Sonntag, Dezember 31, 2006

Filmtipp: Grizzly Man


Werner Herzogs Hang zu urwüchsiger Natur und Menschen, die aus ihrem Wahn eine ungeheure Energie schöpfen, ist kein Geheimnis. In seinen Filmen mit Klaus Kinski (z. B. Aguirre oder Fitzcarraldo) ging er an die Grenzen von Natur und Mensch, um sie sodann zu überschreiten. Diese Filme handelten von einer zugleich anmutigen wie grausamen Natur, in der sich stets eine getriebene Figur zu behaupten versuchte. Dabei war die Entstehung dieser Filme ein ebensolcher Prozess der Auseinandersetzung mit diesen schwer kontrollierbaren Urgewalten. In seinem grandiosen Filmessay Mein liebster Feind huldigte Herzog seiner Faszination, indem er tiefgründig über sie sinnierte.

Herzogs Dokumentation Grizzly Man zeigt, dass ihn diese zwei Themen noch immer reizen. Aus über einhundert Stunden Filmmaterial des Bären-Narren Timothy Treadwell und Interviews mit dessen Freunden, Familie und Bekannten montiert er das einzigartige Portrait eines Naturfreaks auf einem Selbsterfahrungstrip.


Timothy Treadwell bei seiner Arbeit.

Timothy Treadwell lebte 13 Sommer unter Grizzlybären, bis er im Jahre 2003 zusammen mit seiner Freundin Amy des Nachts von einem gefressen wurde. Treadwell gab sich dem Wahn hin, er müsse die Bären beschützen. Vor wem, das wusste er allerdings selbst nicht so genau. In Wahrheit war die idyllisch anmutende Landschaft des Katmai-Nationalparks in Alaska ein Refugium für den Zivilisationshasser Treadwell. Bei den Bären fand er ein Leben abseits der Menschen, das ihm bei der Suche nach sich selbst half und ihn gleichermaßen mit einem Lebenssinn erfüllte. Dieses Leben in der Wildnis wurde zu seiner Religion. Und wenn man seine Videotagebücher sieht, versteht man sofort, warum. Treadwell liebte die Bären mit jeder Faser seines Wesens. Er spricht mit ihnen in liebevoller Babysprache, tritt bis auf Körpernähe an sie heran und strahlt wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum beim Berühren ihres noch warmen Kots.

Sein Zelt schlägt er gelegentlich zwischen zwei Fuchsbauten auf, damit er Besuch von deren Bewohnern bekommt. Und die lassen nicht lange auf sich warten. Seit Jennifer Jones' Spiel mit ihrem Fuchs in Gone to Earth, hat man solche Aufnahmen nicht mehr in einem Film gesehen. Treadwell habe eine unsichtbare Grenze überschritten, kommentiert Herzog an einer Stelle dessen Zusammenleben mit den Bären. Herzog bewundert Treadwells Filmkunst, seine Methodik und Gabe zur Improvisation: Auch den Momenten der Stille und der unbeabsichtigten Geschehnisse wohne eine poetische Kraft inne, die man nicht künstlich herstellen könne und die Treadwells Aufnahmen jenseits eines gewöhnlichen Naturfilms ansiedeln. - Es sind freilich auch diese Momente, die Grizzly Man so sehenswert machen.

Die vielleicht spektakulärste Szene des Films zeigt den minutenlangen Kampf zweier Bären um ein Weibchen (Treadwell: "The Michelle Pfeiffer of bears."). Die zwei riesigen Muskelpakete bewegen sich zunächst langsam und graziös aufeinander zu, bevor plötzlich der Kampf explodiert. Fell und Kot wirbeln durch die Luft und als der Kampf schließlich vorüber ist, marschiert Treadwell zum gründlich durchwühlten Boden, kommentiert den Kampf wie ein Sportreporter und ist dabei voller Bewunderung über die Kraft der zwei Giganten.

Hajime! Zwei fast vier Meter große Kolosse beim Kampf, der wirkt, als würden zwei monströse Judoka aufeinander losgehen.

Im zivilisatorischen Leben war Treadwell unzufrieden, bastelte an seiner Identität. Er änderte seinen Namen, legte sich einen australischen Akzent zu, hatte ein Alkoholproblem und litt an Depressionen. Doch auch in der Natur holten ihn seine Dämonen hin und wieder ein. So wird sein harmonisches Weltbild schnell erschüttert, wenn er mit der mitunter grausamen Realität der Natur konfrontiert wird. Beispielsweise wenn er einen toten Jungfuchs findet oder miterleben muss, wie die männlichen Bären ihre Kinder töten, damit die Weibchen schneller für den Fortpflanzungsakt zur Verfügung stehen. Während Treadwell diese Geschehnisse in seinem Videotagebuch weinerlich beschreibt, schaltet Herzog sich distanzierend ein und erläutert seine eigene, eher düstere Sicht auf die Welt: Der gemeinsame Nenner des Universums seien Chaos, Feindseligkeit und Mord.

Auch auf Treadwells Tod geht der Film ein. Als Treadwell starb, lief seine Kamera. Der Deckel war auf der Linse, aber den Ton des Todeskampfes zeichnete sie auf. Zum Glück bleiben dem Zuschauer diese Momente erspart. Der Leichenbestatter beschreibt den sechsminütigen Kampf Treadwells. Seine Freundin Amy habe vergeblich mit der Bratpfanne auf den Kopf des Grizzlys eingeprügelt. Als Herzog sich das Band vor laufender Kamera anhört, bricht er nach kurzer Zeit ab.

Herzog kreuzt in Grizzly Man idyllische Naturaufnahmen mit dem Psychogramm eines sympathischen Wahnsinnigen. Saftig grüne Wiesen, funkelnde Seen und blaugraue Bergketten sowie einmaliges Videomaterial von wild lebenden Grizzlys wechseln sich ab und durchdringen sich mit der Psychostudie Timothy Treadwells, einem Mann auf dem wohl ungewöhnlichsten Selbsterfahrungstrip, den das Kino je gesehen hat.

Montag, Dezember 25, 2006

DVD: Clerks II

Clerks II ist vor kurzem in den USA auf DVD erschienen. Doch für Deutschland steht noch nicht einmal ein Kino-Starttermin fest. Das hat mittlerweile leider fast schon Tradition bei Kevin Smith Filmen.

Meine erste Reaktion, nachdem ich vor etwa anderthalb Jahren von dem geplanten Sequel erfuhr, war negativ. Warum ein preisgekröntes Meisterwerk fortsetzen? Und wovon sollte der Film bitteschön handeln? Hatte nicht der erste Teil das Leben der zwei Quick-Stop-Slacker Dante und Randal gründlich genug ausgeleuchtet? Und suggerierte das Ende von Jay and Silent Bob Strike Back, in dem Gott (Alanis Morissette) das View Askewniverse-Buch zuschlägt und vergnügt von dannen tanzt, nicht auch das Ende eben jenen Filmuniversums? - Wie Kevin Smith in der Doku Back to Well: Clerks II erklärt, habe Gott das Buch zwar zugeschlagen, jedoch habe sich darin ein Lesezeichen befunden und man habe deutlich erkennen können, dass sich noch einige Seiten hinter eben jenem Lesezeichen befinden. Smith fügt grinsend hinzu: Diese Seiten beinhalten Clerks II!

Clerks II greift das Leben der zwei Ladenhüter Dante (Brian O'Halloran) und Randal (Jeff Anderson) gut zehn Jahre nach Clerks wieder auf. Die zwei sind nun Anfang dreißig. Ihr Leben hat sich aber bislang nicht großartig verändert. Sie arbeiten jetzt für die Fastfoodkette Mooby's, während sie weiterhin unverdrossen pseudophilosophische Gespräche über die Lord of the Rings Trilogie, ungewöhnliche Sexualpraktiken und ihr Leben führen. - Doch ein Ende ist absehbar, denn Dante hat sich mit der herrschsüchtigen Blondine Emma (Jennifer Schwalbach) verlobt und will mit ihr nach Florida ziehen. Randal missfällt das gewaltig. Zudem besteht ein mehr als freundschaftliches Verhältnis zwischen Dante und seiner Vorgesetzten Becky (Rosario Dawson). Entlang dieser Reibungspunkte entfaltet sich die Handlung.

Was diesen Film ebenso großartig macht wie seinen No-Budget Vorläufer sind die Dialoge. Ich bin absolut kein Freund von dialoglastigen Filmen, denn Gespräche widersprechen der Natur von Film. Doch es gibt Ausnahmen. Wenn die Dialoge witzig, spritzig und tiefgründig sind, haben sie auch in einem derartigen Ausmaß Berechtigung. Neben Quentin Tarantino ist Kevin Smith in meinen Augen der begnadetste Autor pointierter Wortgefechte. Und wenn in Clerks II über solch obszöne Dinge wie "ass to mouth", "interspecies erotica", "large clits" und "porch monkeys" lamentiert und gestritten wird, ist das niemals nur oberflächlich lustig, sondern verhandelt gleichzeitig auch immer unsere Wertvorstellungen und Normen von Dingen wie Sexualität, Gleichberechtigung, Rassismus, Political Correctness und Religion. Die Dialoge wären allerdings nicht halb so humorvoll, würden sie nicht bravourös gesprochen. Lässt Samuel L. Jackson Tarantinos Worte zu Musik werden, ist es in den Clerks-Filmen insbesondere Jeff Anderson, der seinen Monologen, die ihm Smith in den Mund legt, trotz der meist vulgären Inhalte schöne Klänge abgewinnt.

Schwarzweißbild oben: Die Ladenhüter 1994. Dieses Bild zeigt sie heute.

Zur DVD:

Zunächst ist man natürlich darüber überrascht, dass Clerks II ein Farbfilm ist. Vom grobkörnigen Schwarzweiß hat man Abschied genommen. Mir hat das schon deshalb gefallen, weil es die zeitliche und räumliche Distanz zum ersten Teil optisch deutlich unterstreicht. Und wenn Smith in der letzten Szene des Films wieder ins Schwarzweiße wechselt, ergibt das stilistisch Sinn. Jedoch hat mich die Qualität des Bildes enttäuscht. Die Farben wirken relativ entsättigt. Das fällt besonders in der Musicalszene auf, die in kräftigen Farben gehalten ist. Nach meinem Dafürhalten hätte sich der gesamte Film in diesen volleren Farben abspielen können. Auch die Detailschärfe hat mich nicht überzeugt. Vor kurzem habe ich zur Einstimmung Jay and Silent Bob Strike Back gesehen - dort ist das Bild meines Erachtens detailreicher. Wie man auf der 1. Kommentarspur der DVD, dem "technical commentary", erfährt, war das jedoch Smiths Absicht. Er wollte in Clerks II optisch einen Lebensraum schaffen, der einen bewohnten Eindruck macht. Es sei überhaupt sein erster Film gewesen, bei dem es eine Grundsatzdiskussion über das visuelle Erscheinungsbild gegeben hätte: Im Gegensatz zu Kameramann David Klein wollte Smith ursprünglich das Medium nehmen, welches heute dem preiswerten 16mm-Film von 1994 entsprechen würde: HDV. Doch Klein überzeugte Smith schließlich, den Film auf 35mm zu drehen.

Der Ton ist großartig. Bombastische Soundeffekte wie in Jay and Silent Bob Strike Back bietet die Handlung hier zwar nicht an. Die Dialoge sind jedoch stets gut verständlich und gleichmäßig laut abgemischt, was bei einem solch dialoglastigen Film von enormer Wichtigkeit ist. Und soweit es das Geschehen der Szene zulässt, entsteht auch ein räumlicher Klangeindruck: Das Öffnen und Schließen des Mooby's-Eingangs ist beispielsweise mit einem Muuh-Soundeffekt unterlegt und spiegelt den jeweiligen Blickwinkel der Kamera auch akustisch wider. Abgesehen von solchen netten Kleinigkeiten bleiben die Surroundkanäle allerdings die meiste Zeit stumm.

Im Zeitalter der Special-, Limited-, Ultimate-, Golden- und Collector's Editions ist es erfrischend, dass die Clerks II 2-Disc Edition auf solche -mittlerweile nichtssagenden- Untertitel verzichtet.

Auf Disc 1 befinden sich insgesamt drei Kommentarspuren:

Ein rein technischer Commentary mit Smith, Mosier (Produzent) und Klein (Kamera), der sich ausschließlich mit der technischen Seite der Produktion auseinandersetzt und wie eine Art Einführungskurs ins Filmemachen wirkt.

Für die Party-Commentarytracks (Smith, Mosier, Anderson, Fehrman, Mewes, O'Halloran und Schwalbach), die streckenweise ebenso witzig sein können wie der Film, sind die Smith-DVDs bekannt.

Ein Podcast-Track mit Smith, Mosier und Anderson (Randal), den man schon während des Kino-Releases aus dem Netz ziehen konnte, um ihn mit seinem iPod im Kino zu hören, ist die insgesamt vierte Audiospur auf der DVD. Geniale Idee, wie ich finde - ich bin gespannt, ob das zur Nachahmung anregt.

Außerdem auf Disc 1: Gut 30 Minuten an Deleted Scenes von unterschiedlicher Qualität. Einige sind schwach, andere aberwitzig. Eine fakultative Einführung in die Deleted Scenes und ein genauerer Blick auf "Interpecies Erotica" runden die Extras ab.

Menü auf Disc 2

Disc 2: Der Kracher der Special Features ist die knapp anderthalbstündige Dokumentation Back to the Well: Clerks II. Hier erfährt man so gut wie alles über die Entstehung von Clerks II. Von den ersten Ideen 2001 bis zum Kinostart 2006: Warum Smith The Green Hornet nicht drehen wollte, wie schwer es war, Anderson von einem zweiten Teil zu überzeugen, wie sich die Proben und Dreharbeiten, Schnitt und Soundeffektmischung gestalteten, wie die Komödie in Cannes aufgenommen wurde und mit welch einem Engagement Smith während des Kino-Releases die Werbetrommel rührte. Und das, was man noch nicht in dieser Doku erfahren hat, bekommt man im zehnteiligen Produktions-Videotagebuch mitgeteilt. Ferner befinden sich noch eine 27-minütige Blooper-Reel, ein Soundtrack-Promo und ein Easter Egg (Mooby-Kuhkopf zwischen Randal und Dante auswählen!) auf der Scheibe.

Fazit: Die beste Komödie des Jahres in einem atemberaubend vollgepackten DVD-Release. Was will man mehr?

Samstag, Dezember 23, 2006

Frohes Fest


Leider bin ich in den letzten Tagen aufgrund mehr oder weniger intensiver Klausurvorbereitungen (und anderer Eskapaden) nicht dazu gekommen, etwas neues zu posten. Anstelle mich beim Schreiben über Filme zu entspannen, habe ich lieber einige konsumiert. Eigentlich sollte noch vor Weihnachten die Clerks 2 Doppel-DVD an dieser Stelle besprochen werden. Doch über sechs Stunden Bonusmaterial verlangen den entsprechenden Zeitaufwand. Früher oder später wird diese Rezi aber folgen.

Ich wünsche allen Lesern dieser Zeilen eine frohe Weihnacht! In Gedenken an meinen zeitgenössischen Lieblingsdichter, der sich dieses Jahr traurigerweise für immer verabschiedet hat, soll eines seiner Gedichte diesem Blog die angemessene Weihnachtszierde verleihen. Die Rede ist von Robert Gernhardt.


NACHT DER DEUTSCHEN DICHTER
Thema mit Variationen


THEMA

Stille Nacht, heilige Nacht,
alles wacht
Einar Schleef.


VARIATIONEN

Stille Nacht, strahlende Nacht,
alles trinkt,
Sarah Kirsch.


Stille Nacht, bildende Nacht,
alles liest,
Hermann Kant.


Stille Nacht, schwelgende Nacht,
alles ißt,
Ulla Hahn.


Stille Nacht, lockende Nacht,
alles küßt,
Erich Loest.


Stille Nacht, kreisende Nacht,
alles raucht,
Günter Grass.


Stille Nacht, endende Nacht,
alles geht,
Stefan Heym.


Quelle:
Robert Gernhardt. Gedichte 1954-1997. Frankfurt am Main 2000.

Donnerstag, Dezember 14, 2006

Die glorreichen 7: Bondfilme

Nach 17 Jahren ohne Überraschungen in der größten aller Agentenserien wirkt Casino Royale wie ein bis zum Anschlag aufgeladener Defibrillator. In einem Kinojahr, das zwischen hohlem Eskapismus und Lehrveranstaltungen in Political Correctness pendelte, beweist genau die Filmreihe, die zuletzt durch einschläfernd formelhafte Drehbücher auffiel, den anarchischen Biss, den ich gerne von mehreren Big Budget Filmen gesehen hätte.

Bond war seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr zeitgemäß. - Jason Bourne verkörpert da ein leichter nachvollziehbares Agentendasein: Bourne ist auf sich allein gestellt und wird mit unlösbar scheinenden Aufgaben konfrontiert. Er muss ohne die Unterstützung eines ganzen Heeres von technischen Tüftlern und weltweit vorhandenen Verbündeten auskommen. - Casino Royale bricht zurecht mit dieser obsolet erscheinenden Tradition der Überbehütung des Doppelnullagenten.

Doch ohne viel Umschweife - hier die glorreichen 7 der Bondfilme:

7. Tomorrow Never Dies ist in dieser Liste der Alibifilm für den größten Dressman unter den Bonddarstellern: Pierce Brosnan. Für mich blieb Brosnan immer Brosnan, wurde nie Bond. Trotz vieler Defizite, begeistern mich drei Elemente in TND: 1.) Der unerwartet smarte Plot, der als ein wenig subtiler Tritt in den Hintern Rupert Murdochs zu verstehen ist. 2.) Dieser Bond spielt zum Teil in Deutschland (Hamburg) - so viel Patriotismus muss erlaubt sein (hab bis heute den Sinn der damaligen Studentenproteste gegen den Film nicht begriffen!). 3.) Der zweitbeste Spruch eines Bösewichts in der Geschichte der Serie, von Dr. Kaufman alias Vincent Schiavelli natürlich mit breitem deutschen Akzent gesprochen. Bond: "It won't look like a suicide if you shoot me from over there." - Dr. Kaufman: "I am a professor of forensic medicine. Believe me, Mr. Bond, I could shoot you from Stuttgart und still create ze proper effect."


6. Never Say Never Again ist zwar nur ein inoffizielles Remake, gefällt mir aber bedeutend besser als Thunderball, was nicht zuletzt an Klaus Maria Brandauer als charismatischsten Finsterling neben Gert Fröbe liegt. Auch die Taucheskapaden werden hier nicht allzu sehr in die Länge gezogen. Seit NSNA wissen wir zudem, dass selbst Bonds Urin tödlich sein kann. Und die Variation der obligatorischen Spielszene ist fabelhaft gelungen und macht trotz veralteter Computergrafik heute noch genauso viel Spaß wie in den 80ern.


5. The Spy who loved me war lange Zeit mein Lieblingsbond. Hier ist der Beißer noch keine alberne Witzfigur, sondern angsteinflößend und bedrohlich. Für Feministinnen interessant: In TSWLM befindet sich die erste starke Frauenfigur der Bondserie - die russische Agentin Anya (Barbara Bach), die dann aber doch schnell dem Charme des Superbriten verfällt. Immerhin weiß sie, wie eine Pistole gehalten wird.


4. Licence to Kill galt bis Casino Royale als härtester Bond und war bis vor kurzem in Deutschland nur geschnitten erhältlich. Und ich gebe zu: Timothy Dalton ist nach Connery meine Nummer 2, wobei abzuwarten bleibt, wie sich Craig in den nächsten Filmen schlagen wird. LTK trägt zwar die krakelige Schrift eines Regisseurs, der sich nicht durch inszenatorische Eleganz auszeichnet und gegen Ende eine ganze Reihe räumlicher Anschlussfehler (z. B. Truckverfolgung) im Film unterbringt - aber das passt zur raubeinigen Art, mit der Dalton den Bond im Rambozeitalter gibt: Roh, kantig, geradlinig und mit bedeutend weniger Ironie als Moore.


3. Casino Royale habe ich bislang nur einmal gesehen. Es ist also gut möglich, dass sich diese Platzierung schnell ändern wird. Derzeit bin ich jedenfalls schwer begeistert. Hier knüpft man an die Härte der Dalton-Bonds an. Bond ist noch ein ungeschliffener Rohling ohne Kultur. Das gleicht er jedoch mit ordentlich Muskelmasse aus. Bond schwitzt, blutet, kotzt, schreit vor Schmerz und steht zweimal kurz vor dem Tod. Dieser Bruch mit der distinguierten Unantastbarkeit des Topagenten ist eine Frischzellenkur, die dem Franchise zu einer zweiten Jugend verhilft. Auch die Actionsequenzen hatten etwas frisches, unverbrauchtes - die Parkoursequenz ist schlichtweg ein Geniestreich. Und endlich ein Bondfilm ohne eine Bootsschlacht! Haben es die letzten Teile nicht mehr in meine DVD-Sammlung geschafft, so wird Casino Royale vorbestellt.

2. Goldfinger ist der erste Bondfilm, bei dem man merkt: Hier steckt ein ordentliches Budget hinter. War From Russia with Love zu großen Teilen ein intelligentes Kammerspiel, ist der "dritte Bond-Film [...] ein betont jenseits aller Glaubwürdigkeit angesiedeltes Kino-Abenteuer in der hinlänglich bekannten, formal nicht ungeschickten Mischung aus Science Fiction, Erotik und Brutalitäten" (Lexikon des internationalen Films). Jawoll! Goldfinger ist in gewisser Weise der Urbond, weil hier erstmals alle Zutaten zueinander finden: Cooles Opening, vergoldete Frauen, der beste Bösewicht der gesamten Reihe, Gold, tödliche Chinesen mit scharfen Zylindern, Frauen mit unanständigen Namen, noch mehr Gold, ein von Q getuneter Aston Martin (im Gegensatz zu Casino Royale sogar mit Lenkrad auf der rechten Seite), ein Laser, viel mehr Gold, Felix Leiter, ein bombastisch klingendes Lied zu einem auf Zelluloid gebannten LSD-Trip und - wie könnte es anders sein - Go.., erm, Fort Knox.


1. On Her Majesty's Secret Service. Trotz und wegen George Lazenby ist OHMSS der beste Bond. OHMSS entzieht sich wegen seines unikathaften Charakters, den er Lazenby verdankt, jedwedem Vergleich mit den Bonds der übrigen Darsteller. Der Film ist außerdem so rund wie kaum ein anderer. Man muss alleine den Mut der Macher anerkennen, sich für ein solch bedrückendes Ende zu entscheiden. Das haben die Broccolis anschließend leider nie wieder gewagt. Erst der Schluss von Casino Royale hat einen ähnlich düsteren Touch. Darüber hinaus ist es ein Vergnügen Kojak und Emma Peel in einem Film zu erleben - wundervoll. Der Helikopterangriff, die Hypnosearmee, der Schottenrock...top!

Montag, Dezember 11, 2006

Filmtipp: The Small Back Room

Auch nach Kriegsende beschäftigten sich Powell und Pressburger weiterhin mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs. The Small Back Room erzählt die Geschichte von Sammy Rice (David Farrar), einem Bombenspezialisten, der im Jahr 1943 in einem kleinen Londoner Hinterzimmer (!) seiner Arbeit nachgeht. Sam hat eine Beinprothese. Die Tabletten, die er gegen die damit einhergehenden Schmerzen einnimmt, helfen nicht richtig und lassen ihn depressiv werden. Das einzige, was wirklich Linderung bringt, ist Whiskey. Doch der lässt ihn jähzornig werden. Unzufrieden mit seinem Leben, entlädt er Frust und Wut an seiner heimlichen Freundin Susan (Kathleen Byron). Eine unausgereifte Haubitze und eine neuartige Bombe des Feindes machen ihm zudem bei der Arbeit zu schaffen. Die Bombe fordert das Leben eines jungen Soldaten und später das eines Kollegen. Als sich Sam selbst an einem Strand bei der Entschärfung dieser tückischen Rohrbombe wiederfindet, wird dieses Ereignis zum Katalysator all seiner aufgestauten Frustrationen.

Sams Alkoholproblem wird grandios inszeniert: Der ansonsten recht konventionelle Ton des Films springt plötzlich um und wird zum "Expressionismus à la carte": Eine gigantische Whiskeyflasche droht Sam zu erschlagen, unzählige tickende Uhren umzingeln ihn und seltsame Kamerawinkel, gepaart mit einem scharfen Licht- und Schattenspiel, verzerren die Perspektive.

The Small Back Room ist im Grunde ein Kammerspiel. Die meiste Zeit über befinden wir uns in Hinterzimmern, Kneipen, Büros, U-Bahnen, Konferenzräumen und Wohnungen. Ganz selten spielt eine Szene im Freien. Die Schlüsselszene am Ende springt schon aufgrund ihrer Örtlichkeit ins Auge: Sam muss an einem verlassenen Strand die Bombe entschärfen. Die Enge des zivilisatorischen Raumes ist zwar aufgehoben, aber diese Freiheit bedeutet die Auseinandersetzung mit der existenziellsten aller Fragen: Leben oder Tod? Zum Zeitpunkt als Sam die Bombe entschärft, kann der Zuschauer nicht mehr sicher sein, ob Sam überhaupt noch leben will: Seine Freundin ist ihm davongelaufen, mit seinem Vorgesetzten hat er Krach. Der Tod wäre eine Erlösung. Doch gleichzeitig ist Sam fasziniert, das Rätsel der Bombe zu lösen und so den Tod weiterer englischer Soldaten zu verhindern.

Leben oder Tod? - Bombenentschärfung am Strand.

Diese Romanverfilmung in Schwarzweiß aus dem Jahr 1949 zählt nach meiner Meinung nicht zu den stärksten Filmen des magischen Duos Powell und Pressburger. Gleichwohl handelt es sich um eine Perle der Filmkunst, die auch knapp 60 Jahre nach ihrer Entstehung noch prächtig funktioniert. The Small Back Room langweilt den Zuschauer zu keinem Zeitpunkt. Wie in allen Filmen der zwei britischen Kinomagier ist keine Szene oder Einstellung überflüssig oder redundant. Die Schauspieler sind bis in die kleinste Nebenrolle großartig besetzt - die zwei Hauptdarsteller, Farrar und Byron, haben bereits in Black Narcissus zusammen vor Powells Kamera gestanden. Der Film zeichnet außerdem ein zeitgeschichtlich interessantes Bild Englands, wie es in den 40ern ausgesehen und wahrgenommen wurde. Wärmstens empfohlen.

Samstag, Dezember 09, 2006

Gedrucktes: Going to Pieces


Pünktlich am Freitag, den 13. und zwei Wochen vor Halloween strahlte der Pay-TV-Kanal STARZ in den USA eine Dokumentation aus, die sich mit dem kommerziell erfolgreichsten Subgenre des Horrorfilms auseinandersetzt: Going to Pieces: The Rise and Fall of the Slasher Film. Die Doku basiert auf einem vor vier Jahren publizierten Sachbuch gleichen Titels von Adam Rockoff.

Den Film habe ich bedauerlicherweise noch nicht gesehen. Aber das Buch fand ich zu meiner Freude vergangenes Jahr unterm Weihnachtsbaum. Leider ist es nur als Hardcover zu haben und dementsprechend teuer. Eine deutsche Übersetzung gibt es bislang nicht.

Rockoff ist ein Fan des Genres seit Anfang der 80er Jahre, als Slasherfilme erstmals am Fließband produziert wurden. Aus Enttäuschung über den Mangel an Literatur über dieses künstlerisch nicht immer wertvolle, dafür ungemein lukrative Genre, beschloss er, selbst ein Buch zu schreiben.

Aber Rockoff hat nur teilweise Recht, was den vermeintlichen Bedarf an Literatur betrifft. So gab es lange vor der Veröffentlichung von Going to Pieces etliche filmwissenschaftliche Aufsätze und Abhandlungen zu Horror- und Slashergenre. Außerdem existieren eine ganze Reihe anekdotenreicher Horrorlexika. Allerdings, und hier liegen Neuland und Wert dieser 214 Seiten langen Schrift, gab es kein Buch, dass die Filmgeschichte der Slasher informativ, niveauvoll und leicht lesbar aufarbeitete, ohne sich dabei in der Trivialität belanglosen Fangeschwätzes zu verlieren. Going to Pieces ist die erste Hybride aus filmwissenschaftlichen Artikeln, dem Wissen der Fanlexika und nicht zuletzt langjähriger Rezeptionserfahrung.

Doch was ist eigentlich ein Slasherfilm? So lautet die einleitende Frage des Buches. Im Gegensatz zum Western oder Science Fiction lässt sich dieses Genre nämlich nicht ganz einfach definieren. Nach Rockoffs Meinung mache man es sich zu leicht, wenn man den Slasherfilm als einen Film definiere, in dem eine Gruppe gut aussehender Jugendlicher auf verschiedenste Art und Weise brutal abgeschlachtet wird. Rockoff arbeitet deshalb die häufigsten Merkmale der Slasherfilme unter Anführung unzähliger Beispiele anschaulich heraus. Als typische Charakteristika führt er den Killer, seine Waffenwahl, die Special Effects, das Setting, das zurückliegende (meist traumatische) Geschehen, das Final Girl, die Killerperspektive sowie die Art der Gewaltdarstellung an und entwickelt hierzu anregende Gedanken. In diesem ersten Kapitel steckt meines Erachtens am meisten Herzblut des Autors. Hier schreibt er sich von der Seele, was er schon immer loswerden wollte.

Die folgenden Kapitel widmen sich der (Vor-)Geschichte des Slasherfilms. Ab Kapitel zwei ist Going to Pieces eine reine Filmgeschichte. Daran ändert sich bis zum Ende nichts mehr. Rockoff beginnt zunächst mit den Einflüssen auf das Horrorgenre, stellt dann wichtige Vorläufer detaillierter vor (u. a. Filme von Hitchcock, Powell, Bava, Romero, Argento, Hooper und Craven), bevor er dem Auslöser des Slashergenres ein ganzes Kapitel widmet: Halloween. Die Wucht von John Carpenters 300.000 Dollar Film, der mehr als das 150-fache seiner Produktionskosten in die Kassen spülte, war sowohl künstlerisch als auch kommerziell stilbildend.

Filmplakat der Dokumentation mit zahlreichen Interviews einschlägiger Regisseure und Darsteller.

Rockoff geht freilich auf die großen Serien des Genres wie Friday the 13th und A Nightmare on Elm Street ein, widmet sich aber auch intensiv kleinen, eher unbeachtet gebliebenen oder zur Zeit ihrer Veröffentlichung falsch vermarkteten oder vom Publikum missverstandenen Perlen des Genres, wie Motel Hell, Return to Horror High oder April Fool's Day.

Glücklicherweise blickt Rockoff über den Tellerrand des Slashergenres hinaus und referiert auch über das europäische Horrorkino. Sein Augenmerk liegt dabei auf dem italienischen Giallo und insbesondere Argentos Filmen, die nach seiner Überzeugung starken Einfluss auf die amerikanischen Slasher hatten. Aber was man schmerzlich vermisst, ist ein roter Faden, der die Informationen zu den einzelnen Filmen miteinander verbindet. Eine These wäre wünschenswert, die diese willkürlich erscheinende Zusammenstellung in ihrer Struktur rechtfertigt. Denn so erschließt sich dem geneigten Leser die Reihenfolge der besprochenen Filme nicht wirklich. Auch der Bezug zu den reißerisch klingenden Kapitelüberschriften (z. B. Chapter 7: Campus Killers, Slashing for Laughs and One Human Brain) leuchtet nicht immer ein, wenn die Art der Besprechung stets folgendermaßen aussieht: Produktionskosten, Entstehung, Handlung, Kritiker- und Publikumserfolg, Einspielergebnisse. Das wirkt bedauerlicherweise ermüdend, weil es oft an einer kritischen Deutung der Filme mangelt.

Wie der Untertitel, "Rise and Fall of the Slasher Film, 1978-1986", bereits verrät, setzt Rockoff das Ende der Slasherära Mitte der 80er Jahre an. Die Studios wollten die kommerzielle Kuh bis auf den letzten Tropfen melken und verwendeten dafür die ewig gleiche Formel, was das Zielpublikum zunehmend langweilte. Obendrein wurden Filme, die dem Genre einen neuen Twist geben wollten, falsch vermarktet (Paradebeispiel: April Fool's Day). Das verwirrte die Zuschauer und half dem Genre nicht weiter. Nur die großen Reihen zogen noch mächtig Kapital aus der Slasherformel.

Anfang der 90er Jahre war dann endgültig Schluss mit den Slashern der ersten Generation. Erst Weihnachten 1996 belebte Scream das Genre neu. Eine derartig postmoderne Selbstreflexion kannte das Genre bis dato nicht. Der massive Erfolg von Scream löste nun die zweite Generation der Slasher aus, die Rockoff im letzten Kapitel „The Resurgence“ ebenfalls nach dem geschilderten Muster vorstellt.

Insgesamt handelt es sich bei Going to Pieces um ein bedingt lesenswertes Filmbuch. Jenseits des ersten Kapitels ist es nur für Hardcorefans des Genres oder als Nachschlagewerk geeignet. Deshalb würde ich aufgrund des immens hohen Anschaffungspreises (ca. 30-40 Euro) vom Kauf abraten und empfehlen, auf den Film zu warten. Bleibt zu hoffen, dass die Verfilmung es überhaupt in die Kinos schaffen wird - zumindest wie The American Nightmare vor fünf Jahren ins Forum der Berlinale und zu den Fantasy Filmfest Nights. Die US-DVD ist indessen für den 20. März 2007 angekündigt.

Link zum Thema: Interview mit Adam Rockoff

Donnerstag, Dezember 07, 2006

Deutschland. Ein Winterschnarchen.


Heute nur eine Zwischennotiz zum gestrigen Nikolaus-TV-Highlight Deutschland. Ein Sommermärchen. Um einen Bogen zu meinem letzten Blog-Thema zu schlagen: Ohne Bier wäre diese Dokumentation (diese Genrebezeichnung passt eigentlich gar nicht) kaum auszuhalten gewesen. Ich empfand das Abgefilme von letztlich banalen Kabinen- und Trainingslagersituationen auf die Dauer als lächerlich. Es war natürlich nicht Wortmanns Ansatz, eine echte Dokumentation zu drehen - er enthält sich ja jedweden Kommentars. Das lässt die ganze Geschichte aber leider gähnend langweilig werden. In meinen Augen wäre es besser gewesen, er hätte nicht in die Kabine gedurft, denn jetzt wissen wir, dass es dort auch nicht anders zugeht als bei Regionalligisten. Somit hat uns das Sommermärchen einer Illusion beraubt.

Gelungen waren die leisen Momente vor dem Spiel: Das Zurechtlegen der Schuhe, die Angespanntheit in den Gängen etc. Das hatte etwas Filmisches. Die überbürokratisierte FIFA-Konferenz war auch ein netter Zwischengag. Aber der Großteil der Interviews war einfach öde. Klinsmanns Kritik an der deutschen Jammer-Mentalität sprach mir hingegen aus der Seele. Und doch fühle ich mich befleißigt, jetzt nichts anderes zu tun und über diesen mäßig unterhaltsamen WM-Brei zu klagen.

Der Soundtrack (halb American Beauty halb schmalziges Xavier Naidoo Gesäusel) ist sicherlich Geschmackssache. Für weibliche Teenager bestimmt richtig, mein Geschmack war das zumindest nicht. WM-Atmosphäre? Fehlanzeige. Vielleicht funktionierte der Film im Kino mit trikottragenden, deutschlandfahnenbemalten, singenden Fans besser. Bei mir wollte sich das Sommerfeeling trotz "tropischer" Wintertemperaturen jedenfalls nicht einstellen. Schade.

Samstag, Dezember 02, 2006

Auf die Plätze...fertig...SAUFT!


Ich gestehe: Ich liebe gutes Bier. Ich bin auch ein Deutscher. Eigentlich dürfte mir Beerfest deshalb nicht gefallen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Ich habe vor Lachen beinahe mein Bier verschüttet. Nach den strengen Regeln des Beerfest-Wettkampfs hätte mich dies sofort disqualifiziert. Ich gestehe ferner: Ich bin bei weitem nicht trinkfest genug, um an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen.

Wovon handelt Beerfest? Zwei junge Amis müssen die Asche ihres verstorbenen Opas (Donald Sutherland in einem trinkfreudigen Kurzauftritt) nach München bringen, wie es die Familientradition von ihnen verlangt. Dort werden sie, nachdem sie ein Bierzelt des Oktoberfests zum Einsturz gebracht haben, zu einem geheimen Trinkfestwettkampf, dem BEERFEST, gebracht. Da säuft gerade das deutsche Team (eine bayerische Brauereifamilie) die Iren im Finale unter den Tisch. Es stellt sich heraus, dass Opa Sutherland seinerzeit das Rezept fürs angeblich beste Bier der Welt von der Gewinnerfamilie gestohlen hat und damit in die USA geflüchtet ist. Die Enkel müssen nun dafür büßen: Sie werden kurz aber schmerzvoll von den Supersäufern (unter ihnen Ralf Möller) abgefüllt. Zurück in den USA stellen sie ein Team zusammen, das im nächsten Jahr den Titel gewinnen soll: Ein fettleibiger Schluckakrobat, ein jüdischer Doktorand mit einem Groll auf Deutsche und ein Stricher, der betrunken zur Höchstform aufläuft, sollen die deutschen Champions um ihren Trainer und Vater Baron Wolfgang von Wolfhausen (Jürgen Prochnow) entthronen.

Beerfest ist das Produkt der Comedytruppe Broken Lizard (Super Troopers), deren Spezialität pubertärer Pennälerhumor ist. Doch jenseits dessen bedient sich Beerfest geschickt der Ästhetik amerikanischer Sportfilme (das Genre, in dem Ralf Möller in Hollywood Fuß fasste) oder zitiert in der Rekrutierungssequenz augenzwinkernd Kurosawas Sieben Samurai. Als das Team Germany für eine Stippvisite in die USA kommt, geschieht das nur deshalb per U-Boot, damit Jürgen Prochnow selbstironische Bemerkungen von sich geben kann. "Das Boot" (gesprochen: "das buut") ist schließlich auch Höhepunkt des Kampftrinkerwettbewerbs. Das Stiefeltrinken ist mir nur aus den Bauden diverser Sportvereine bekannt, insofern stammt diese Disziplin vielleicht tatsächlich aus der deutschen Sportvereinskultur (wäre nachprüfenswert).

Schon das Training der Jungs ist aberwitzig, lässt einen freudig zum Bierkrug greifen und fröhlich mitschlucken: Als sie beispielsweise erfahren, dass die Deutschen in Höhenluft trainieren, marschieren sie schnurstracks mit Liegestuhl aufs nächste Flachdach und lassen sich volllaufen. Ich weiß, das ist nicht jedermanns Humor - will es auch nicht sein - aber ich fand's witzisch. Nicht jeder derbdumme Fäkalwitz zündet, wie beispielsweise das peinliche Rumgefinger der Huren-Oma an einer Bockwurst ("I sleep better with a little sausage in me"). Insgesamt funktioniert die nahtlose Aneinanderreihung obszöner Scherze jedoch überraschend gut.

Eine der Wettkampfdisziplinen: Eigenartige Mesalliance aus klassischem Tischtennis und einer Mengensaufaufgabe.


Klar werden hier Klischees bedient. Das ist die Quelle, aus der Beerfest seinen Humor schöpft. Der Film macht sich aber nicht auf Kosten einer einzelnen Minderheit lustig. Nein, er macht sich über alle lustig: Deutsche, Amis, Engländer, Juden, Schwarze. Genau das zeichnet die brachialen "Gross-out-Comedies" aus. Die für dieses Genre typischen Tabus Sex, Tod, Rassismus und Drogen werden in ihren verschiedenen Spielarten gezielt attackiert. Und wenn in Beerfest das Deutschlandbild ebenso differenziert gezeichnet wird wie zuletzt in der 80er Jahre Klamotte European Vacation mit Chevy Chase, dann gehört das zur Strategie dieser Sorte Film und sollte keinen vernünftig denkenden Deutschen in seinem Nationalstolz kränken (einige Kritiker haben das offenbar nicht begriffen).

Das Bemerkenswerte an Beerfest ist nun allerdings, dass diese strategische Vorgehensweise fast nie angestrengt wirkt. Ein Grund, warum ich American Pie und Scary Movie mitsamt ihren etlichen Ablegern (soweit gesehen) nicht ausstehen kann. Diese Filme dünsten in jeder Szene das fäkaliengetränkte Kalkül ihrer Macher aus. Die letzte Gross-out-Comedy, die mir ähnlich viel Spaß wie Beerfest bereitete, war Kevin Smiths Jay and Silent Bob Strike Back. Und das liegt fünf Jahre zurück.

Beerfest zeigt auch, dass die Amis in Sachen Bierkultur einiges nachzuholen haben und an einen deutschen Trinkerfilm wie Herr Lehmann bei weitem nicht heranreichen. Carsten Tritt geht auf diesen Aspekt in seiner sehr lesenswerten Kritik ausführlich ein.

Pflichtübung: Das Gruppenschnellsaufen. Kein Tropfen darf daneben gehen. Um zu schnelle Trunkenheit bei den Dreharbeiten zu vermeiden, wurde bei einigen dieser Szenen CGI-Bier verwendet, dessen Konsistenz und Farbe einem das Fürchten lehrt.

Angeblich soll die deutsche Synchronisation grausig und sinnentstellend sein. Im Englischen macht der Film schon deshalb Spaß, weil man einige der "Deutschen" schnell als nicht-Muttersprachler erkennt.

Sicherlich ist Beerfest kein großes Kino, kein Meilenstein der Filmgeschichte. Beerfest ist ein Partyfilm und wohl am besten in Sneakvorführungen mit pubertärem Publikum, das des Englischen mächtig ist, aufgehoben. Im Genre gnadenlosen Vulgärhumors gehört Beerfest jedoch eindeutig in den überschaubar kleinen Kreis der Besten.