Die Ausgangssituation hört sich nach einem Abend voller Langeweile an: Ein Filmemacher steht fast regungslos vor einem Podest mit Mikrofon und beantwortet Fragen, erzählt und monologisiert. Dreieinhalb Stunden lang, nur unterbrochen durch einen DVD-Wechsel.
Doch Kevin Smith beherrscht eine Kunst, die in der deutschen Kultur selten ist: Das Geschichtenerzählen. Mir fällt ad hoc kein einigermaßen bekannter Deutscher ein, der auf vergleichbarem Niveau aus dem Stegreif längere Geschichten erzählen kann, der in der Lage ist, sie liebevoll auszuschmücken, Zwischenpointen einzufügen, ohne dabei das Ziel aus dem Blick zu verlieren. Vergleicht man Smith mit den meisten Gästen, die sein Namensvetter Harald Schmidt in seiner Sendung nur wenige Minuten zu Wort kommen lässt, wird der gewaltige Unterschied deutlich. Wer einige Engländer, Iren oder Schotten kennt, dem wird dessen Fähigkeit des Storytellings (vorzugsweise im Pub) vielleicht schon aufgefallen sein. Schade, dass diese Verbalkunst in Deutschland nicht gepflegt wird.
An Evening with Kevin Smith ist also ein Paradebeispiel für glänzende Rhetorik. Fünf Auftritte vor US-Studenten werden hier montiert. Smith weiß sich stets zu helfen, wenn er bei den Q&As mit dämlichen Fragen konfrontiert wird, versteht es, hirnlose Zwischenrufer in die Show einzubauen, sprich: zu improvisieren. Wir lernen außerdem die Welt Kevin Smiths etwas genauer kennen. Seine Filme kommen ebenso zur Sprache wie sein Privatleben. Eigentlich sollte man meinen: Was interessiert mich, wie Silent Bob seine Frau kennengelernt hat? Doch ich wiederhole mich gerne: Es geht nicht nur um das WAS, sondern auch um das WIE uns Smith dies vermittelt.
Smith ist ehrlich in Bezug auf seine visuelle Talentlosigkeit als Filmemacher. Er berichtet, wie in einer der ersten Kritiken zu Clerks stand, der Film habe keinen Stil. Diesen Satz machte er sich fortan zum Credo: "Mein filmischer Stil ist, dass ich keinen Stil habe!"
Auf die Frage, ob er nicht gerne einmal das Genre wechseln würde, also zum Beispiel einen Science Fiction Film drehen möchte, erwidert Smith: "A science fiction movie? I think I have made a science fiction movie: 'Chasing Amy'. Because you go ask any lesbian - that'll never happen."
Eine Sache stößt mir dann doch negativ auf, und zwar die andauernden Referenzen zu 'giving head', Penisgrößen und all den anderen Pseudo-Obszönitäten. Vielleicht werde ich langsam zu alt, um mich darüber amüsieren zu können. Ich vermute aber eher, dass es an Niveau und Häufigkeit liegt, mit der darauf eingegangen wird. Werden sexuelle Themenfelder in Smiths Filmen humorvoller und vielschichtiger behandelt als in den aller- meisten anderen US-Produktionen, erschöpft sich ihr Gehalt hier in recht einfältigen Aneinanderreihungen und Wiederholungen von Kraftausdrücken.
Witziges Menü: Smith vertreibt sich die Zeit mit Rauchen, Trinken und Zeitunglesen, während man den Menüpunkt auswählt.
Zur DVD gibt es insgesamt wenig zu sagen. Das Bild ist exzellent. Der Ton ist im Großen und Ganzen gut. Leider sind einige Publikumszwischenrufe unverständlich. Blendet man an diesen Stellen die Untertitel ein, hat man das Problem jedoch schnell gelöst. Es existieren einige Easter Eggs auf den Scheiben, die durchaus sehenswert sind. Wer nicht suchen will, findet hier beschrieben, wo sie sich befinden.
Für Freunde von Smiths Filmen ist diese DVD eine wunderbare Ergänzung. Zwar kommen einige der Geschichten zur Entstehung seiner Filme auch auf den bombastisch beladenen Film-DVDs zu Sprache, die meisten sind aber so gut, dass man sie auch noch ein zweites Mal hören kann, ohne sich zu langweilen.
3 Kommentare:
Gestern mit einem Smith-Kumpel gesehen und war recht köstlich, wirklich unfassbar der Kerl, wie er 20 Minuten redet und man schließlich fast vergessen hat, was er eigentlich gefragt worden war.
Zu dem Penis-Gerede, ich meine, dass ist man ja aus seinen Filmen (zumindest denen mit Jay) gewöhnt und das Publikum lag ja auch auf dem entsprechenden Niveau (I will suck your dick for 5 bucks).
Meine Lieblingsanekdote war SUPERMAN REBORN und der schöne Einwurf des Produzenten: "Who the fuck is Kal-El?" - das sagt m.E. mehr über Hollywood als 1000 Worte.
EVENING HARDER wird dann auch bald mal geschaut!
Na, das freut mich doch. Die DVDs habe ich ja auch erst vor kurzem entdeckt, als play.com anfing, sie rauszuramschen. Das ist wirklich sehr gute Abendunterhaltung - ein bisschen wie eine X-Rated Talkshow, bei der nur einer die meiste Zeit über spricht ;-)
Man ist natürlich das vulgäre Gefluche aus den Filmen gewohnt, aber hier kam das für meinen Geschmack insgesamt zu gehäuft und platt rüber. In seinen Filmen schwingt da immer so ein leiser Ton der Ironie mit (finde ich jedenfalls), und wenn Jay flucht, klingt das sowieso nie so richtig ernst...hier war das anders...
Ich finde auch hier schwang Ironie mit, beispielsweise als Geek Smith für 5 Dollar einen blasen will und Smith erwidert "If your name was Ron, well...", das hatte doch schon wieder was witziges. Ich fand Smith ist sehr sarkastisch teilweise mit dem niveaulosen Publikum umgegangen.
Vielleicht nimmt das ja im 2. Teil ab?
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