Mildred Pierce beginnt mit einem Mord an einem Mann, der sich im Augenblick des Todes noch ein Wort von den Lippen ringt: "Mildred". Und Mildred Pierce (für die Rolle zurecht oscarprämiert: Joan Crawford) scheint anfangs auch die Hauptverdächtige zu sein. Auf dem Polizeirevier wird sie vernommen und ein Flashback von epischer Breite nimmt seinen Lauf, der das Leben der ehemaligen Hausfrau und Mutter von zwei Kindern in all seinen Höhen und Tiefen beschreibt. Wie sie sich von ihrem ersten Mann trennt, weil er der Meinung ist, sie würde die ältere Tochter Veda (Ann Blyth) zu sehr verwöhnen. Wie sie es fast im Alleingang schafft, eine erfolgreiche Restaurantkette zu gründen. Und wie sie zwischen ihren Verehrern laviert. - Mildred Pierce zeichnet das Bild einer starken Frau, die sich vom klassischen Rollenbild emanzipiert und dabei zunehmend männliche Charakteristika übernimmt. Crawford ist eine wahre Offenbarung und schafft es, ihrer Figur sowohl geschäftliche Härte als auch emotionale Betroffenheit zu verleihen, ohne dabei zu sehr ins Pathetische abzugleiten. Zwar weiß der aufmerksame Zuschauer schnell, wer tatsächlich für den Mord verantwortlich ist, aber das stört nicht, sondern gibt dem Melodram noch mehr Kraft. Mildred Pierce ist einer der kommerziell erfolgreichsten Filme der schwarzen Serie. Die Mischung aus Melodram und Krimi, die auf einem Besteller von James M. Cain (Double Indemnity) basiert, wird vom Casablanca-Regisseur Michael Curtiz stilsicher inszeniert und durch eine hochkarätige Besetzung zu einem wahren Noir-Genuss.
74 Punkte.
74 Punkte.
The Naked Kiss von Samuel Fuller ist ein Spätwerk des Film noir. Wie in Mildred Pierce steht eine starke Frau im Mittelpunkt des Geschehens. The Naked Kiss beginnt damit, wie die Prostituierte Kelly (Constance Towers) auf den Zuschauer einprügelt, der sich dann im Gegenschnitt als ihr Zuhälter entpuppt. Kelly setzt sich in ein kleines Dorf ab, wird dort Krankenschwester. Sie will für ihr früheres Leben moralische Wiedergutmachung leisten. All die Schatten, die ihre Vergangenheit auf ihr zukünftiges Glück werfen kann, umschifft sie klug. Bis Kelly plötzlich Zeuge von etwas völlig Unvorhersehbarem wird und im Zuge dessen ihren Verlobten umbringt. - Fuller führt uns hier an einer ganzen Reihe von Figuren vor, wie sehr Schein und Sein auseinander liegen. Die Puffmutter im Nachbarort, der Dorfpolizist, eine Kollegin von Kelly und auch ihr Verlobter entpuppen sich als anders, als sie vorgeben zu sein. Geschickt unterwandert Fuller auf diese Weise Stereotypen und Klischees, hält der Gesellschaft den Spiegel vor und zeigt ihr all die Verkommenheit unter der sauberen Oberfläche.
73 Punkte.
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