Samstag, Oktober 17, 2009

Short Cuts #14

Die Herbstferien neigen sich dem Ende. Kein Post innerhalb dieser zwei Wochen darf nicht sein. Also folgen hier nun pflichtbewusst einige Kurzrezis.


Das weiße Band: Michael Haneke entwickelt sich langsam aber sicher zu einem meiner Lieblingsregisseuren. Es gibt zwar noch einige Filme, die ich aus seinem bisherigen Gesamtwerk nachzuholen habe. Das weiße Band ist jedoch unabhängig davon ein gewaltiger Film, der den Zuschauer langsam in einen Würgegriff zu nehmen versteht. Drehbuch, Kamera, Ton, Schnitt und vor allem die Schauspieler – jedes Teil greift hier perfekt ins nächste. Endete Caché mit einer völlig überraschenden, die Handlung noch einmal komplett in einem neuen Licht erscheinenden starren Einstellung auf den Treppeneingang einer Schule, greift Das weiße Band diesen thematischen Strang auf, um ihn konsequent fortzuspinnen. Das weiße Band ist zugänglicher als Caché, Funny Games oder Hanekes Kafka-Adaption Das Schloß. Das macht ihn aber keineswegs weniger faszinierend. Im Gegenteil: Gerade durch die fast schon konventionelle Erzählhaltung gelingt es dem Film, den Zuschauer umso kräftiger in seinen Bann zu ziehen. 9/10.


Couples Retreat: Drei Pärchen gehen für eine Woche auf eine Trauminsel, um ihre Beziehung zu retten. - Das komplette Gegenprogramm zum "weißen Band". Eine herzlich doofe RomCom für anspruchslose Eskapisten, die über dämliche Kalauer so richtig lachen können. Erzkonservativ, dröge, vorhersehbar, voller Stereotypen und Klischees weiß ich bis jetzt eigentlich noch immer nicht, wie ich die knapp zwei Stunden ohne Hirnschaden überstanden habe. Alfons hat sich freundlicherweise die Mühe gemacht, den Entstehungsprozess dieses Machwerks kreativ zu rekonstruieren. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Wohlwollende 4/10.


Away We Go: Sam Mendes ist ein Meister im Analysieren von Familienstrukturen. In Away We Go nimmt er sich ein hippieges Mitdreißigerpärchen vor, das durch eine unerwartete Schwangerschaft den eigenen Lebensentwurf neu überdenken muss. Wie soll man in Zukunft leben, um dem Kind ein angemessenes Zuhause zu geben? Auf der Suche nach Antworten bzw. einem passenden Ort fürs Kind durchstreift das Paar im rostigen Volvo die USA und trifft dabei auf Negativbeispiele oder desillusionierte Menschen. – Garniert mit überaus spaßigen Gastauftritten von Jeff Daniels oder der selbst als durchgeknallten Esotante noch schnuckelig wirkenden Maggie Gyllenhaal ist Away We Go sogar für Zuschauer ohne sonderliches Interesse am Thema „Lebenskrise von kindischen Mitdreißigern“ ein Vergnügen. An die Größe seiner vorigen Filme (Jarhead ausgenommen) kann Sam Mendes hier allerdings nicht anschließen. 6/10.

5 Kommentare:

C.H. hat gesagt…

Ich persönlich würde die Wertung von "Away we Go" und "Das weiße Band" quasi tauschen wollen. Ich denke im Übrigen schon, dass Mendes mit AWG an die Größe seiner letzten Filme herankommt, auch oder vielleicht sogar gerade weil er mit diesem Film für seine Verhältnisse doch sehr milde und positiv gestimmt ist. Zum "Weißen Band" kann ich dir eigentlich nur wegen der Wertung wiedersprechen, weil mir aus dem Text nicht wirklich klar wird was du abseits der "Technika" an dem Film so gelungen findest.

Jochen hat gesagt…

Zum Mendes: Mein Hauptproblem mit diesem Film ist keineswegs, dass er weniger bissig ist als meinetwegen "Revolutionary Road" oder "American Beauty". Ich finde auch gut, dass es Mendes schafft, nicht ins Kitschige abzugleiten, was "Road to Perdition" in meinen Augen arg schmälert. Es ist das Thema und die recht spröden Hauptfiguren, die mich nicht reizen und deren Schicksal mir leider recht gleichgültig bleibt.

Zum Haneke: Wie schon in Caché geht es Haneke im "Weißen Band" um ein alte Frage, die ich höchst faszinierend finde: Was ist Wahrheit? Wie konstruieren sich Menschen "ihre" Wahrheit? Ist eine objektive "Wahrheit" überhaupt fassbar? Haneke manipuliert den Zuschauer zu Beginn sehr gekonnt, um ihn im Laufe des Films vom Gegenteil dessen zu überzeugen, was er anfangs noch annahm. Das ist eine hohe Kunst des Erzählens, die aber nur wenig mit einem gewöhnlichen "Plottwist" gemein hat. Der Film geht viel tiefer, will Strukturen der Wahrheitsfindung aufzeigen. Zwar geschieht das formal weniger spektakulär als in Caché, aber trotzdem sehr wirkungsvoll.

Flo Lieb hat gesagt…

Ich fand den Haneke derart langweilig und nichtssagend, mir sind fast die Augen zugefallen. Ein lahmes Drehbuch, typisch deutsch-miese Schauspieler, Provinzkino eigentlich. Irgendwie schade, dass die Deutschen jährlich nicht den besten Film zu den Oscars schicken, sondern den, von dem man sich am meisten hofft bei der Jury einen Nerv zu treffen. Abgesehen von Funny Games, den ich aber aus einer anderen Sicht heraus rezipiere, langweilt mich Haneke immer mehr.

Jochen hat gesagt…

Finde ich schade. Aber dann kannst du dir ja tiefsinnige Ron-Howard-Filme anschauen, um dich besser zu fühlen, Rudi! ;-)

Flo Lieb hat gesagt…

Ich hab nirgends behauptet, dass Howards Filme tiefsinnig sind. Ich schrieb, dass es kitschige Hollywood-Markenware ist, die mich in diesem Fall angesprochen hat.