Mittwoch, Juni 20, 2007

Gedrucktes: I am Legend

Richard Mathesons 160 Seiten schmaler Roman hat seit seiner Erscheinung im Jahr 1954 zu insgesamt drei Verfilmungen geführt. 1964 als The Last Man on Earth mit Vincent Price in der Hauptrolle und 1971 als The Omega Man mit Charlton Heston. George A. Romero diente er darüber hinaus als Inspiration für Night of the Living Dead. Das war im Jahr 1968. In nur sieben Jahren entstanden also drei Filmversionen. Dann geschah lange Zeit nichts, bis in den Neunzigern Arnold Schwarzenegger Interesse am Stoff anmeldete. Doch die Studios zogen in der Pre-Production die Reißleine: zu teuer. Im Dezember soll nun die vierte Verfilmung folgen. In der Hauptrolle Will Smith. Ein Trailer ist bereits online.

Wieso eine weitere Version? Prinzipiell ließe sich die Frage so beantworten: Weil der Roman noch nie einigermaßen werkgetreu umgesetzt worden ist. Doch wer Hollywood kennt, den dürfte es nicht überraschen, wenn auch die neue Fassung wenig mit Mathesons Prosawerk zu tun hat.


I am Legend erzählt die Geschichte von Robert Neville. Der Leser lernt ihn nach der Apokalypse bei der Verrichtung seiner typischen Alltagsarbeiten kennen: Bei der Reparatur seiner Holzlatten, mit denen er sein Familienhaus verbarrikadiert hat, bei der Zubereitung von Knoblauchzehen und beim Zurechtschleifen von Holzpfählen. Letztere benötigt er im Kampf gegen Vampire, die jede Nacht sein Domizil belagern. Nevilles schlimmster Feind ist aber er selbst. Die Einsamkeit bringt ihn langsam zur Verzweiflung. Er flüchtet in den Alkohol, möchte den Tod seiner Frau und seines Kindes verdrängen. Die weiblichen Vampire versuchen ihn zudem durch unzweideutige Angebote nachts aus dem Haus zu locken und haben damit fast Erfolg. In seinen lichten Momenten widmet sich Neville der Forschung. Er will wissen, was dazu geführt hat, dass er der offenbar letzte Lebende auf dieser Welt ist.

Die wissenschaftliche Herangehensweise an den mythischen Draculastoff, den Matheson übrigens auch explizit zitiert, war seinerzeit neu. Neville unterscheidet zwischen körperlich und psychologisch wirksamen Waffen gegen Vampire. Ein beachtlicher Teil der Erzählung geht detailliert auf die biologischen Ursachen des Vampirismus ein. Das wirkt im Jahr 2007, in dem man durch diverse Vampirfilme bereits etliche pseudowissenschaftliche Erklärungen kennt, nicht mehr ganz aktuell, ja sogar überholt. Matheson sieht das genauso, denn er sagte unlängst in einem Interview zum I am Legend Archive: I don't know why Hollywood is fascinated by my book when they never care to film it as I wrote it. The book is dated, the idea is dated. It should have been made as is when the book was published. Now it's too late. Whatever they do with it will have a patina of antiquity about it.


Ganz soweit möchte ich nicht gehen. Die Idee vom einzigen Menschen auf der Welt ist zeitlos. Daniel Defoes Robinson Crusoe verarbeitet schließlich eine ähnliche Situation. Diesem Werk würde ein solcher Vorwuf sicherlich nicht gemacht werden. Eine derartige Angst, wie sie I am Legend beschreibt, wird in jeder Epoche verstanden, nicht zuletzt, weil es sich auch um eine leicht zugängliche Metapher für das Ausgegrenztsein handelt. - Der Kunstgriff von I am Legend besteht nun allerdings in der ironischen Herangehensweise, die Verhältnisse umzukehren: Der letzte Lebende unserer Welt wird zur Bedrohung der neuen Geschöpfe. "He is legend." War bei Stoker der Vampir der Gejagte, die Minderheit das Abnorme, so ist es bei Matheson der Mensch.

Auf der Rückseite der englischen Taschenbuchausgabe prangt ein Zitat von Stephen King: Matheson sei der Autor, der ihn am stärksten beeinflusst habe. Bücher wie I am Legend seien eine Inspiration gewesen. Es ist aber nicht nur das Thematische, auch der Stil erinnert an King: Kurze Sätze, prägnante Formulierungen und auch die typischen trivialliterarischen Momente verbinden King mit Matheson. Nur in einem Punkt schlägt Matheson King um Längen: Er weiß sich zu beherrschen und bläst den Plot nicht auf 800 Seiten auf.

I am Legend ist ein lesenswertes Juwel der fantastischen Literatur. Eine Dystopie, die den schweren Kampf gegen die Symptome von Einsamkeit schildert, verortet in einer post-apokalyptischen Welt ohne Menschen, in denen es von Vampiren wimmelt.

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