die Stadt New York bei Tag und Nacht erleben. Immer wieder betont der allwissende Off-Erzähler, der von manchen Kritikern als die Seele der Stadt selbst verstanden wird, New York habe acht Millionen Einwohner (eine Zahl, die sich erstaunlicherweise bis heute nicht gravierend verändert hat!). Die Schwierigkeit der Polizei beim Fassen von Mördern soll auf diese Weise unterstrichen werden, denn die Anonymität der Großstadt ist das eigentliche Thema des Films. Obwohl die ermittelnden Beamten schnell einen Kreis von Verdächtigen im Mord gegen das blonde Model Jean Dexter ausgemacht haben, fällt es ihnen schwer, sich im Großstadt-Dickicht zu orientieren. Wie sich herausstellt, hängt der Mord mit ausgefeilten Juwelendiebstählen zusammen. - The Naked City überzeugt durch den mitunter rasanten Schnitt und die wunderschön abgefilmte Stadt. Hierfür gab es im Jahr 1949 jeweils einen Oscar. Aber auch die verwobene Story weiß zu überzeugen (Oscarnominierung). Lediglich schauspielerisch gibt es etwas auszusetzen: Don Taylor als Detective Halloran wirkt insbesondere zu Beginn sehr hölzern und Barry Fitzgerald als Lt. Muldoon fischt zu häufig nach billigen Lachern. Das fällt aber kaum ins Gewicht, denn beide Akteure haben auch ganz großartige Szenen. So verlangt Hallorans Ehefrau einmal von ihrem Gatten, er solle doch den Sohn verprügeln, weil dieser erneut unerlaubt auf die Straße gerannt sei. Halloran windet sich, um dies nicht tun zu müssen und erwidert auf das Drängen seiner Frau, es stehe doch nirgends geschrieben, dass dies der Mann im Hause tun müsse. Ein schöner Kommentar auf die zeitgenössische Vorstellung von Erziehung und die damit zusammenhängenden Geschlechterrollen.
65 Punkte.
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