Montag, September 10, 2007

Film noirs in Kürze: Zweimal Anthony Mann

Raw Deal: Anthony Mann zählt zu den wichtigsten Regisseuren der Noir-Ära. Kaum jemand hat in den 40er Jahren so viele Film noirs gedreht wie er. Seine Filme zeichnen sich durch ein verhältnismäßig geringes Budget aus, haben aber gerade auch deshalb einen sehr rauhen Look. Kameramann John Alton, mit dem Mann meist zusammenarbeitete, war oftmals gezwungen, Teile des Bildes schwarz zu lassen, weil Kulisse fehlte oder für aufwendige Lichtdesigns keine Zeit oder kein Geld zur Verfügung stand. - In Raw Deal bricht der Kleinganove Joe Sullivan (Dennis O'Keefe) aus dem Knast aus und flüchtet mit seiner Freundin Pat (Claire Trevor) und der Sozialarbeiterin Ann (Marsha Hunt) in Richtung San Francisco. 50.000 Dollar schuldet ihm der Gangsterboss Rick (Raymond Burr). Doch der denkt nicht ans Zahlen, sondern setzt einen Killer auf Joe an. Neben dieser äußerlichen Bedrohung, lauert auch Gefahr von innen, denn Joe verliebt sich zu Pats Ärger in die couragierte Ann. - Dunkle, klaustrophobische Bildgestaltungen unterstreichen sowohl die inneren, emotionalen Spannungen zwischen den zwei Frauen und Joe als auch die äußerlichen Bedrohungen durch Polizei und Gangster. Die für den Film noir typische fatalistische Stimmung gelangt so zur vollen Blüte, unterstützt auch durch den in resignierendem Ton gesprochenen Voice-Over von Pat. - Raw Deal zählt zum Besten, was die B-Noirs zu bieten haben.
75 Punkte.


T-Men ist der Referenzfilm für das Subgenre der Doku-Noirs. Der Film beginnt wie He Walked by Night mit einer recht steifen Einführung in die Aufgaben des Treasury-Departments, um uns anschließend die angeblich wahre Geschichte einiger T-Men, also Treasury-Men, zu erzählen: Dennis O'Brien (Dennis O'Keefe) soll zusammen mit seinem Partner Tony (Alfred Ryder) eine Geldfälscherbande infiltrieren. T-Men fesselt wie Raw Deal insbesondere durch klaustrophobische Bildgestaltungen, glaubwürdige Figuren und einen zügig erzählten Plot. Auch wenn die etwas selbstverliebte Darstellung kriminaltechnischer Methoden im Zeitalter von Jack Bauer hin und wieder unfreiwillig komisch wirkt und die Story zu sehr süßlichen Patriotismus zelebriert, handelt es sich formal um einen sorgfältig durchdachten Klassiker, der mit Gewaltdarstellungen nicht spart. Hier wird gefoltert und geschossen. In einer der eindringlichsten Szenen wird ein Mann in einem Dampfbad bei lebendigem Leibe gekocht, was Kameramann John Alton mit einer Kombination aus Schatten und grellem, infernalischem Licht eindrucksvoll bebildert.
66 Punkte.

3 Kommentare:

Chris hat gesagt…

Ein kleiner Hinweis auch wenn der Eintrag schon älter ist: Der Kameramann heißt John ALTON und nicht John Ashton.Alton gehörte zu den wenigen Kameraleuten die zur Zeit als diese Filme gedreht wurden wirklich künstlerische Ambitionen hatte. Sein Selbstbild unterschied sich stark von dem seiner Kollegen, die sich eher als Handwerker verstanden. Alton hatte wesentlichen Einfluss auf den Look der frühen Noirs. Sein vom europäischen Kino inspirierter Stil ist hierbei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die harten Kontraste sind daher durchaus gewünschte Stilmittel und nicht nur (auch wenn es ein angenehmer und gerngesehener Nebeneffekt war) Tricks um die schlechten Kulissen zu verstecken. Alton war auch einer der ersten die mit ungewöhnlichen und experimentellen Kamerapositionen und -winkeln gearbeitet haben.

Neben T-Men und Raw Deal sollte man unter den Alton-Filmen auch einen Blick auf The Big Combo werfen, einer der besten Noirs überhaupt, sowohl optisch als auch was die Story angeht.

Jochen hat gesagt…

Vielen Dank für die Hinweise, Chris. Ich habe den Namen korrigiert.

Ein Blick in die imdb verrät, wie vielbeschäftigt Alton in den 40er und 50er Jahren war: vier Filme pro Jahr waren der Normalfall. Ein Arbeitspensum, das die meisten DPs heute wohl nur selten auf sich nehmen, aber das damals sicherlich auch den Rahmenbedingungen geschuldet war. Es musste alles sehr schnell gehen. Dieser Druck hat auf Alton offenbar künstlerisch stimulierend gewirkt. Denn seine Filme gehören zweifellos zu den visuell faszinierendsten der Film noirs.

Chris hat gesagt…

Ja, der Mann hat wirklich Fließbandarbeit auf einem sehr hohen Niveau geleistet :-)

Zu empfehlen ist übrigens auch sein Buch "Painting with Light", welches vor kurzem neu aufgelegt wurde.