Nach 17 Jahren ohne Überraschungen in der größten aller Agentenserien wirkt Casino Royale wie ein bis zum Anschlag aufgeladener Defibrillator. In einem Kinojahr, das zwischen hohlem Eskapismus und Lehrveranstaltungen in Political Correctness pendelte, beweist genau die Filmreihe, die zuletzt durch einschläfernd formelhafte Drehbücher auffiel, den anarchischen Biss, den ich gerne von mehreren Big Budget Filmen gesehen hätte.
Bond war seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr zeitgemäß. - Jason Bourne verkörpert da ein leichter nachvollziehbares Agentendasein: Bourne ist auf sich allein gestellt und wird mit unlösbar scheinenden Aufgaben konfrontiert. Er muss ohne die Unterstützung eines ganzen Heeres von technischen Tüftlern und weltweit vorhandenen Verbündeten auskommen. - Casino Royale bricht zurecht mit dieser obsolet erscheinenden Tradition der Überbehütung des Doppelnullagenten.
Doch ohne viel Umschweife - hier die glorreichen 7 der Bondfilme:
7. Tomorrow Never Dies ist in dieser Liste der Alibifilm für den größten Dressman unter den Bonddarstellern: Pierce Brosnan. Für mich blieb Brosnan immer Brosnan, wurde nie Bond. Trotz vieler Defizite, begeistern mich drei Elemente in TND: 1.) Der unerwartet smarte Plot, der als ein wenig subtiler Tritt in den Hintern Rupert Murdochs zu verstehen ist. 2.) Dieser Bond spielt zum Teil in Deutschland (Hamburg) - so viel Patriotismus muss erlaubt sein (hab bis heute den Sinn der damaligen Studentenproteste gegen den Film nicht begriffen!). 3.) Der zweitbeste Spruch eines Bösewichts in der Geschichte der Serie, von Dr. Kaufman alias Vincent Schiavelli natürlich mit breitem deutschen Akzent gesprochen. Bond: "It won't look like a suicide if you shoot me from over there." - Dr. Kaufman: "I am a professor of forensic medicine. Believe me, Mr. Bond, I could shoot you from Stuttgart und still create ze proper effect."
6. Never Say Never Again ist zwar nur ein inoffizielles Remake, gefällt mir aber bedeutend besser als Thunderball, was nicht zuletzt an Klaus Maria Brandauer als charismatischsten Finsterling neben Gert Fröbe liegt. Auch die Taucheskapaden werden hier nicht allzu sehr in die Länge gezogen. Seit NSNA wissen wir zudem, dass selbst Bonds Urin tödlich sein kann. Und die Variation der obligatorischen Spielszene ist fabelhaft gelungen und macht trotz veralteter Computergrafik heute noch genauso viel Spaß wie in den 80ern.
5. The Spy who loved me war lange Zeit mein Lieblingsbond. Hier ist der Beißer noch keine alberne Witzfigur, sondern angsteinflößend und bedrohlich. Für Feministinnen interessant: In TSWLM befindet sich die erste starke Frauenfigur der Bondserie - die russische Agentin Anya (Barbara Bach), die dann aber doch schnell dem Charme des Superbriten verfällt. Immerhin weiß sie, wie eine Pistole gehalten wird.
4. Licence to Kill galt bis Casino Royale als härtester Bond und war bis vor kurzem in Deutschland nur geschnitten erhältlich. Und ich gebe zu: Timothy Dalton ist nach Connery meine Nummer 2, wobei abzuwarten bleibt, wie sich Craig in den nächsten Filmen schlagen wird. LTK trägt zwar die krakelige Schrift eines Regisseurs, der sich nicht durch inszenatorische Eleganz auszeichnet und gegen Ende eine ganze Reihe räumlicher Anschlussfehler (z. B. Truckverfolgung) im Film unterbringt - aber das passt zur raubeinigen Art, mit der Dalton den Bond im Rambozeitalter gibt: Roh, kantig, geradlinig und mit bedeutend weniger Ironie als Moore.
3. Casino Royale habe ich bislang nur einmal gesehen. Es ist also gut möglich, dass sich diese Platzierung schnell ändern wird. Derzeit bin ich jedenfalls schwer begeistert. Hier knüpft man an die Härte der Dalton-Bonds an. Bond ist noch ein ungeschliffener Rohling ohne Kultur. Das gleicht er jedoch mit ordentlich Muskelmasse aus. Bond schwitzt, blutet, kotzt, schreit vor Schmerz und steht zweimal kurz vor dem Tod. Dieser Bruch mit der distinguierten Unantastbarkeit des Topagenten ist eine Frischzellenkur, die dem Franchise zu einer zweiten Jugend verhilft. Auch die Actionsequenzen hatten etwas frisches, unverbrauchtes - die Parkoursequenz ist schlichtweg ein Geniestreich. Und endlich ein Bondfilm ohne eine Bootsschlacht! Haben es die letzten Teile nicht mehr in meine DVD-Sammlung geschafft, so wird Casino Royale vorbestellt.
2. Goldfinger ist der erste Bondfilm, bei dem man merkt: Hier steckt ein ordentliches Budget hinter. War From Russia with Love zu großen Teilen ein intelligentes Kammerspiel, ist der "dritte Bond-Film [...] ein betont jenseits aller Glaubwürdigkeit angesiedeltes Kino-Abenteuer in der hinlänglich bekannten, formal nicht ungeschickten Mischung aus Science Fiction, Erotik und Brutalitäten" (Lexikon des internationalen Films). Jawoll! Goldfinger ist in gewisser Weise der Urbond, weil hier erstmals alle Zutaten zueinander finden: Cooles Opening, vergoldete Frauen, der beste Bösewicht der gesamten Reihe, Gold, tödliche Chinesen mit scharfen Zylindern, Frauen mit unanständigen Namen, noch mehr Gold, ein von Q getuneter Aston Martin (im Gegensatz zu Casino Royale sogar mit Lenkrad auf der rechten Seite), ein Laser, viel mehr Gold, Felix Leiter, ein bombastisch klingendes Lied zu einem auf Zelluloid gebannten LSD-Trip und - wie könnte es anders sein - Go.., erm, Fort Knox.
1. On Her Majesty's Secret Service. Trotz und wegen George Lazenby ist OHMSS der beste Bond. OHMSS entzieht sich wegen seines unikathaften Charakters, den er Lazenby verdankt, jedwedem Vergleich mit den Bonds der übrigen Darsteller. Der Film ist außerdem so rund wie kaum ein anderer. Man muss alleine den Mut der Macher anerkennen, sich für ein solch bedrückendes Ende zu entscheiden. Das haben die Broccolis anschließend leider nie wieder gewagt. Erst der Schluss von Casino Royale hat einen ähnlich düsteren Touch. Darüber hinaus ist es ein Vergnügen Kojak und Emma Peel in einem Film zu erleben - wundervoll. Der Helikopterangriff, die Hypnosearmee, der Schottenrock...top!
7 Kommentare:
Interessante und vor allem mutige Zusammenstellung von Bondfilmen.
OHMSS an Platz 1, nun ja, warum nicht?
Vielleicht hätte man öfters den Bond Darsteller wechseln sollen, gilt doch z.B. License to Kill als erster richtiger Dalton-Bond, d.h. da hatte man den Charakter von Daltons Bond beim Schreiben des Drehbuchs berücksichtigt.
Weiter so!
Wie recht du hast! Der größte Fehler war es, in den 90ern auf Brosnan umzusatteln, hatte Dalton doch in der Rolle gerade richtig Fuß gefasst. Dummerweise fiel der Eiserne Vorhang ;-) Sonst wären vermutlich keine sechs Jahre zwischen LTK und dem darauffolgenden Bond ins Land gezogen und Dalton hätte vielleicht weitergemacht.
Sehe ich auch so, Dalton ist mein Lieblingsbond ;-(
Ansonsten tolle Zusammenstellung, die ersten 5 stimmen (etwas verändert in der Platzierung) auch mit meinen Top5 überein.
Dalton bester Bond? Wow, damit gehörst du wahrscheinlich einer ziemlichen Minderheit an. Aber wie gesagt: Halte ihn für den besten Bond im Post-Connery-Zeitalter.
Dalton bester Bond? Wow, damit gehörst du wahrscheinlich einer ziemlichen Minderheit an.
Das stimmt. Bei nur zwei Abenteuern mit ihm ist das ja auch verständlich, zumal diese beiden Filme recht untypisch für die Serie sind (könnte man zumindest meinen).
Mein Lieblingsbondfilm ist dann auch "Licence to kill", gefolgt von "The Spy who loved me" und "Goldfinger".
Also für mich hat Brosnan immer sehr den Bond verkörpert, wie ihn Flemming wohl gesehen haben mag, auch wenn sich der Pierce nicht so sehr für Actionszenen eignete.
Mir persönlich hatte Goldeneye aber besser gefallen als Tomorrow Never Dies, was vielleicht an Sean Bean und Robbie Coltrane lag, welche ich beide sehr schätze. Naja, wie es scheint, muss ich mir doch dann mal den einzigen Bond den ich nie gesehen habe anschauen: den mit Lazenby.
Stimme deiner Liste im Grunde (nun) doch sehr zu, ohne Frage ist OHMSS der beste Bond, mir gefällt Lazenby nach Connery am besten. Mit GOLDFINGER jedoch kann ich sehr wenig anfangen, die 2. Hälfte inkl. Finale ist doch sehr schwach geraten.
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