Samstag, Juli 04, 2009

Filmtipp: White Dog


White Dog ist erst vor kurzem in den USA in einer luxuriös ausgestatteten Criterion Edition erschienen. Zuvor war dieses in den USA kontrovers diskutierte Spätwerk Samuel Fullers (The Naked Kiss) nicht einmal auf VHS erhältlich. In Deutschland flimmerte White Dog hingegen bereits in den 80er Jahren über TV-Bildschirme. Ein erwähnenswerter Unterschied im Umgang mit Fullers umstrittener Fabel. Ursprünglich war White Dog von Paramount als eine Art Hundeversion zu Spielbergs Jaws geplant. Doch die Studio-Verantwortlichen schätzten den Co-Autoren Curtis Hanson falsch ein. Dass Fuller noch nie Angst davor hatte, Grenzen jedweder Art zu attackieren, hätte ihnen allerdings nach einem kurzen Blick auf sein bisheriges Schaffen klar sein müssen.

Des Nachts fährt die Hollywood-Actrice Julie Sawyer (Kristy McNichol) versehentlich einen strahlend weißen deutschen Schäferhund an. Sie pflegt ihn gesund und erfreut sich zunächst an dessen Beschützerinstinkt. Doch kurze Zeit später muss sie erkennen, dass ihr neuer weißer Freund darauf abgerichtet worden ist, Schwarze anzugreifen und zu töten. Was tun? Julie entscheidet sich dazu, die Bestie vom schwarzen Hundetrainer Keys (Paul Winfield) umerziehen zu lassen.

Wanna play?

White Dog ist vom Storyverlauf ein B-Movie, das jedoch durch Fullers inszenatorisches Geschick eine Qualität erreicht, die über Genrebegrenzungen hinausgeht. Schon der Anfang ist ungewöhnlich: Nach den Credits zur großartigen musikalischen Begleitung Ennio Morricones, die es vermag, fast übergangslos zwischen Zartheit und Bedrohung zu schwanken, hören wir den Unfall, sehen ihn aber nicht. Fuller verzichtet also auf einen großen Schaueffekt zu Beginn und konzentriert sich auf die Konsequenz des Unfalls: die Beziehung zwischen Julie und dem Hund.

In bewusst simpler Metaphorik stellt White Dog Rassismus als eine erlernte Eigenschaft, als potentiell heilbare Krankheit dar und liegt somit auf der Linie eines radikalen Behaviorismus. Die Schluss-Pointe relativiert diese Haltung zu einem gewissen Grad, lässt in ihrer mangelnden Eindeutigkeit jedoch Raum für unterschiedliche Interpretationsansätze. Ist der durch den weißen Hund repräsentierte Rassismus nicht heilbar oder lediglich modifizierbar? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage lässt der Film nicht zu. Und während in dieser Mehrdeutigkeit eine klare Stärke liegt, erlaubt der Mangel an möglichen Erklärungsansätzen für die Gründe und Ursachen von Rassismus einen berechtigten Ansatz zur Kritik. Rassismus wird als ein gesellschaftlich vorhandenes Phänomen lediglich dargestellt – welche Motive dahinter stehen, welche Formen Rassismus annehmen kann, diese Ebenen blendet Fuller aus und verspielt so die Chance, rassistisches Verhalten zu erklären. In einer Schlüsselszene am Ende, als sich der ursprüngliche Besitzer, umgeben von zwei Enkelinnen im Sonntagskleid, bei Julie vorstellt und unverblümt eingesteht, es handele sich um den besten „white dog“, den er je gehabt habe, reagiert Julie mit hilflosen Beschimpfungen. Genau hier wäre es jedoch spannend gewesen, nachzuhaken und den Hintergrund des alten Mannes auszuleuchten. Dafür hätte man einige Szenen, wie etwa den vorübergehenden Ausbruch des Hundes, über Bord schmeißen können, weil hier nichts Neues erzählt, sondern lediglich Bekanntes variiert wird.

Ursprünglicher Hundebseitzer mit Enkelinnen: Hätte wie anfangs geplant Roman Polanski Regie geführt, wären die Hintergründe für die Abrichtung des Hundes womöglich angerissen worden. Polanski musste zu dieser Zeit jedoch aufgrund einer Anklage wegen sexuellen Missbrauchs die USA verlassen.

Die Kämpfe zwischen Trainer und Hund sind im Übrigen fantastisch choreographiert, von Kameramann Bruce Surtees (Dirty Harry) blendend bebildert und von Bernard Gribble (Top Secret!) packend montiert. Insgesamt wirkt White Dog jedoch leider uneinheitlich – Julie verkommt in der zweiten Hälfte zu einer Nebenfigur, ihr Freund verschwindet ohne Erklärung völlig von der Bildfläche. Darüber hinaus gibt es Szenen, die die ursprüngliche Intention des Studios, einen Horrorfilm mit einem Hund machen zu wollen, sehr deutlich erkennen lässt. Diese etwas willkürlich wirkenden Einschübe beißen sich mit der grundlegenden Atmosphäre.

All diese Kritikpunkte, so berechtigt sie seien mögen, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei White Dog um eine spürbar persönliche Arbeit Fullers handelt, in der er ein weiteres Mal seine Sozialkritik deutlich zum Ausdruck bringen konnte. Vielleicht ist White Dog auch einfach nur zur falschen Zeit erschienen – es darf nämlich angezweifelt werden, dass zehn Jahre zuvor ein derartiger Film auf so massiven Widerstand gestoßen wäre. Anfang der 80er jedoch, in der Zeit des Conservative Backlash hatte der Stoff von Anfang an schlechte Karten.

1 Kommentar:

LikeMike hat gesagt…

Mann, den hab ich ja gar nicht gekannt... klingt eigentlich nach einem Film für mich. Den muss ich mir mal vormerken!