"15 Regisseur, 15 Visionen" ist der Leitspruch des Kurzfilmprojekts Ten Minutes Older. Nachdem ich die ersten acht Beiträge, die unter dem Titel The Cello zusammengefasst sind, bereits besprochen habe, möchte ich mich nun den verbleibenden sieben Filmen widmen, die von behaglichen Trompetentönen (The Trumpet) ummantelt sind.
Die Reihe beginnt mit Aki Kaurismäkis Dogs have no Hell, einem etwas rätselhaften Kurzfilm über einen Aussteiger, der seiner Geliebten kurzerhand einen Heiratsantrag macht, um mit ihr den nächsten Zug in Richtung sibirischer Ölfelder zu nehmen. Er meint, dort glücklich werden zu können. Von launiger Rockmusik begleitet und kaurismäki-like mit einem humorigen Unterton versehen, kann Dogs have no Hell insgesamt wegen der verschlossenen Hauptfigur, die sich nur bedingt als Identifikationsfigur eignet, leider nur leidlich unterhalten.
In Lifeline malt Regisseur Victor Erice ein Schwarzweißgemälde: An einem heißen Junitag im Kriegsjahr 1940 arbeiten die Bediensteten eines spanischen Landhauses fleißig, während sich die Landgutbesitzer bei der Siesta erholen. Doch ein schlafendes Baby beginnt plötzlich zu bluten, die Idylle droht zu zerbrechen. Ein stimmungsvoll montiertes, prächtig ausgeleuchtetes Highlight dieser Kurzfilmanthologie.
Werner Herzog berichtet im dokumentarisch angelegten Ten Thousand Years Older vom letzten brasilianischen Urvolk, den Uru Eu Wan Wans, die 1981 ungefragt vom Steinzeitalter in die moderne Zivilisation gerissen wurden. Die meisten von ihnen starben innerhalb kurzer Zeit durch die Windpocken oder eine gewöhnliche Erkältung - bis dato unbekannte Krankheiten in dieser Population. Herzog besucht zwei der letzten Überlebenden dieses Regenwald-Stammes 20 Jahre nach dem Erstkontakt. Eine faszinierende Kurzdokumentation.
Chloë Sevigny spielt in Jim Jarmuschs Int. Trailer. Night. eine Schauspielerin, die in ihrem Trailer zehn Minuten warten muss. Sie telefoniert, hört eine CD, Leute der Filmcrew klopfen ständig an die Tür, nerven sie kurz, sie versucht freundlich zu bleiben, muss quasi während der Drehpause eine andere Rolle spielen. Letztlich gelingt es Jarmusch leider nicht, dem scheinbar banalen Thema des Wartens eine bedeutsame Ebene abzugewinnen, wie es beispielsweise Ernest Hemingway wundervoll in seiner Kurzgeschichte A Clean, Well-Lighted Place schafft. Der Beitrag sticht dennoch aus der Reihe hervor, weil er das Nichtstun, den Leelauf beschreibt und sich keinen Schlüsselmoment in der Biographie eines Menschen heraussucht.
Twelve Miles to Trona von Wim Wenders zeigt einen jungen Mann beim Versuch, rechtzeitig ein Krankenhaus zu erreichen, bevor die versehentlich verspeisten Drogen zu wirken beginnen. Ein smarter Film über den Wunsch nach Kontrolle und das Nichtloslassenkönnen.
Spike Lee erzählt in We Wuz Robbed die Begebenheiten rund um Bushs Wahlsieg nach, wie Al Gore bereits gratulieren wollte, sich dann aber herausstellte, dass etwas faul ist im Staate Florida. Für Leute, die Michael Moores Fahrenheit 9/11 kennen, wirkt Lees Kurzfilm formal öde und inhaltlich redundant.
Mit Chen Kaiges Märchen 100 Flowers Hidden Deep endet The Trumpet auf einer lustigen Note: Umzugshelfer in Peking sollen beim Transport unsichtbarer Möbel helfen. Ein launiger Beitrag, der das Projekt zu einem gelungenen Abschluss bringt.
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