Mittwoch, Juni 24, 2009

Short Cuts #11

Taken: Was für eine Adrenalin-Granate! Keine 90 Minuten dauert Liam Neesons Rachefeldzug und keine Sekunde wird mit überflüssigem Beiwerk verschwendet: Nach einer knappen Exposition geht's für den Zuschauer nur noch darum, sich auf animalisch-instinktivem Niveau mit der Hauptfigur zu identifizieren, wenn sie sich auf der Suche nach der gekidnappten jungfräulichen 17-jährigen Tochter durch die französische Unterwelt metzelt. Muss man sich dafür schämen, wenn man diesen implizit rassistischen Selbstjustiz-Reißer genießt, wenn es einem sardonische Freude bereitet, wie Neeson zur Erreichung seines Ziels kaltblütig, brutal und gnadenlos wütet, foltert und mordet? Nein, lautet die kategorische Antwort. Denn Taken macht nie einen Hehl daraus, in einem wirklichkeitsfernen Raum zu spielen. Fazit: Der abgedroschene Begriff "tour de force" trifft hier voll und ganz zu.


Der Felsen: Dominik Grafs DV-Film aus dem Jahr 2002, der die Liebesgeschichte zwischen einer innerlich verlorenen Mitdreißigerin und einem verurteilten jugendlichen Straftäter erzählt, besticht sowohl durch die überaus ungewöhnliche Ausgangskonstellation für ein Liebesdrama als auch durch die rauhe, grobkörnige, oftmals unscharfe Ästhetik der digitalen Aufnahmen. Lediglich im Mittelteil wirkt dieser experimentell anmutende Streifen etwas zäh. Hier wurde nicht konsequent genug reduziert, der Kern nicht gründlich genug herausgeschält. Der Grund: DV-Material ist billig. Dementsprechend viel wurde vermutlich gedreht - da muss man auch Szenen über Bord schmeißen können. Abgesehen davon fallen manche Drehbuchsätze wie bei den meisten Graf-Filmen sehr bemüht und affektiert aus. Doch das gehört irgendwie zu einem echten Graf dazu. Fazit: Der Felsen zählt zu den besseren deutschen Filmen dieses Jahrzehnts.


The Boy in the Striped Pyjamas: Meiner Klasse, mit der ich John Boynes Vorlage im Deutschunterricht gelesen habe, hat der Film überhaupt nicht gefallen. Hauptgrund: Die etlichen Änderungen zur Vorlage. Ich sehe das etwas differenzierter, denn den Grundton hat Mark Herman gut getroffen, die wesentlichen Aspekte von Boynes Fabel bildlich umzusetzen gewusst, ja, auch die naive Perspektive Brunos überraschend stimmig ins andere Medium transferiert. James Horners Begleitung, die manch einer vielleicht als zukleisternde Klangsoße abtun wird, passt ebenfalls zum Ton der Geschichte. Die Schauspieler (allen voran David Hayman in der Nebenrolle als Pavel) sind gut besetzt. Die abschließende Parallelmontage zu Horners immer lauter aufspielender Musik, die in plötzlicher, absoluter Stille gipfelt, beinahe ein Geniestreich. Fazit: Gelungene Literaturadaption, die keine Kompromisse eingeht.

2 Kommentare:

Flo Lieb hat gesagt…

Jochen! Du schreibst ja wieder! *freu*

P.S.: Bei TAKEN kommen wir dennoch auf keinen grünen Zweig :-P

Jochen hat gesagt…

Heute haben die Ferien in Niedersachsen begonnen :-)

TAKEN darf man einfach nicht ernst nehmen ;-)