Sonntag, Oktober 29, 2006

Die glorreichen 7: Gruselmomente

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Dieser erhabene Moment im Kino, wenn uns ein wohliger Schauer über den Rücken läuft: Die meisten werden so etwas schon erlebt haben. Horrorfilme werden hauptsächlich wegen solcher Augenblicke gedreht. Oft scheitern diese Genrefilme aber leider daran, uns dieses sublimste aller Schreckensgefühle zu entlocken. Viele Horrorfilme wollen nur durch Gewalt schocken oder uns erschrecken. Um diese "cheap scares" soll es hier ausdrücklich nicht gehen!

Schon der angloirische Philosoph Edmund Burke stellte in seiner Schrift "On the Sublime and the Beautiful" fest, dass Gefühle, die an den Schmerz gekoppelt sind (Angst, Furcht, Panik, Beklemmung etc.), bedeutend stärker sind, als jene, die mit dem Vergnügen einhergehen. Wahrscheinlich setzen wir uns beim Betrachten eines Horrorfilms oder bei der Fahrt mit der Geisterbahn deshalb diesen mächtigsten aller Gefühle aus - um sie in unserer "Sicherheitsgesellschaft" überhaupt zu erfahren. Und das kann ironischerweise wieder ein Vergnügen sein.

Im Film kommt das Gruselige oft durch die Tonspur gekrochen. Es sind nicht nur die Bilder, sondern insbesondere die Soundeffekte, die uns suggerieren: Hier liegt etwas Unheimliches in der Luft. Grausige Bilder sind wir durch die Nachrichten gewöhnt. Aber dort stehen sie losgelöst von jedwedem persönlichen Erfahrungskontext. Mit anderen Worten: Sie bleiben abstrakt, weil uns der direkte emotionale Zugang fehlt. Diesen Kontext kann ein Film problemlos bieten. Es bedarf lediglich einer Identifikationsfigur. Das alleine schafft jedoch auch noch keine gruseligen Momente.

Die Inszenierung eines wahrhaft gruseligen Moments ist eine hohe Kunst. Es gibt reichlich Filme, die gut schockieren, indem sie Tabus brechen. Wolf Creek, Hostel und The Hills have Eyes (Remake) sind aktuelle Beispiele dafür. Aber keiner dieser Filme ist in meinen Augen gruselig.

Stephen King unterscheidet in Danse Macabre drei Ebenen des Horrorgenres: Ekel (revulsion), Grauen (horror) und Schrecken (terror). Schrecken sei die "edelste" dieser drei Ebenen, Ekel die primitivste. Als Horror-Schriftsteller versuche er stets Schrecken bei seinen Lesern auszulösen. Ginge dies im Kontext der Geschichte nicht, müsse es Grauen sein. Funktioniere dies ebenfalls nicht, versuche er, seine Leser zu ekeln. - Der Gruselmoment zählt eindeutig zur Ebene des Grauens. Es ist nicht der Splattereffekt, der uns ekelt und auch kein vergeistigter Augenblick, der uns zwingt, die Bedrohung selbst auszumalen. Der Gruselmoment liegt dazwischen: Er ist sowohl geistig wie körperlich schockierend und greift uns deshalb ganzheitlich an. Ein Film gruselt mich zudem nur dann, wenn er es fertig bringt, mich zu überraschen. Die glorreichen 7 sind Filme, die dies vermochten:


7. Das Testament des Dr. Mabuse (1962): Der erste Film von dem ich weiß, dass er mir als etwa 8-Jährigem einen Heidenschiss einjagte. Ich hatte damals solche Angst vor diesem stumm in der Gummizelle hockenden Irren, dass ich mich kaum noch auf die Toilette traute. Als ich Das Testament des Dr. Mabuse vor einigen Jahren das erste Mal wiedersah, wollte ich es nicht für möglich halten. Aber ich erinnere mich genau, wie die schwarze Silhouette des Auftraggebers vom coolen Undercover-Cop mit einer Kamera im Ärmel abfotografiert wurde und ich dabei zitterte wie Espenlaub.



6. An American Werewolf in London (Anfang): Die Anfangssequenz, in der es zwei junge amerikanische Backpacker in ein kleines Kaff in Yorkshire verschlägt, wo einer von ihnen bei Vollmond von einem Werwolf getötet, der andere gebissen wird, hat mich beim ersten Mal schwer beeindruckt. John Landis spielt hier fantastisch mit der Erwartungshaltung des Zuschauers: Die Szene im schäbigen Pub mit seinen finsteren Gestalten ist komisch und baut trotzdem ein äußerst bedrohliche Stimmung auf. Als die beiden schließlich scherzend durch die nächtlichen Wiesen stapfen, ist man trotz der Witzchen angespannt: Gleich geschieht etwas! Und so kommt es dann auch...



5. Friday the 13 Part 2 (Prolog): Aus der gesamten Friday the 13th-Reihe ist dieser gut zehnminütige Prolog die spannendste und filmisch beste Passage. Zwar beginnt diese Sequenz mit einem schwachen Traum-Rückblick der Heldin von Teil 1. Als unser traumatisiertes Ex-Final-Girl dann aber aufwacht und durch die Wohnung streift, duscht, zwei Telefonanrufe entgegennimmt und ihrer Katze Milch aus dem Kühlschrank geben will, nimmt die Kamera eine äußerst unangenehme Perspektive ein: So glaubt man zunächst in der Subjektiven des Killers zu stecken. Das stellt sich dann aber als Irrtum heraus (ein raffiniertes Spiel mit der Erwartungshaltung des Post-Halloween-Publikums). Und schließlich geht es Schlag auf Schlag, so wie Jason meist zuschlägt: Das Mädchen findet das abgeschlagene Haupt der Mrs. Vorhees im Kühlschrank. Da steht Jason schon hinter ihr und treibt ihr einen Schraubenzieher durch die Schläfe ins Hirn.


4. The Evil Dead: Die schnellen Kamerafahrten auf, um und durch das Haus, die seltsamen Perspektiven gepaart mit skurrilen Soundeffekten haben mir zu Schulzeiten das Fürchten gelehrt. Gleichzeitig empfand ich so etwas wie Bewunderung für die bizarren Einfälle des Regisseurs Sam Raimi. The Evil Dead war der Film, der mir klar machte, dass die Erzeugung einer gruseligen Atmosphäre eine echte Kunst ist, die nicht jeder Regisseur beherrscht.


3. Lost Highway (Aufwachszene): Es geht mir um eine kurze Szene des eher verstörenden als gruseligen Lynch-Films: Als Bill Pullman aus einem Alptraum erwacht und sich zu seiner hübschen Gattin Patricia Arquette umdreht, befindet sich das Gesicht des Mystery Man auf Arquettes Traumkörper. Dieser Anblick gruselte mich so sehr, dass ich tief in den Kinosessel sank...


2. A Tale of Two Sisters steht hier stellvertretend für eine ganze Reihe von asiatischen Horrorfilmen wie Ju-on: The Grudge, Ringu etc. Der Gruselwert dieser Werke ist verdammt hoch. Manchmal ist er so hoch, dass ich es kaum noch aushalte. Ohne sich in expliziter physischer Gewalt zu ergehen, wie es die amerikanischen Horror-Produktionen tun, schaffen es die Asiaten, mit einfachen Mitteln eine beklemmende, unangenehme und höchst gruselige Atmosphäre zu kreieren.


1. My Best Friend's Wedding: Julia Roberts ist für mich nicht nur die überschätzteste Schauspielerin Hollywoods, ich kann sie auch überhaupt nicht leiden. Ihr Zahnpastalächeln ist mir zutiefst zuwider. Und wenn mein Blick ihre Visage trifft, gruselt es mich stärker als in jedem Horrorstreifen. My Best Friend's Wedding war für mich eine Tortur sondergleichen. Da können selbst die Asiaten mit ihrer einmaligen Atmosphären-Kunst einpacken. Nichts schlägt die Roberts, insbesondere in dieser unromantischen Hochzeits-Screwball-"Komödie"!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja schöne Liste, da wäre aber noch Platz für weiteres: definitiv "The Fog" und auch der Auftritt der Xenobiten in Hellraiser 1 bleibt unvergessen.
Vor J. Roberts kann mich sich nur gruseln, stimme da voll zu, das ist einfach nicht auszuhalten.

Jochen hat gesagt…

Danke. Schön dich hier als Kommentator begrüßen zu dürfen!

Stimmt, The Fog ist auch recht gruselig. Aber Pinhead, Chatterer und Co. fand ich eigentlich nie richtig gruselig, sondern immer nur extrem faszinierend....

C.H. hat gesagt…

Ich hab den gestern das erste mal gesehen. Und bei besagter Szene, bin ich tief in mein Sofa versunken. Schockierend und geil gemacht...

Auf jeden Fall fiel mir dann ein, dass ich darüber schon mal irgendwo was gelesen hatte, und dann kam mir in den Sinn, dass es im Zuge dieser Top 7 war... ;-)