Sonntag, Dezember 31, 2006

Filmtipp: Grizzly Man


Werner Herzogs Hang zu urwüchsiger Natur und Menschen, die aus ihrem Wahn eine ungeheure Energie schöpfen, ist kein Geheimnis. In seinen Filmen mit Klaus Kinski (z. B. Aguirre oder Fitzcarraldo) ging er an die Grenzen von Natur und Mensch, um sie sodann zu überschreiten. Diese Filme handelten von einer zugleich anmutigen wie grausamen Natur, in der sich stets eine getriebene Figur zu behaupten versuchte. Dabei war die Entstehung dieser Filme ein ebensolcher Prozess der Auseinandersetzung mit diesen schwer kontrollierbaren Urgewalten. In seinem grandiosen Filmessay Mein liebster Feind huldigte Herzog seiner Faszination, indem er tiefgründig über sie sinnierte.

Herzogs Dokumentation Grizzly Man zeigt, dass ihn diese zwei Themen noch immer reizen. Aus über einhundert Stunden Filmmaterial des Bären-Narren Timothy Treadwell und Interviews mit dessen Freunden, Familie und Bekannten montiert er das einzigartige Portrait eines Naturfreaks auf einem Selbsterfahrungstrip.


Timothy Treadwell bei seiner Arbeit.

Timothy Treadwell lebte 13 Sommer unter Grizzlybären, bis er im Jahre 2003 zusammen mit seiner Freundin Amy des Nachts von einem gefressen wurde. Treadwell gab sich dem Wahn hin, er müsse die Bären beschützen. Vor wem, das wusste er allerdings selbst nicht so genau. In Wahrheit war die idyllisch anmutende Landschaft des Katmai-Nationalparks in Alaska ein Refugium für den Zivilisationshasser Treadwell. Bei den Bären fand er ein Leben abseits der Menschen, das ihm bei der Suche nach sich selbst half und ihn gleichermaßen mit einem Lebenssinn erfüllte. Dieses Leben in der Wildnis wurde zu seiner Religion. Und wenn man seine Videotagebücher sieht, versteht man sofort, warum. Treadwell liebte die Bären mit jeder Faser seines Wesens. Er spricht mit ihnen in liebevoller Babysprache, tritt bis auf Körpernähe an sie heran und strahlt wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum beim Berühren ihres noch warmen Kots.

Sein Zelt schlägt er gelegentlich zwischen zwei Fuchsbauten auf, damit er Besuch von deren Bewohnern bekommt. Und die lassen nicht lange auf sich warten. Seit Jennifer Jones' Spiel mit ihrem Fuchs in Gone to Earth, hat man solche Aufnahmen nicht mehr in einem Film gesehen. Treadwell habe eine unsichtbare Grenze überschritten, kommentiert Herzog an einer Stelle dessen Zusammenleben mit den Bären. Herzog bewundert Treadwells Filmkunst, seine Methodik und Gabe zur Improvisation: Auch den Momenten der Stille und der unbeabsichtigten Geschehnisse wohne eine poetische Kraft inne, die man nicht künstlich herstellen könne und die Treadwells Aufnahmen jenseits eines gewöhnlichen Naturfilms ansiedeln. - Es sind freilich auch diese Momente, die Grizzly Man so sehenswert machen.

Die vielleicht spektakulärste Szene des Films zeigt den minutenlangen Kampf zweier Bären um ein Weibchen (Treadwell: "The Michelle Pfeiffer of bears."). Die zwei riesigen Muskelpakete bewegen sich zunächst langsam und graziös aufeinander zu, bevor plötzlich der Kampf explodiert. Fell und Kot wirbeln durch die Luft und als der Kampf schließlich vorüber ist, marschiert Treadwell zum gründlich durchwühlten Boden, kommentiert den Kampf wie ein Sportreporter und ist dabei voller Bewunderung über die Kraft der zwei Giganten.

Hajime! Zwei fast vier Meter große Kolosse beim Kampf, der wirkt, als würden zwei monströse Judoka aufeinander losgehen.

Im zivilisatorischen Leben war Treadwell unzufrieden, bastelte an seiner Identität. Er änderte seinen Namen, legte sich einen australischen Akzent zu, hatte ein Alkoholproblem und litt an Depressionen. Doch auch in der Natur holten ihn seine Dämonen hin und wieder ein. So wird sein harmonisches Weltbild schnell erschüttert, wenn er mit der mitunter grausamen Realität der Natur konfrontiert wird. Beispielsweise wenn er einen toten Jungfuchs findet oder miterleben muss, wie die männlichen Bären ihre Kinder töten, damit die Weibchen schneller für den Fortpflanzungsakt zur Verfügung stehen. Während Treadwell diese Geschehnisse in seinem Videotagebuch weinerlich beschreibt, schaltet Herzog sich distanzierend ein und erläutert seine eigene, eher düstere Sicht auf die Welt: Der gemeinsame Nenner des Universums seien Chaos, Feindseligkeit und Mord.

Auch auf Treadwells Tod geht der Film ein. Als Treadwell starb, lief seine Kamera. Der Deckel war auf der Linse, aber den Ton des Todeskampfes zeichnete sie auf. Zum Glück bleiben dem Zuschauer diese Momente erspart. Der Leichenbestatter beschreibt den sechsminütigen Kampf Treadwells. Seine Freundin Amy habe vergeblich mit der Bratpfanne auf den Kopf des Grizzlys eingeprügelt. Als Herzog sich das Band vor laufender Kamera anhört, bricht er nach kurzer Zeit ab.

Herzog kreuzt in Grizzly Man idyllische Naturaufnahmen mit dem Psychogramm eines sympathischen Wahnsinnigen. Saftig grüne Wiesen, funkelnde Seen und blaugraue Bergketten sowie einmaliges Videomaterial von wild lebenden Grizzlys wechseln sich ab und durchdringen sich mit der Psychostudie Timothy Treadwells, einem Mann auf dem wohl ungewöhnlichsten Selbsterfahrungstrip, den das Kino je gesehen hat.

Montag, Dezember 25, 2006

DVD: Clerks II

Clerks II ist vor kurzem in den USA auf DVD erschienen. Doch für Deutschland steht noch nicht einmal ein Kino-Starttermin fest. Das hat mittlerweile leider fast schon Tradition bei Kevin Smith Filmen.

Meine erste Reaktion, nachdem ich vor etwa anderthalb Jahren von dem geplanten Sequel erfuhr, war negativ. Warum ein preisgekröntes Meisterwerk fortsetzen? Und wovon sollte der Film bitteschön handeln? Hatte nicht der erste Teil das Leben der zwei Quick-Stop-Slacker Dante und Randal gründlich genug ausgeleuchtet? Und suggerierte das Ende von Jay and Silent Bob Strike Back, in dem Gott (Alanis Morissette) das View Askewniverse-Buch zuschlägt und vergnügt von dannen tanzt, nicht auch das Ende eben jenen Filmuniversums? - Wie Kevin Smith in der Doku Back to Well: Clerks II erklärt, habe Gott das Buch zwar zugeschlagen, jedoch habe sich darin ein Lesezeichen befunden und man habe deutlich erkennen können, dass sich noch einige Seiten hinter eben jenem Lesezeichen befinden. Smith fügt grinsend hinzu: Diese Seiten beinhalten Clerks II!

Clerks II greift das Leben der zwei Ladenhüter Dante (Brian O'Halloran) und Randal (Jeff Anderson) gut zehn Jahre nach Clerks wieder auf. Die zwei sind nun Anfang dreißig. Ihr Leben hat sich aber bislang nicht großartig verändert. Sie arbeiten jetzt für die Fastfoodkette Mooby's, während sie weiterhin unverdrossen pseudophilosophische Gespräche über die Lord of the Rings Trilogie, ungewöhnliche Sexualpraktiken und ihr Leben führen. - Doch ein Ende ist absehbar, denn Dante hat sich mit der herrschsüchtigen Blondine Emma (Jennifer Schwalbach) verlobt und will mit ihr nach Florida ziehen. Randal missfällt das gewaltig. Zudem besteht ein mehr als freundschaftliches Verhältnis zwischen Dante und seiner Vorgesetzten Becky (Rosario Dawson). Entlang dieser Reibungspunkte entfaltet sich die Handlung.

Was diesen Film ebenso großartig macht wie seinen No-Budget Vorläufer sind die Dialoge. Ich bin absolut kein Freund von dialoglastigen Filmen, denn Gespräche widersprechen der Natur von Film. Doch es gibt Ausnahmen. Wenn die Dialoge witzig, spritzig und tiefgründig sind, haben sie auch in einem derartigen Ausmaß Berechtigung. Neben Quentin Tarantino ist Kevin Smith in meinen Augen der begnadetste Autor pointierter Wortgefechte. Und wenn in Clerks II über solch obszöne Dinge wie "ass to mouth", "interspecies erotica", "large clits" und "porch monkeys" lamentiert und gestritten wird, ist das niemals nur oberflächlich lustig, sondern verhandelt gleichzeitig auch immer unsere Wertvorstellungen und Normen von Dingen wie Sexualität, Gleichberechtigung, Rassismus, Political Correctness und Religion. Die Dialoge wären allerdings nicht halb so humorvoll, würden sie nicht bravourös gesprochen. Lässt Samuel L. Jackson Tarantinos Worte zu Musik werden, ist es in den Clerks-Filmen insbesondere Jeff Anderson, der seinen Monologen, die ihm Smith in den Mund legt, trotz der meist vulgären Inhalte schöne Klänge abgewinnt.

Schwarzweißbild oben: Die Ladenhüter 1994. Dieses Bild zeigt sie heute.

Zur DVD:

Zunächst ist man natürlich darüber überrascht, dass Clerks II ein Farbfilm ist. Vom grobkörnigen Schwarzweiß hat man Abschied genommen. Mir hat das schon deshalb gefallen, weil es die zeitliche und räumliche Distanz zum ersten Teil optisch deutlich unterstreicht. Und wenn Smith in der letzten Szene des Films wieder ins Schwarzweiße wechselt, ergibt das stilistisch Sinn. Jedoch hat mich die Qualität des Bildes enttäuscht. Die Farben wirken relativ entsättigt. Das fällt besonders in der Musicalszene auf, die in kräftigen Farben gehalten ist. Nach meinem Dafürhalten hätte sich der gesamte Film in diesen volleren Farben abspielen können. Auch die Detailschärfe hat mich nicht überzeugt. Vor kurzem habe ich zur Einstimmung Jay and Silent Bob Strike Back gesehen - dort ist das Bild meines Erachtens detailreicher. Wie man auf der 1. Kommentarspur der DVD, dem "technical commentary", erfährt, war das jedoch Smiths Absicht. Er wollte in Clerks II optisch einen Lebensraum schaffen, der einen bewohnten Eindruck macht. Es sei überhaupt sein erster Film gewesen, bei dem es eine Grundsatzdiskussion über das visuelle Erscheinungsbild gegeben hätte: Im Gegensatz zu Kameramann David Klein wollte Smith ursprünglich das Medium nehmen, welches heute dem preiswerten 16mm-Film von 1994 entsprechen würde: HDV. Doch Klein überzeugte Smith schließlich, den Film auf 35mm zu drehen.

Der Ton ist großartig. Bombastische Soundeffekte wie in Jay and Silent Bob Strike Back bietet die Handlung hier zwar nicht an. Die Dialoge sind jedoch stets gut verständlich und gleichmäßig laut abgemischt, was bei einem solch dialoglastigen Film von enormer Wichtigkeit ist. Und soweit es das Geschehen der Szene zulässt, entsteht auch ein räumlicher Klangeindruck: Das Öffnen und Schließen des Mooby's-Eingangs ist beispielsweise mit einem Muuh-Soundeffekt unterlegt und spiegelt den jeweiligen Blickwinkel der Kamera auch akustisch wider. Abgesehen von solchen netten Kleinigkeiten bleiben die Surroundkanäle allerdings die meiste Zeit stumm.

Im Zeitalter der Special-, Limited-, Ultimate-, Golden- und Collector's Editions ist es erfrischend, dass die Clerks II 2-Disc Edition auf solche -mittlerweile nichtssagenden- Untertitel verzichtet.

Auf Disc 1 befinden sich insgesamt drei Kommentarspuren:

Ein rein technischer Commentary mit Smith, Mosier (Produzent) und Klein (Kamera), der sich ausschließlich mit der technischen Seite der Produktion auseinandersetzt und wie eine Art Einführungskurs ins Filmemachen wirkt.

Für die Party-Commentarytracks (Smith, Mosier, Anderson, Fehrman, Mewes, O'Halloran und Schwalbach), die streckenweise ebenso witzig sein können wie der Film, sind die Smith-DVDs bekannt.

Ein Podcast-Track mit Smith, Mosier und Anderson (Randal), den man schon während des Kino-Releases aus dem Netz ziehen konnte, um ihn mit seinem iPod im Kino zu hören, ist die insgesamt vierte Audiospur auf der DVD. Geniale Idee, wie ich finde - ich bin gespannt, ob das zur Nachahmung anregt.

Außerdem auf Disc 1: Gut 30 Minuten an Deleted Scenes von unterschiedlicher Qualität. Einige sind schwach, andere aberwitzig. Eine fakultative Einführung in die Deleted Scenes und ein genauerer Blick auf "Interpecies Erotica" runden die Extras ab.

Menü auf Disc 2

Disc 2: Der Kracher der Special Features ist die knapp anderthalbstündige Dokumentation Back to the Well: Clerks II. Hier erfährt man so gut wie alles über die Entstehung von Clerks II. Von den ersten Ideen 2001 bis zum Kinostart 2006: Warum Smith The Green Hornet nicht drehen wollte, wie schwer es war, Anderson von einem zweiten Teil zu überzeugen, wie sich die Proben und Dreharbeiten, Schnitt und Soundeffektmischung gestalteten, wie die Komödie in Cannes aufgenommen wurde und mit welch einem Engagement Smith während des Kino-Releases die Werbetrommel rührte. Und das, was man noch nicht in dieser Doku erfahren hat, bekommt man im zehnteiligen Produktions-Videotagebuch mitgeteilt. Ferner befinden sich noch eine 27-minütige Blooper-Reel, ein Soundtrack-Promo und ein Easter Egg (Mooby-Kuhkopf zwischen Randal und Dante auswählen!) auf der Scheibe.

Fazit: Die beste Komödie des Jahres in einem atemberaubend vollgepackten DVD-Release. Was will man mehr?

Samstag, Dezember 23, 2006

Frohes Fest


Leider bin ich in den letzten Tagen aufgrund mehr oder weniger intensiver Klausurvorbereitungen (und anderer Eskapaden) nicht dazu gekommen, etwas neues zu posten. Anstelle mich beim Schreiben über Filme zu entspannen, habe ich lieber einige konsumiert. Eigentlich sollte noch vor Weihnachten die Clerks 2 Doppel-DVD an dieser Stelle besprochen werden. Doch über sechs Stunden Bonusmaterial verlangen den entsprechenden Zeitaufwand. Früher oder später wird diese Rezi aber folgen.

Ich wünsche allen Lesern dieser Zeilen eine frohe Weihnacht! In Gedenken an meinen zeitgenössischen Lieblingsdichter, der sich dieses Jahr traurigerweise für immer verabschiedet hat, soll eines seiner Gedichte diesem Blog die angemessene Weihnachtszierde verleihen. Die Rede ist von Robert Gernhardt.


NACHT DER DEUTSCHEN DICHTER
Thema mit Variationen


THEMA

Stille Nacht, heilige Nacht,
alles wacht
Einar Schleef.


VARIATIONEN

Stille Nacht, strahlende Nacht,
alles trinkt,
Sarah Kirsch.


Stille Nacht, bildende Nacht,
alles liest,
Hermann Kant.


Stille Nacht, schwelgende Nacht,
alles ißt,
Ulla Hahn.


Stille Nacht, lockende Nacht,
alles küßt,
Erich Loest.


Stille Nacht, kreisende Nacht,
alles raucht,
Günter Grass.


Stille Nacht, endende Nacht,
alles geht,
Stefan Heym.


Quelle:
Robert Gernhardt. Gedichte 1954-1997. Frankfurt am Main 2000.

Donnerstag, Dezember 14, 2006

Die glorreichen 7: Bondfilme

Nach 17 Jahren ohne Überraschungen in der größten aller Agentenserien wirkt Casino Royale wie ein bis zum Anschlag aufgeladener Defibrillator. In einem Kinojahr, das zwischen hohlem Eskapismus und Lehrveranstaltungen in Political Correctness pendelte, beweist genau die Filmreihe, die zuletzt durch einschläfernd formelhafte Drehbücher auffiel, den anarchischen Biss, den ich gerne von mehreren Big Budget Filmen gesehen hätte.

Bond war seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr zeitgemäß. - Jason Bourne verkörpert da ein leichter nachvollziehbares Agentendasein: Bourne ist auf sich allein gestellt und wird mit unlösbar scheinenden Aufgaben konfrontiert. Er muss ohne die Unterstützung eines ganzen Heeres von technischen Tüftlern und weltweit vorhandenen Verbündeten auskommen. - Casino Royale bricht zurecht mit dieser obsolet erscheinenden Tradition der Überbehütung des Doppelnullagenten.

Doch ohne viel Umschweife - hier die glorreichen 7 der Bondfilme:

7. Tomorrow Never Dies ist in dieser Liste der Alibifilm für den größten Dressman unter den Bonddarstellern: Pierce Brosnan. Für mich blieb Brosnan immer Brosnan, wurde nie Bond. Trotz vieler Defizite, begeistern mich drei Elemente in TND: 1.) Der unerwartet smarte Plot, der als ein wenig subtiler Tritt in den Hintern Rupert Murdochs zu verstehen ist. 2.) Dieser Bond spielt zum Teil in Deutschland (Hamburg) - so viel Patriotismus muss erlaubt sein (hab bis heute den Sinn der damaligen Studentenproteste gegen den Film nicht begriffen!). 3.) Der zweitbeste Spruch eines Bösewichts in der Geschichte der Serie, von Dr. Kaufman alias Vincent Schiavelli natürlich mit breitem deutschen Akzent gesprochen. Bond: "It won't look like a suicide if you shoot me from over there." - Dr. Kaufman: "I am a professor of forensic medicine. Believe me, Mr. Bond, I could shoot you from Stuttgart und still create ze proper effect."


6. Never Say Never Again ist zwar nur ein inoffizielles Remake, gefällt mir aber bedeutend besser als Thunderball, was nicht zuletzt an Klaus Maria Brandauer als charismatischsten Finsterling neben Gert Fröbe liegt. Auch die Taucheskapaden werden hier nicht allzu sehr in die Länge gezogen. Seit NSNA wissen wir zudem, dass selbst Bonds Urin tödlich sein kann. Und die Variation der obligatorischen Spielszene ist fabelhaft gelungen und macht trotz veralteter Computergrafik heute noch genauso viel Spaß wie in den 80ern.


5. The Spy who loved me war lange Zeit mein Lieblingsbond. Hier ist der Beißer noch keine alberne Witzfigur, sondern angsteinflößend und bedrohlich. Für Feministinnen interessant: In TSWLM befindet sich die erste starke Frauenfigur der Bondserie - die russische Agentin Anya (Barbara Bach), die dann aber doch schnell dem Charme des Superbriten verfällt. Immerhin weiß sie, wie eine Pistole gehalten wird.


4. Licence to Kill galt bis Casino Royale als härtester Bond und war bis vor kurzem in Deutschland nur geschnitten erhältlich. Und ich gebe zu: Timothy Dalton ist nach Connery meine Nummer 2, wobei abzuwarten bleibt, wie sich Craig in den nächsten Filmen schlagen wird. LTK trägt zwar die krakelige Schrift eines Regisseurs, der sich nicht durch inszenatorische Eleganz auszeichnet und gegen Ende eine ganze Reihe räumlicher Anschlussfehler (z. B. Truckverfolgung) im Film unterbringt - aber das passt zur raubeinigen Art, mit der Dalton den Bond im Rambozeitalter gibt: Roh, kantig, geradlinig und mit bedeutend weniger Ironie als Moore.


3. Casino Royale habe ich bislang nur einmal gesehen. Es ist also gut möglich, dass sich diese Platzierung schnell ändern wird. Derzeit bin ich jedenfalls schwer begeistert. Hier knüpft man an die Härte der Dalton-Bonds an. Bond ist noch ein ungeschliffener Rohling ohne Kultur. Das gleicht er jedoch mit ordentlich Muskelmasse aus. Bond schwitzt, blutet, kotzt, schreit vor Schmerz und steht zweimal kurz vor dem Tod. Dieser Bruch mit der distinguierten Unantastbarkeit des Topagenten ist eine Frischzellenkur, die dem Franchise zu einer zweiten Jugend verhilft. Auch die Actionsequenzen hatten etwas frisches, unverbrauchtes - die Parkoursequenz ist schlichtweg ein Geniestreich. Und endlich ein Bondfilm ohne eine Bootsschlacht! Haben es die letzten Teile nicht mehr in meine DVD-Sammlung geschafft, so wird Casino Royale vorbestellt.

2. Goldfinger ist der erste Bondfilm, bei dem man merkt: Hier steckt ein ordentliches Budget hinter. War From Russia with Love zu großen Teilen ein intelligentes Kammerspiel, ist der "dritte Bond-Film [...] ein betont jenseits aller Glaubwürdigkeit angesiedeltes Kino-Abenteuer in der hinlänglich bekannten, formal nicht ungeschickten Mischung aus Science Fiction, Erotik und Brutalitäten" (Lexikon des internationalen Films). Jawoll! Goldfinger ist in gewisser Weise der Urbond, weil hier erstmals alle Zutaten zueinander finden: Cooles Opening, vergoldete Frauen, der beste Bösewicht der gesamten Reihe, Gold, tödliche Chinesen mit scharfen Zylindern, Frauen mit unanständigen Namen, noch mehr Gold, ein von Q getuneter Aston Martin (im Gegensatz zu Casino Royale sogar mit Lenkrad auf der rechten Seite), ein Laser, viel mehr Gold, Felix Leiter, ein bombastisch klingendes Lied zu einem auf Zelluloid gebannten LSD-Trip und - wie könnte es anders sein - Go.., erm, Fort Knox.


1. On Her Majesty's Secret Service. Trotz und wegen George Lazenby ist OHMSS der beste Bond. OHMSS entzieht sich wegen seines unikathaften Charakters, den er Lazenby verdankt, jedwedem Vergleich mit den Bonds der übrigen Darsteller. Der Film ist außerdem so rund wie kaum ein anderer. Man muss alleine den Mut der Macher anerkennen, sich für ein solch bedrückendes Ende zu entscheiden. Das haben die Broccolis anschließend leider nie wieder gewagt. Erst der Schluss von Casino Royale hat einen ähnlich düsteren Touch. Darüber hinaus ist es ein Vergnügen Kojak und Emma Peel in einem Film zu erleben - wundervoll. Der Helikopterangriff, die Hypnosearmee, der Schottenrock...top!

Montag, Dezember 11, 2006

Filmtipp: The Small Back Room

Auch nach Kriegsende beschäftigten sich Powell und Pressburger weiterhin mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs. The Small Back Room erzählt die Geschichte von Sammy Rice (David Farrar), einem Bombenspezialisten, der im Jahr 1943 in einem kleinen Londoner Hinterzimmer (!) seiner Arbeit nachgeht. Sam hat eine Beinprothese. Die Tabletten, die er gegen die damit einhergehenden Schmerzen einnimmt, helfen nicht richtig und lassen ihn depressiv werden. Das einzige, was wirklich Linderung bringt, ist Whiskey. Doch der lässt ihn jähzornig werden. Unzufrieden mit seinem Leben, entlädt er Frust und Wut an seiner heimlichen Freundin Susan (Kathleen Byron). Eine unausgereifte Haubitze und eine neuartige Bombe des Feindes machen ihm zudem bei der Arbeit zu schaffen. Die Bombe fordert das Leben eines jungen Soldaten und später das eines Kollegen. Als sich Sam selbst an einem Strand bei der Entschärfung dieser tückischen Rohrbombe wiederfindet, wird dieses Ereignis zum Katalysator all seiner aufgestauten Frustrationen.

Sams Alkoholproblem wird grandios inszeniert: Der ansonsten recht konventionelle Ton des Films springt plötzlich um und wird zum "Expressionismus à la carte": Eine gigantische Whiskeyflasche droht Sam zu erschlagen, unzählige tickende Uhren umzingeln ihn und seltsame Kamerawinkel, gepaart mit einem scharfen Licht- und Schattenspiel, verzerren die Perspektive.

The Small Back Room ist im Grunde ein Kammerspiel. Die meiste Zeit über befinden wir uns in Hinterzimmern, Kneipen, Büros, U-Bahnen, Konferenzräumen und Wohnungen. Ganz selten spielt eine Szene im Freien. Die Schlüsselszene am Ende springt schon aufgrund ihrer Örtlichkeit ins Auge: Sam muss an einem verlassenen Strand die Bombe entschärfen. Die Enge des zivilisatorischen Raumes ist zwar aufgehoben, aber diese Freiheit bedeutet die Auseinandersetzung mit der existenziellsten aller Fragen: Leben oder Tod? Zum Zeitpunkt als Sam die Bombe entschärft, kann der Zuschauer nicht mehr sicher sein, ob Sam überhaupt noch leben will: Seine Freundin ist ihm davongelaufen, mit seinem Vorgesetzten hat er Krach. Der Tod wäre eine Erlösung. Doch gleichzeitig ist Sam fasziniert, das Rätsel der Bombe zu lösen und so den Tod weiterer englischer Soldaten zu verhindern.

Leben oder Tod? - Bombenentschärfung am Strand.

Diese Romanverfilmung in Schwarzweiß aus dem Jahr 1949 zählt nach meiner Meinung nicht zu den stärksten Filmen des magischen Duos Powell und Pressburger. Gleichwohl handelt es sich um eine Perle der Filmkunst, die auch knapp 60 Jahre nach ihrer Entstehung noch prächtig funktioniert. The Small Back Room langweilt den Zuschauer zu keinem Zeitpunkt. Wie in allen Filmen der zwei britischen Kinomagier ist keine Szene oder Einstellung überflüssig oder redundant. Die Schauspieler sind bis in die kleinste Nebenrolle großartig besetzt - die zwei Hauptdarsteller, Farrar und Byron, haben bereits in Black Narcissus zusammen vor Powells Kamera gestanden. Der Film zeichnet außerdem ein zeitgeschichtlich interessantes Bild Englands, wie es in den 40ern ausgesehen und wahrgenommen wurde. Wärmstens empfohlen.

Samstag, Dezember 09, 2006

Gedrucktes: Going to Pieces


Pünktlich am Freitag, den 13. und zwei Wochen vor Halloween strahlte der Pay-TV-Kanal STARZ in den USA eine Dokumentation aus, die sich mit dem kommerziell erfolgreichsten Subgenre des Horrorfilms auseinandersetzt: Going to Pieces: The Rise and Fall of the Slasher Film. Die Doku basiert auf einem vor vier Jahren publizierten Sachbuch gleichen Titels von Adam Rockoff.

Den Film habe ich bedauerlicherweise noch nicht gesehen. Aber das Buch fand ich zu meiner Freude vergangenes Jahr unterm Weihnachtsbaum. Leider ist es nur als Hardcover zu haben und dementsprechend teuer. Eine deutsche Übersetzung gibt es bislang nicht.

Rockoff ist ein Fan des Genres seit Anfang der 80er Jahre, als Slasherfilme erstmals am Fließband produziert wurden. Aus Enttäuschung über den Mangel an Literatur über dieses künstlerisch nicht immer wertvolle, dafür ungemein lukrative Genre, beschloss er, selbst ein Buch zu schreiben.

Aber Rockoff hat nur teilweise Recht, was den vermeintlichen Bedarf an Literatur betrifft. So gab es lange vor der Veröffentlichung von Going to Pieces etliche filmwissenschaftliche Aufsätze und Abhandlungen zu Horror- und Slashergenre. Außerdem existieren eine ganze Reihe anekdotenreicher Horrorlexika. Allerdings, und hier liegen Neuland und Wert dieser 214 Seiten langen Schrift, gab es kein Buch, dass die Filmgeschichte der Slasher informativ, niveauvoll und leicht lesbar aufarbeitete, ohne sich dabei in der Trivialität belanglosen Fangeschwätzes zu verlieren. Going to Pieces ist die erste Hybride aus filmwissenschaftlichen Artikeln, dem Wissen der Fanlexika und nicht zuletzt langjähriger Rezeptionserfahrung.

Doch was ist eigentlich ein Slasherfilm? So lautet die einleitende Frage des Buches. Im Gegensatz zum Western oder Science Fiction lässt sich dieses Genre nämlich nicht ganz einfach definieren. Nach Rockoffs Meinung mache man es sich zu leicht, wenn man den Slasherfilm als einen Film definiere, in dem eine Gruppe gut aussehender Jugendlicher auf verschiedenste Art und Weise brutal abgeschlachtet wird. Rockoff arbeitet deshalb die häufigsten Merkmale der Slasherfilme unter Anführung unzähliger Beispiele anschaulich heraus. Als typische Charakteristika führt er den Killer, seine Waffenwahl, die Special Effects, das Setting, das zurückliegende (meist traumatische) Geschehen, das Final Girl, die Killerperspektive sowie die Art der Gewaltdarstellung an und entwickelt hierzu anregende Gedanken. In diesem ersten Kapitel steckt meines Erachtens am meisten Herzblut des Autors. Hier schreibt er sich von der Seele, was er schon immer loswerden wollte.

Die folgenden Kapitel widmen sich der (Vor-)Geschichte des Slasherfilms. Ab Kapitel zwei ist Going to Pieces eine reine Filmgeschichte. Daran ändert sich bis zum Ende nichts mehr. Rockoff beginnt zunächst mit den Einflüssen auf das Horrorgenre, stellt dann wichtige Vorläufer detaillierter vor (u. a. Filme von Hitchcock, Powell, Bava, Romero, Argento, Hooper und Craven), bevor er dem Auslöser des Slashergenres ein ganzes Kapitel widmet: Halloween. Die Wucht von John Carpenters 300.000 Dollar Film, der mehr als das 150-fache seiner Produktionskosten in die Kassen spülte, war sowohl künstlerisch als auch kommerziell stilbildend.

Filmplakat der Dokumentation mit zahlreichen Interviews einschlägiger Regisseure und Darsteller.

Rockoff geht freilich auf die großen Serien des Genres wie Friday the 13th und A Nightmare on Elm Street ein, widmet sich aber auch intensiv kleinen, eher unbeachtet gebliebenen oder zur Zeit ihrer Veröffentlichung falsch vermarkteten oder vom Publikum missverstandenen Perlen des Genres, wie Motel Hell, Return to Horror High oder April Fool's Day.

Glücklicherweise blickt Rockoff über den Tellerrand des Slashergenres hinaus und referiert auch über das europäische Horrorkino. Sein Augenmerk liegt dabei auf dem italienischen Giallo und insbesondere Argentos Filmen, die nach seiner Überzeugung starken Einfluss auf die amerikanischen Slasher hatten. Aber was man schmerzlich vermisst, ist ein roter Faden, der die Informationen zu den einzelnen Filmen miteinander verbindet. Eine These wäre wünschenswert, die diese willkürlich erscheinende Zusammenstellung in ihrer Struktur rechtfertigt. Denn so erschließt sich dem geneigten Leser die Reihenfolge der besprochenen Filme nicht wirklich. Auch der Bezug zu den reißerisch klingenden Kapitelüberschriften (z. B. Chapter 7: Campus Killers, Slashing for Laughs and One Human Brain) leuchtet nicht immer ein, wenn die Art der Besprechung stets folgendermaßen aussieht: Produktionskosten, Entstehung, Handlung, Kritiker- und Publikumserfolg, Einspielergebnisse. Das wirkt bedauerlicherweise ermüdend, weil es oft an einer kritischen Deutung der Filme mangelt.

Wie der Untertitel, "Rise and Fall of the Slasher Film, 1978-1986", bereits verrät, setzt Rockoff das Ende der Slasherära Mitte der 80er Jahre an. Die Studios wollten die kommerzielle Kuh bis auf den letzten Tropfen melken und verwendeten dafür die ewig gleiche Formel, was das Zielpublikum zunehmend langweilte. Obendrein wurden Filme, die dem Genre einen neuen Twist geben wollten, falsch vermarktet (Paradebeispiel: April Fool's Day). Das verwirrte die Zuschauer und half dem Genre nicht weiter. Nur die großen Reihen zogen noch mächtig Kapital aus der Slasherformel.

Anfang der 90er Jahre war dann endgültig Schluss mit den Slashern der ersten Generation. Erst Weihnachten 1996 belebte Scream das Genre neu. Eine derartig postmoderne Selbstreflexion kannte das Genre bis dato nicht. Der massive Erfolg von Scream löste nun die zweite Generation der Slasher aus, die Rockoff im letzten Kapitel „The Resurgence“ ebenfalls nach dem geschilderten Muster vorstellt.

Insgesamt handelt es sich bei Going to Pieces um ein bedingt lesenswertes Filmbuch. Jenseits des ersten Kapitels ist es nur für Hardcorefans des Genres oder als Nachschlagewerk geeignet. Deshalb würde ich aufgrund des immens hohen Anschaffungspreises (ca. 30-40 Euro) vom Kauf abraten und empfehlen, auf den Film zu warten. Bleibt zu hoffen, dass die Verfilmung es überhaupt in die Kinos schaffen wird - zumindest wie The American Nightmare vor fünf Jahren ins Forum der Berlinale und zu den Fantasy Filmfest Nights. Die US-DVD ist indessen für den 20. März 2007 angekündigt.

Link zum Thema: Interview mit Adam Rockoff

Donnerstag, Dezember 07, 2006

Deutschland. Ein Winterschnarchen.


Heute nur eine Zwischennotiz zum gestrigen Nikolaus-TV-Highlight Deutschland. Ein Sommermärchen. Um einen Bogen zu meinem letzten Blog-Thema zu schlagen: Ohne Bier wäre diese Dokumentation (diese Genrebezeichnung passt eigentlich gar nicht) kaum auszuhalten gewesen. Ich empfand das Abgefilme von letztlich banalen Kabinen- und Trainingslagersituationen auf die Dauer als lächerlich. Es war natürlich nicht Wortmanns Ansatz, eine echte Dokumentation zu drehen - er enthält sich ja jedweden Kommentars. Das lässt die ganze Geschichte aber leider gähnend langweilig werden. In meinen Augen wäre es besser gewesen, er hätte nicht in die Kabine gedurft, denn jetzt wissen wir, dass es dort auch nicht anders zugeht als bei Regionalligisten. Somit hat uns das Sommermärchen einer Illusion beraubt.

Gelungen waren die leisen Momente vor dem Spiel: Das Zurechtlegen der Schuhe, die Angespanntheit in den Gängen etc. Das hatte etwas Filmisches. Die überbürokratisierte FIFA-Konferenz war auch ein netter Zwischengag. Aber der Großteil der Interviews war einfach öde. Klinsmanns Kritik an der deutschen Jammer-Mentalität sprach mir hingegen aus der Seele. Und doch fühle ich mich befleißigt, jetzt nichts anderes zu tun und über diesen mäßig unterhaltsamen WM-Brei zu klagen.

Der Soundtrack (halb American Beauty halb schmalziges Xavier Naidoo Gesäusel) ist sicherlich Geschmackssache. Für weibliche Teenager bestimmt richtig, mein Geschmack war das zumindest nicht. WM-Atmosphäre? Fehlanzeige. Vielleicht funktionierte der Film im Kino mit trikottragenden, deutschlandfahnenbemalten, singenden Fans besser. Bei mir wollte sich das Sommerfeeling trotz "tropischer" Wintertemperaturen jedenfalls nicht einstellen. Schade.

Samstag, Dezember 02, 2006

Auf die Plätze...fertig...SAUFT!


Ich gestehe: Ich liebe gutes Bier. Ich bin auch ein Deutscher. Eigentlich dürfte mir Beerfest deshalb nicht gefallen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Ich habe vor Lachen beinahe mein Bier verschüttet. Nach den strengen Regeln des Beerfest-Wettkampfs hätte mich dies sofort disqualifiziert. Ich gestehe ferner: Ich bin bei weitem nicht trinkfest genug, um an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen.

Wovon handelt Beerfest? Zwei junge Amis müssen die Asche ihres verstorbenen Opas (Donald Sutherland in einem trinkfreudigen Kurzauftritt) nach München bringen, wie es die Familientradition von ihnen verlangt. Dort werden sie, nachdem sie ein Bierzelt des Oktoberfests zum Einsturz gebracht haben, zu einem geheimen Trinkfestwettkampf, dem BEERFEST, gebracht. Da säuft gerade das deutsche Team (eine bayerische Brauereifamilie) die Iren im Finale unter den Tisch. Es stellt sich heraus, dass Opa Sutherland seinerzeit das Rezept fürs angeblich beste Bier der Welt von der Gewinnerfamilie gestohlen hat und damit in die USA geflüchtet ist. Die Enkel müssen nun dafür büßen: Sie werden kurz aber schmerzvoll von den Supersäufern (unter ihnen Ralf Möller) abgefüllt. Zurück in den USA stellen sie ein Team zusammen, das im nächsten Jahr den Titel gewinnen soll: Ein fettleibiger Schluckakrobat, ein jüdischer Doktorand mit einem Groll auf Deutsche und ein Stricher, der betrunken zur Höchstform aufläuft, sollen die deutschen Champions um ihren Trainer und Vater Baron Wolfgang von Wolfhausen (Jürgen Prochnow) entthronen.

Beerfest ist das Produkt der Comedytruppe Broken Lizard (Super Troopers), deren Spezialität pubertärer Pennälerhumor ist. Doch jenseits dessen bedient sich Beerfest geschickt der Ästhetik amerikanischer Sportfilme (das Genre, in dem Ralf Möller in Hollywood Fuß fasste) oder zitiert in der Rekrutierungssequenz augenzwinkernd Kurosawas Sieben Samurai. Als das Team Germany für eine Stippvisite in die USA kommt, geschieht das nur deshalb per U-Boot, damit Jürgen Prochnow selbstironische Bemerkungen von sich geben kann. "Das Boot" (gesprochen: "das buut") ist schließlich auch Höhepunkt des Kampftrinkerwettbewerbs. Das Stiefeltrinken ist mir nur aus den Bauden diverser Sportvereine bekannt, insofern stammt diese Disziplin vielleicht tatsächlich aus der deutschen Sportvereinskultur (wäre nachprüfenswert).

Schon das Training der Jungs ist aberwitzig, lässt einen freudig zum Bierkrug greifen und fröhlich mitschlucken: Als sie beispielsweise erfahren, dass die Deutschen in Höhenluft trainieren, marschieren sie schnurstracks mit Liegestuhl aufs nächste Flachdach und lassen sich volllaufen. Ich weiß, das ist nicht jedermanns Humor - will es auch nicht sein - aber ich fand's witzisch. Nicht jeder derbdumme Fäkalwitz zündet, wie beispielsweise das peinliche Rumgefinger der Huren-Oma an einer Bockwurst ("I sleep better with a little sausage in me"). Insgesamt funktioniert die nahtlose Aneinanderreihung obszöner Scherze jedoch überraschend gut.

Eine der Wettkampfdisziplinen: Eigenartige Mesalliance aus klassischem Tischtennis und einer Mengensaufaufgabe.


Klar werden hier Klischees bedient. Das ist die Quelle, aus der Beerfest seinen Humor schöpft. Der Film macht sich aber nicht auf Kosten einer einzelnen Minderheit lustig. Nein, er macht sich über alle lustig: Deutsche, Amis, Engländer, Juden, Schwarze. Genau das zeichnet die brachialen "Gross-out-Comedies" aus. Die für dieses Genre typischen Tabus Sex, Tod, Rassismus und Drogen werden in ihren verschiedenen Spielarten gezielt attackiert. Und wenn in Beerfest das Deutschlandbild ebenso differenziert gezeichnet wird wie zuletzt in der 80er Jahre Klamotte European Vacation mit Chevy Chase, dann gehört das zur Strategie dieser Sorte Film und sollte keinen vernünftig denkenden Deutschen in seinem Nationalstolz kränken (einige Kritiker haben das offenbar nicht begriffen).

Das Bemerkenswerte an Beerfest ist nun allerdings, dass diese strategische Vorgehensweise fast nie angestrengt wirkt. Ein Grund, warum ich American Pie und Scary Movie mitsamt ihren etlichen Ablegern (soweit gesehen) nicht ausstehen kann. Diese Filme dünsten in jeder Szene das fäkaliengetränkte Kalkül ihrer Macher aus. Die letzte Gross-out-Comedy, die mir ähnlich viel Spaß wie Beerfest bereitete, war Kevin Smiths Jay and Silent Bob Strike Back. Und das liegt fünf Jahre zurück.

Beerfest zeigt auch, dass die Amis in Sachen Bierkultur einiges nachzuholen haben und an einen deutschen Trinkerfilm wie Herr Lehmann bei weitem nicht heranreichen. Carsten Tritt geht auf diesen Aspekt in seiner sehr lesenswerten Kritik ausführlich ein.

Pflichtübung: Das Gruppenschnellsaufen. Kein Tropfen darf daneben gehen. Um zu schnelle Trunkenheit bei den Dreharbeiten zu vermeiden, wurde bei einigen dieser Szenen CGI-Bier verwendet, dessen Konsistenz und Farbe einem das Fürchten lehrt.

Angeblich soll die deutsche Synchronisation grausig und sinnentstellend sein. Im Englischen macht der Film schon deshalb Spaß, weil man einige der "Deutschen" schnell als nicht-Muttersprachler erkennt.

Sicherlich ist Beerfest kein großes Kino, kein Meilenstein der Filmgeschichte. Beerfest ist ein Partyfilm und wohl am besten in Sneakvorführungen mit pubertärem Publikum, das des Englischen mächtig ist, aufgehoben. Im Genre gnadenlosen Vulgärhumors gehört Beerfest jedoch eindeutig in den überschaubar kleinen Kreis der Besten.

Mittwoch, November 29, 2006

Filmtipp: An Inconvenient Truth


Al Gores Film zum Thema Klimawandel ist vor wenigen Tagen auf DVD (Region 1) erschienen. Schrieb ich in meinem Jahresrückblick, We feed the World sei der wichtigste Film des Jahres und sollte von jedem europäischen Nahrungskonsumenten gesehen werden, muss ich nun hinzufügen: An Inconvenient Truth ist mindestens ebenso wichtig und sollte von jedem Erdbewohner, der geistig dazu in der Lage ist, geschaut werden!

An Inconvenient Truth (Eine unbequeme Wahrheit) zeigt Gore die meiste Zeit bei einem rhetorisch geschliffenen und medial exzellent aufbereiteten Vortrag vor Publikum. Er reist seit einigen Jahren durch die Welt, um mit diesem Vortrag, von dem er sagt, er habe ihn mittlerweile über tausend Mal gehalten, die Menschen aus ihrer Lethargie zu reißen. An einer Stelle im Film findet er ein hübsches Bild, um zu verdeutlichen, warum viele Menschen der globalen Erwärmung so teilnahmslos gegenüberstehen: Ein animierter Frosch springt in einen Topf mit kochendem Wasser, hüpft aber wegen der Hitze sofort wieder heraus. Nun springt er in ein Gefäß mit lauwarmem Wasser. Der Frosch fühlt sich wohl. Dann wird das Wasser langsam erhitzt. Doch der Frosch rührt sich nicht, selbst als die Temperatur kritische Werte erreicht. Er muss gerettet werden. - Wie der Frosch, so brauchen auch viele Menschen einen heftigen Schlag, der sie aufweckt, meint Gore. Und genau das soll An Inconvenient Truth sein: Ein Wachrütteln.

Das meiste, was uns Al Gore über den Klimawandel berichtet, ist nämlich nicht neu. Man hat das zum Großteil schon gehört. Vielleicht nicht so ausführlich, aber im Großen und Ganzen gibt es wenig Überraschendes in dieser Doku zu erfahren. Doch gerade das macht den Film auch gruselig, weil einem die Konsequenzen dieser Umweltinformationen in ihren erschreckenden Details aufgetischt werden. Dass man die Fakten so geballt um die Ohren geschlagen bekommt, lässt die ganze Angelegenheit sehr effektiv werden. Ich hatte streckenweise das Gefühl, es handele sich um einen absolut aussichtslosen Kampf und die Welt sei bereits verloren.

Die Geschwindigkeit, mit der sich die globale Erwärmung vollzieht, war mir allerdings neu. Bis 2002 gingen Wissenschaftler noch davon aus, dass beispielsweise das gigantische Larsen-Schelf selbst unter Berücksichtigung der globalen Erwärmung noch hundert Jahre Teil der Antarktis bleiben würde. Dann brach dieses Schelf in der Größe von Luxemburg vom Kontinent ab und schmolz innerhalb von 35 Tagen (31.01.2002-05.03.2002). Unfassbar, wenn man die Satellitenaufnahmen sieht. Die Wissenschaftler grübelten damals einige Zeit, was sie übersehen hatten.

Beängstigende Wahrheit: Der rasante Anstieg von CO2 in der Atmosphäre.

Regie führte übrigens ein Mann, der sich zuvor vor allem durch Fernsehserien einen Namen gemacht hat: Davis Guggenheim stand zum Beispiel bei 24, Deadwood oder Alias hinter der Kamera. Guggenheim lockert den Film etwas auf, indem er Al Gore auch als Privatmenschen vorstellt - der Vortrag wird immer wieder durch Szenen unterbrochen, in denen wir etwas über Gores Kindheit, sein Studium und seine politische Karriere erfahren. Umweltschutz und insbesondere die CO2-Emissionen, so erfahren wir, befassen Gore seit seinen Studientagen.

An Inconvenient Truth ist zusammen mit 14 anderen Dokus in die engere Auswahl für die Oscars genommen worden. Da erfahrungsgemäß mehr Menschen einen Oscarfilm sehen, wäre ihm ein Erfolg zu wünschen.

Empfehlenswerter Link:

http://www.climatecrisis.net/

Samstag, November 25, 2006

Filmwarnung: Tal der Wölfe

Erinnert sich noch jemand an das öffentliche Geschrei um "Tal der Wölfe" Anfang des Jahres? Jetzt ist der Film auf DVD erschienen. Man kann also nun überprüfen, was man damals Spektakuläres verpasst hat, falls man ihn wie ich zu Kinozeiten ignorierte, durch den Hype aber neugierig wurde. Hier meine Empfehlung: Lieber das Geld sparen oder sich einen anderen Film (z. B. Caché oder Das Leben der Anderen) ausleihen!

Ich will mir gar nicht die Mühe machen, Tal der Wölfe systematisch auseinanderzunehmen. Meine Zeit ist mir zu schade, um sie damit zu verschwenden. Kurz gemacht: Ein politisch aufgeladenes aber ziemlich löchriges Drehbuch, das von den (durchweg miesen) Schauspielern entweder die ganze Bandbreite an Heldenposen oder extreme Bösartigkeit abverlangt. Viel Pathos, eine Art Nathan der Weise Figur mittendrin, zwischendurch splatterige B-Movie Action. Besonders ärgerlich empfand ich den Gegensatz zwischen der von der Thematik eingeforderten Realitätsnähe einerseits und der Unglaubwürdigkeit der Handlung andererseits. Das fängt bei so etwas Banalem wie dem Aussehen der amerikanischen Soldaten im Irak an: Die tragen fast durch die Bank ausgefallene Irokesen-Frisuren, die im Militär undenkbar wären.

Egal. Am Ende siegt das Gute über das Böse und ich war glücklich, als der Film vorüber war.

All der Terz vor einigen Monaten wegen dieser harmlosen kleinen Zelluloidgurke war völlig ungerechtfertigt. Jeder, der ein paar graue Zellen zwischen den Ohren sein Eigen nennt, wird Tal der Wölfe als das erkennen, was es ist: Trashige B-Movie-Unterhaltung mit zu hohem Budget. Reine Zeitverschwendung.

Freitag, November 24, 2006

OT: "Killerspiele"


Vorab: Ich bin kein großer Spieler, habe keine Playstation, keinen Gamecube und kein einziges Spiel auf meinem PC installiert. Lediglich dem Online-Fußballmanager-Spiel hattrick widme ich regelmäßig etwas Zeit.

Dennoch regt mich diese hysterisch geführte Diskussion zum Thema "Killerspiele" wahnsinnig auf. Statt sich mit der Tat und dem Umfeld des 18-Jährigen Emsdettener auseinanderzusetzen, fordern Politiker ein Verbot von gewaltverherrlichenden Computerspielen. Das ist nicht nur wegen des nicht nachgewiesenen ursächlichen Zusammenhangs zwischen virtueller Gewalt und realer Gewalt hirnrissig, es führt auch auf ernüchternde Weise die Unfähigkeit von Politik und überwiegender Mehrheit der Medien vor, sich den eigentlichen Problemen zu stellen. Menschliche Verwahrlosung durch mangelnde Schulbetreuung und Ahnungslosigkeit der Eltern wäre beispielsweise ein Themenfeld, über das in diesem Zusammenhang viel zu wenig diskutiert wird. - Politiker sollten lieber ihre Wahlversprechen halten und Gelder für Schulen und Nachmittagsbetreuung locker machen, als so zu tun, als ob ein Verbot von "Killerspielen" den nächsten Amoklauf verhindern könnte.

Sicherlich sollten die bluttriefenden Spiele kontrolliert und Jugendlichen schwer zugänglich gemacht werden. Auch die Spieleindustrie trägt eine moralische Verantwortung, der sie nur ungenügend nachkommt. Meinetwegen sollten besonders "menschenverachtende" Ballerorgien verboten werden. So wird es wenigstens etwas schwieriger für Interessenten, an die Spiele heranzukommen. Aber wie die Täterprofile der Knaben aus Littleton, Erfurt und Emsdetten zeigen: Sie waren nicht dumm. Sie haben ihre Taten strategisch geplant und kaltblütig ausgeführt. Zu glauben, dass sich diese Jungs die Spiele nicht auf anderem Weg hätten besorgen können, ist nicht nur naiv, sondern töricht.

Nein, "Killerspiele" sind nicht das Problem. Und diese Diskussion ist eine wahre Zumutung, weil die Politik durch sie die Illusion erzeugt, als habe sie Möglichkeiten der Prävention für solche Gewaltakte parat. Aber diese Form der Medienbeschimpfung hat eine lange Tradition: Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde Goethes "Die Leiden des jungen Werthers" für eine zunehmende Selbstmordrate verantwortlich gemacht. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts empörte man sich oft über den Horrorfilm, weil man bestimmte Tötungsmuster, die man aus Filmen kannte, bei realen Mordfällen wiederzuerkennen glaubte. Nun echauffiert man sich eben über die sogenannten "Killerspiele". Es wäre falsch, einen Einfluss der Medien auf den Rezipienten zu leugnen. Sie deshalb für reale Gewalttaten direkt verantwortlich zu machen, ist jedoch ebenso falsch. Im Slasherfilm Scream bringt ein Schüler, der sich später als psychopathischer Killer entpuppt, den Zusammenhang zwischen Mediengewalt und realer Gewalt treffend auf den Punkt, wenn er sagt: "Movies don’t create psychos. Movies make psychos more creative." Mit anderen Worten: Ein Psychopath ist ein Psychopath, ob er Counter Strike zockt oder nicht.

Empfehlenswerter Text zum Thema Amoklauf, der die richtigen Fragen stellt:
Walter Hollstein (Professor für Geschlechter- und Generationenforschung an der Uni Bremen). Mensch Mann. Tagesspiegel vom 26.11.2006.

Mittwoch, November 22, 2006

2006: Ein Jahresrückblick

Ein Jahresrückblick schon jetzt? Ja! Einer muss ja der erste sein. Und auch wenn ich den neuen Bond noch nicht gesehen habe, würde dieser Kinobesuch am Gesamtbild nichts mehr verändern. 2006 war ein seltsamer Jahrgang. So lange ich zurückdenken kann, habe ich noch nie folgendes geäußert: Die besten Filme des Jahres kamen aus Deutschland, waren deutschsprachig oder aus Europa.

Hollywood hat 2006 versagt. Keiner ihrer Blockbuster überraschte: Da Vinci Code, Superman Returns, M:i-III, X3, Pirates 2 - alles Stangenware. Nichts neues. Größtenteils lieblos heruntergekurbelte Crowdpleaser. Bunt, laut, geschmacksneutral, leicht verdaulich und ohne Langzeiteffekt. Hollywoods Mainstreamfilme waren noch nie so langweilig. Löbliche Ausnahme: Miami Vice. Aber auch Michael Mann war schon mal besser - dennoch für mich der eindeutig beste Big Budget Mainstreamfilm 2006.

Parallel dazu liefen die anspruchsvollen Oscarfilme. Aber auch hier hat mich dieses Jahr nichts überzeugt. Zum Beispiel Brokeback Mountain: Sicherlich ein wichtiges Thema, von Ang Lee stilsicher inszeniert. Aber im Gegensatz zu Lees frühen Filmen wollte Brokeback Mountain bei mir emotional nicht zünden. Die Liebe zwischen den zwei Cowboys ging mir nicht nahe und so empfand ich ihn in seiner moralischen Zuspitzung als zu didaktisch kalkuliert.

Ähnliches gilt für Syriana und Good Night and Good Luck. Auch hier wollten die Macher ihren erzieherischen Anspruch nicht verschleiern. Good Night and Good Luck kam bei der Presse natürlich gut an - wann wird schon mal die Bedeutung der eigenen Branche so sehr thematisiert? Sicherlich kein schlechter Film, aber eben auch nicht herausragend, weil dialoglastig und somit uncineastisch. Capote hat ähnliche Probleme. Durch die Bank großartige Darsteller. Aber der Film ist kalt. Sogar die dystopische Comicverfilmung V for Vendetta verspielte nach großartiger erster Hälfte das Stoffpotenzial durch überlange und prätentiöse Dialoge, die in einem schmalzig-melodramatischen Ende gipfelten.

Gut waren kleine amerikanische Filme: Thank you for Smoking, Art School Confidential (leider nur auf DVD) und Clerks II (noch kein Starttermin) zum Beispiel. Ohne viel Tamtam überzeugten diese drei durch einen anarchischen Biss, den die Hochglanz-Oscarfilme schmerzlich vermissen ließen.

Und dann schaut man ohne darauf vorbereitet zu sein einen Film wie Caché und merkt: Verdammt, es bedarf keines enormen Budgets, keiner tollen Kostüme, keiner CGI-Effekte und keines weltpolitisch aufgeladenen Themas - man muss nur ein wenig die Erzählform variieren und schon wird ein gewöhnlicher Thrillerplot maßlos spannend und subversiv. Michael Hanekes Spiel mit der filmischen Wirklichkeit ist toll und in seiner grundsätzlichen Aussage identisch mit der Brian De Palmas. Nur dass De Palma sie stilistisch anders ausdrückt. Die manipulative Kraft der Bilder zu entlarven, liegt beiden Filmemachern offenbar am Herzen. Die Lüge als Thema verbindet Caché und Black Dahlia: Beide Filme zeigen Figuren, die lügen oder bei denen der Zuschauer nicht sicher sein kann, ob das, was sie sagen, auch wahr ist. Das ist nah am Leben, glaubhaft und (vorsicht Wortspiel!) wahrhaftig.


Größte angenehme Überraschung 2006: Michael Hanekes intelligente Geschichte über eine Familie unter Druck.


The Black Dahlia ist zusammen mit Das Parfum für mich das optisch imposanteste, was 2006 über deutsche Leinwände flimmerte. Und beide Werke sind trotz internationaler Besetzung zumindest teilweise deutsche Filme. Denn deutsches Geld hat sie erst möglich gemacht.

Ein kleiner, beeindruckender und ungemein wichtiger deutschsprachiger Film: We feed the World. Eine Dokumentation, die einen beim nächsten Supermarktbesuch innerlich begleitet. Wo kommen meine Tomaten her? Soll ich wirklich das Putenfleisch zum Tiefpreis kaufen? - Mit wenigen Mitteln und größtenteils nur im Zweierteam gedreht, folgt Erwin Wagenhofer den globalen Verflechtungen der Ernährungsindustrie, ohne das moralisch zu garnieren. Hier liegt die Stärke der Doku und hebt sie von den Michael Moore Filmen aber auch von den beschriebenen Oscarkandidaten ab: Wagenhofer beschränkt sich aufs Zeigen. Man merkt: Er tritt dem Nestlé-Chef mit ebensoviel Respekt entgegen wie dem hungerleidenden Bauern in Südamerika. Für mich der wichtigste Film des Jahres, den sich jeder europäische Nahrungskonsument anschauen sollte.

Es gab 2006 noch eine Reihe weiterer deutscher Filme, die außergewöhnlich waren: Das für unverfilmbar gehaltene Buch Michel Houellebecqs zum Beispiel: Elementarteilchen. Vielleicht kein Meisterwerk aber -wenn man die Vorlage kennt- ein Geniestreich. Röhler hat den Plot stark verdichtet und ihn in passende Bilder verpackt. Punktgenau besetzt, insbesondere im Fall von Moritz Bleibtreu, besticht der Film durch eine eigenartige Mischung aus beißender 68er-Kritik und trockenem Humor.

Knallhart lockte gerade mal 150.000 Besucher in die Kinos. Im Hinblick auf die diesjährigen Schulskandale (Rütli, Pisa, Emsdetten) eine traurig stimmende Bilanz. Zumal Detlev Buck eine beklemmend authentische Atmosphäre kreiert, die Knallhart ehrlich wirken und deshalb aus dem Kino-Einerlei herausragen lässt.

Und noch ein faszinierender deutscher Film: Das Leben der Anderen. 17 Jahre nach der Wende der erste Film über die Machenschaften der Stasi. Informativ, spannend und schauspielerisch weltklasse.

Außerdem außergewöhnlich gut dieses Jahr: Adams Äpfel und Wolf Creek. Das erste eine schwarze Komödie aus Dänemark, das zweite ein fieser Horrorfilm aus Australien, der den Genrekonventionen eine unangenehm realistische Note abgewinnt und der Intention und Stimmung des original Texas Chain Saw Massacre näher kommt, als sämtliche Sequels und Remakes zusammengenommen.

My personal Faves:
Bester Film (insgesamt): The Black Dahlia
Beste Komödie: Clerks II / Adams Äpfel
Bestes Drama: Caché
Bester Horror: Wolf Creek
Beste Action: Miami Vice
Beste Doku: We feed the World

Filme, die ich leider verpasst habe und/oder noch sehen will: A Prairie Home Companion, Borat, Children of Men, Casino Royale, The New World, Der freie Wille, Snakes on a Plane, An Inconvenient Truth, The Departed, Scoop, Requiem, Deutschland - Ein Sommermärchen.

Dienstag, November 21, 2006

Robert Altman (1925 - 2006)


Ein wahrhaft trauriger Tag für das Kino. Einer der ganz großen Regisseure wird uns keinen weiteren Film mehr schenken können: Robert Altman ist am vergangenen Montag im Alter von 81 Jahren in einem Krankenhaus in Los Angeles verstorben.

In Feuilletons, Filmforen und Blogs wie diesem löst der Tod des Altmeisters nun die üblichen Reflexe aus: Seine großen Filme werden aufgezählt, sein Ehrenoscar, den er im März diesen Jahres viel zu spät erhielt, wird genannt, und sein scharfer, zuweilen satirischer Blick auf die US-amerikanische Gesellschaft findet ebenfalls Erwähnung. All dies geschieht völlig zurecht. Jedoch finde ich, man sollte in seinem Gedenken lieber einen oder mehrere seiner Filme schauen, als sein Leben mit vielen Worten zu beschreiben. Denn dort wird man ihm wirklich nahe sein. Auch lange nach dem 20.11.2006.


Empfehlenswerter Link:
Ein Essay über sein filmisches Schaffen bei senses of cinema

Montag, November 20, 2006

The worst of DVD Special Features


Fußballer tun mir manchmal Leid! Da haben sie gerade ein Spiel verloren und schon steht ein Reporter vor ihnen und fuchtelt mit seinem Mikro in ihrem Gesicht herum: "Wie fühlen Sie sich nach dieser Niederlage?" oder "Denken Sie das katastrophale Ergebnis spiegelt den Spielverlauf angemessen wider?" - Was sollen Fußballer in solch einer Situation an Weisheiten von sich geben? Es wird von ihnen erwartet, dass sie in diesem Moment nicht nur mit den Gefühlen des Verlierens professionell umgehen, sondern auch noch, dass sie auf solche dämlichen Fragen einigermaßen intelligent antworten. Das ist hart. Und ich wundere mich immer wieder, warum ein solcher Spielfeldrandreporter nicht öfters mal einen rechten Aufwärtshaken einstecken muss. Dann sage ich mir: Die Spieler, die solche Interviews geben müssen, verdienen in der Regel in einem halben Jahr mehr Geld als ein Otto Normalverbraucher in zehn. Also geht das in Ordnung, auch wenn die Interviews so gut wie nie einen Nährwert haben.

Anders verhält es sich beim Bonusmaterial von DVDs! Wenn ein Verleih seine DVD wegen ihrer "Special Features" bewirbt, dann erwarte ich auch qualitativ hochwertigen Inhalt. Schließlich werden Schauspieler und Crew nicht gezwungen, ihre Sicht auf den Film mit der Welt zu teilen. Und wenn doch (vielleicht weil es im Vertrag steht), dann haben sie wenigstens Zeit, um sich darauf vorzubereiten. Doch wenn man sich anhört, was die Beteiligten da manchmal zusammensäuseln, wünscht man sich hin und wieder einen Fußballer herbei, der dem nicht weniger unterbezahlten Filmmenschen die Kunst des Interviews erklärt.

Es gibt natürlich ganz ausgezeichnete Featurettes auf DVDs. Laurent Bouzereau ist der Meister dieses Fachs. Ihm verdanken wir die informativen Hintergrundberichte auf vielen De Palma und Spielberg DVDs. Und es gibt auch Regisseure, die hervorragende Commentary Tracks sprechen: William Friedkin sollte Fortbildungskurse für diese Sekundärkunst eines Regisseurs anbieten.

Aber dies sind löbliche Ausnahmen. Auf den meisten DVDs befinden sich heutzutage kunterbunt zusammengeschnittene Werbefilmchen, die einen mit Pseudo-Informationen zum Film versorgen. Man fühlt sich nach solchem Trash genau wie nach dem Lesen des Focus: Man weiß, dass man gerade etwas über ein Thema rezipiert hat, aber kurioserweise ist man genauso schlau wie vorher.

Wenn Schauspieler nichts Interessantes zu Rolle oder Film zu sagen haben, findet die Lobeshymnen-Strategie Anwendung: "Es war schon immer ein Traum von mir, mit diesem Regisseur zusammenzuarbeiten. Er ist so warmherzig und einfühlsam. Er lässt Schauspielern einfach den Raum, den sie brauchen, um gut zu arbeiten. Es herrschte überhaupt eine kreative Atmosphäre am Set. Ich wollte auch schon lange mit [Name des Co-Stars] zusammen in einem Film spielen. Wir kannten uns nur von Galas und Partys: Dort haben wir immer tolle Gespräche miteinander geführt. Und als dann dieses Drehbuch kam, war klar, dass das nur mit uns beiden geht..."

Regisseure und Produzenten hingegen quälen einen häufig mit dem endlos langen Weg, den der Stoff hinter sich hatte, bevor tatsächlich mit dem Drehen begonnen werden konnte. Als ob es von Relevanz ist, was damals hätte passieren können, wenn nicht dieser oder jener Produzent im richtigen Moment den richtigen Riecher gehabt hätte oder sonstwer 2 Millionen Eigenkapital vorgeschossen hätte, die für die Realisierung des Films so lebenswichtig waren.

Auf Commentary Tracks gibt es nichts schlimmeres als permanente Anekdoten, die nur indirekt oder gar nichts mit dem Film zu tun haben (hier bilden die CTs von Kevin Smith eine erwähnenswerte und sehr unterhaltsame Ausnahme!). Wenn den Sprechern nichts besseres zum Film einfällt, als uns über die Qualität des Mittagessens der Cateringfirma aufzuklären, dann handelt es sich um einen CT, der wertvolle Megabytes beansprucht, die eigentlich für eine höhere Bitrate der Videoqualität hätten Verwendung finden sollen.

In den vergangenen Jahren hat die Qualität der Special Features sukzessive abgenommen. Wenn man sich nicht gerade eine Criterion DVD kauft, sollte man vorher im Internet genau nachlesen, ob sich der Zeitaufwand für die Zusatzmaterialien auch lohnt. Zu Beginn des DVD-Zeitalters war das noch besser geregelt: Dort erschienen entweder Barebones-DVDs oder Special Editions. Heute gibt es scheinbar nur noch letztere. Sie heißen Collector's-, Gold- oder Special Limited Edition und bieten dann doch oftmals nur den Film plus Werbung für eben jenen Film. Eine traurige Entwicklung. Ich hoffe allerdings, dass mit dem Aufkommen von HD DVD und Blu-ray Discs die Bonusfeatures der DVD wieder an Bedeutung gewinnen werden. Wenn diese Home-Entertainment-Medien in Zukunft parallel existieren wollen, muss sich ihr Angebot unterscheiden. Die DVD kann in punkto Bildqualität nicht mit den neuen Formaten mithalten, also sollte sie sich auf ihre alten Stärken besinnen, die die neuen Speichermedien vielleicht nicht erfüllen wollen: Qualitativ hochwertiges Bonusmaterial.

Mittwoch, November 15, 2006

Folter im Film


Vor kurzem habe ich mir die Hostel-DVD zugelegt. Anlass genug, um ein Post über ein Thema zu verfassen, das mir schon seit einiger Zeit durch den Kopf schwirrt: Folter im Film. Im Folgenden will ich eine kurze Skizze zu diesem Thema entwerfen, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

In den vergangenen Jahren wurde in Filmen so viel gefoltert wie noch nie. Das beschränkt sich keineswegs auf das Horrorgenre, findet dort aber den stärksten Ausdruck. In Mel Gibsons The Passion of the Christ wird Jesus in einem zweistündigen Martyrium, wie es ein Freund von mir zynisch ausdrückte: "zur Blutwurst verarbeitet". Schon das Ende von Braveheart oder einige Szenen in Mad Max, Payback und Lethal Weapon ließen Gibsons Vorliebe für eine "Erlösungsfolter" offenkundig werden: Der reine Held wird von seinen Widerstreitern heftig gefoltert, um sie in der Regel anschließend als nicht weniger brutaler Racheengel mit dem Tod zu bestrafen.

Der Held stirbt durch die Hand des Folterknechts und wird zum Märtyrer: FREEEEDOOOM.

Nun will ich Mel Gibson seinen Hang für solch folterfröhliche Erlöserrollen nicht vorwerfen. Denn in der westlichen Welt ist die Folter historisch wohl am stärksten an die christliche Kirche gebunden. Eine Religion, deren zentrales Symbol ein altertümliches Hinrichtungsinstrument ist, auf dem sich der gefolterte Leib Jesu befindet, hat seine Spuren im Denken der Menschen sicherlich hinterlassen. In diesem Zusammenhang wundert mich allerdings des Öfteren die Scheinheiligkeit einiger Geistlicher, die sich erst über die Brutalität von Filmen und Computerspielen aufregen, anschließend in die nächste Kathedrale rennen, um die symbolische Bedeutung eben jener brutalen Folterszene zu verehren. Aber das ist ein weites Feld und führt vom eigentlichen Thema ab.

Die Kirche legitimierte mit der Gründung der Inquisition die Folter, was zwar äußerst unangenehm für unzählige vermeintliche Ketzer und Hexen endete, andererseits Literatur, Theater, Malerei und Film mit ordentlich Stoff versorgte. Von Potocki (Handschrift von Saragossa) über Poe (Die Grube und das Pendel) und Kafka (In der Strafkolonie) bis Eco (Der Name der Rose) wirkten die Taten der Inquisition literarisch stimulierend.

Martyrium der Heiligen Agathe von Sebastiano del Piombo:
Von der Kirche sanktionierte, lustvolle Darstellung von Folter.

Die barocken Wandertruppen folterten in vielen ihrer Aufführungen sogar schon unter Zuhilfenahme komplizierter Tricks. Ein großer Publikumsliebling war Shakespeares blutigste Tragödie Titus Andronicus in einer bearbeiteten Fassung. Knapp 300 Jahre später öffnete das Grand Guignol Theater in Paris seine Pforten. In den dort aufgeführten kurzen Stücken wurde ebenfalls heftig gefoltert.

Machen wir einen weiten Sprung in die 70er Jahre und begeben uns in einen fensterlosen Raum mit Dustin Hoffman und Laurence Olivier: Die Zahnarzt-Verhörszene in Marathon Man, in der Olivier Hoffman mit seinem Zahnarztbohrer foltert, um an Informationen zu gelangen, dauerte in der ursprünglichen Fassung angeblich knapp acht Minuten. Doch in diversen Previews stand das Publikum bei dieser Szene geschlossen auf und verließ das Kino. Schlesinger kürzte die Szene mehrfach, doch ohne Erfolg: Die Zuschauer verließen stets den Saal. In der Kinofassung war schließlich nur noch zu sehen, wie Olivier den Bohrer einschaltet und noch bevor dieser Hofmanns Zähne berührt, schneidet der Film zurück auf Olivier, wie er den Raum verlässt und erklärt, Hoffman habe nichts gewusst. Ob ein heutiges Mainstream-Publikum immer noch so reagieren würde? Ich vermute schon, denn im Gegensatz zu den Folterszenen in einem Horrorfilm wie Saw zeigt Marathon Man eine für jeden Zahnarztbesucher nachvollziehbare Form der Folter. Das Anlaufen gegen einen Stacheldrahtzaun in Adamskostüm (Saw) zählt wohl nur selten zum persönlichen Erfahrungsschatz des gewöhnlichen Kinobesuchers. Michael Hanekes Funny Games, von dem er gerade ein US-Remake dreht, kommt einer solchen Marathon-Man-Realität wohl noch am Nähesten.

Wolf Creek: Die Leere des Raumes als Folterinstrument.

In den 70er Jahren drehte der Spanier Jesus Franco einige Folterfilme (z. B. Frauengefängnis). Diese waren offenbar in erster Linie dazu gedacht, die männlichen Zuschauer auf S&M Ebene zu erregen. Große Geschichten erzählten die Streifen jedenfalls nicht einmal, wenn sich Franco einen bedeutenden Stoff wie Jack the Ripper vornahm und dafür Schauspieler wie Klaus Kinski rekrutierte. Als Exploitation-Trash können sie dennoch gut unterhalten.

Zurück zu Hostel: Auch wenn ich einiges an Eli Roths zweitem Film zu kritisieren habe, auf das ich hier nicht eingehen möchte, so halte ich Hostel doch für einen der ehrlichsten Horrorfilme vergangener Jahre. Denn während mir der Plot in Roths überschätztem Cabin Fever zu fantastisch ist, um nachhaltig zu schockieren, betritt Hostel in der zweiten Hälfte ein Terrain, bei dem man sich fragt, ob es solche Folterverliese vielleicht wirklich gibt. Die Genauigkeit, mit der die Funktionsweise der vermodernden Fabrikhalle vorgeführt wird, trägt maßgeblich dazu bei, dem Geschehen Glaubwürdigkeit einzuhauchen. Wie Roth bei der diesjährigen Berliner Fantasy Filmfestnacht sagte, habe er bewusst weltpolitische Geschehnisse wie die Exekutionen US-amerikanischer Soldaten durch extremistische Iraker oder Abu Ghraibs Folterbilder als Anregungen in seinen Film einfließen lassen wollen: Der Gedanke, dass es irgendwo einen Raum gebe, aus dem man mit all dem Geld der Welt der Folter und dem Tod nicht entkommen könne, sei die beängstigende Grundidee gewesen, die ihn fasziniert habe. Und ist nicht genau das "horror at its best"? Wenn Ängste, die politischen Ursprungs sind, aufgegriffen und in Bilder verpackt werden? Ich finde nicht einmal, dass Roth diese Zusammenhänge platt rüberbringt - man vergleiche Joe Dantes Masters of Horror Episode Homecoming, in der tote US-amerikanische Soldaten als Zombies zur Wahlurne torkeln. Bei Dante wird einem die politische Message mit dem Dampfhammer eingebläut. Roth enthält sich eines Kommentars und beschränkt sich auf das Zeigen. Der Zuschauer erkennt die Bilder wieder und weiß sie ohne explizite Erklärung in den politischen Zusammenhang zu setzen.

Es ist gegenwärtig unmöglich, an das Folterthema unpolitisch heranzugehen. Die meisten erfolgreichen US-Serien sparen nicht mit Folterbildern. Bei 24 ist das Foltern schon zum Running Gag verkommen: Im Laufe einer Staffel sitzt bestimmt jeder Darsteller irgendwann einmal auf dem Folterstuhl. Als Jack Bauer in der zweiten Staffel wiederholt muslimische Fundamentalisten foltert, wurde FOX (sicherlich nicht ganz zu unrecht) Folter-Propaganda vorgeworfen - Folter sollte als legitimes Mittel erscheinen, wenn die Umstände es "rechtfertigen". Es seien ja schließlich die Bösen, die dem Folterknecht überantwortet werden. Nicht ganz: Hin und wieder weiß der Betroffene tatsächlich nichts, oder Jack Bauer wird selbst zum Opfer der Folter.

In Lost ist Sayid der Folterfachmann vom Dienst. So erfuhren wir Mitte der ersten Staffel, dass dieses freundliche Kerlchen aus Nahost vom irakischen Militär ausgebildet worden ist und eine dunkle Seite hat. Wie in 24 rutschen auch in Lost eine ganze Reihe von Figuren über die Folterbank - Sawyer wird von Sayid gefoltert, Sayid wird von der Französin gefoltert, die Anderen foltern einige der Überlebenden usw.


Folter scheint alle Kulturen miteinander zu verbinden. Den asiatischen Bondage-Folter-Fetisch will ich nur erwähnt wissen - jedenfalls sind die Filmemacher des Ostens derzeit auch fleißig am Foltern. Takashi Miike hat nicht nur einen Gastauftritt in Hostel, er ist auch selbst als Filmemacher fasziniert von der Folterkunst. Das Bild unter der Überschrift dieses Posts stammt aus seiner Masters of Horrors Episode Imprint, die als einzige Folge der ersten Staffel nicht im US-Pay-TV-Kanal ausgestrahlt worden ist. Der Koreaner Chan-wook Park thematisiert in seiner Rachetrilogie ebenfalls wiederholt die Folter: Im Abschlussfilm Sympathy for Lady Vengeance stellt eine lange Foltersequenz sogar den Schlüssel zum Verständnis der Handlung dar.

Sollte man die Zunahme an Folter im Film moralisch bewerten? Ich bin zwiegespalten: Einerseits bin ich von der großen Anzahl an Folterszenen im TV wenig begeistert, andererseits weiß ich es zu schätzen, dass Horrorfilme gesellschaftliche Missstände aufzeigen. Bei den TV-Serien ist es die Mischung aus Kommerzialität, Propaganda und Political Correctness, die mir nicht behagt.

Auch der neue Bondfilm Casino Royale, der nächste Woche in die Kinos kommen wird, hat im Vorfeld für Aufsehen gesorgt, weil eine Folterszene angeblich zu gewaltvoll sei. Warten wir's ab, eine "haste nich jesehen DVD Edition" wurde damit indirekt angekündigt.

Links zum Thema:

Etwas Makaberes: Eine Top 10 Liste von Filmfolterszenen
Etwas Bildendes: Folter bei Wikepedia
Etwas Schockierendes: The Abu Ghraib Files
Etwas Feuilletonistisches: Kaputte Körper - Foltergewalt im Film