Die Raffinesse, mit der ein Raub durchgeführt wird, fasziniert Zuschauer immer wieder. Wie der Zufall es wollte, habe ich in den vergangenen Wochen mehrere exzellente Heist-Filme gesehen. Warum sich also nicht einmal Gedanken darüber machen, welches die besten Raubszenen sind?
Die englische Wikipedia weist darauf hin, dass ein Heist-Film (auch als 'caper movie' bekannt) normalerweise aus drei genretypischen Akten besteht. Diese Aktstruktur fällt bei dieser Filmgattung besonders deutlich auf, weil sie logischerweise eng mit dem Raub verknüpft ist:
1. Akt: Planung des Raubs
2. Akt: Durchführung des Raubs
3. Akt: Zerwürfnis der Diebe durch innere und/oder äußere Einflüsse
Quentin Tarantinos Debütfilm Reservoir Dogs ist ein Sonderfall und konzentriert sich auf den dritten Akt, macht daraus einen eigenständigen Film. Ein bemerkenswerter Bestandteil, der manchmal nah am Fantastischen liegt, ist das Gerät, mit dessen Hilfe der Einbruch durchgeführt wird. Wer über solch teures Spezialwerkzeug verfügt und das Wissen besitzt, es gekonnt zum Einsatz zu bringen, müsste im normalen Leben keine Einbrüche durchführen - so schießt es mir dabei immer durch den Kopf.
James Belushi und James Caan bei der Vorbereitung des speziellen Schweißbrenners in Michael Manns Thief. Gigantischer Phallus oder ist die Zigarre hier nur eine Zigarre? Hochintelligente Männer wie Neil McCauley (Robert De Niro) in
Heat oder Luther Whitney (Clint Eastwood) in
Absolute Power wären nicht wirklich angewiesen auf ein Leben in der Illegalität. Hier bedienen sich die Drehbuchautoren dann irgendeines Kunstgriffs, der diesen Widerspruch erklärt. Sei es der Adrenalinkick, die dringende Finanznot oder eine Robin-Hood-Mentalität. Bei einem versoffenen, notgeilen Faulpelz wie Willie (Billy Bob Thornton) in
Bad Santa erscheint mir der Drang zum Einbrechen schon nachvollziehbarer.
Dass ein Einbruch auch seine lustigen Seiten hat, ist spätestens seit Peter Collinsons
The Italian Job klar. Fester Bestandteil regelmäßiger Film-Produktionen wird das Comedy-Caper-Movie wohl auch in Zukunft bleiben.
The Italian Job: "You're only supposed to blow the bloody doors off!"
Eine Sache möchte ich noch klarstellen, bevor es losgeht: Es geht mir nicht darum, eine Liste mit reinen Heist-Filmen zusammenzustellen, sondern sie soll atemberaubende Heist- Szenen beinhalten. Meist sind das ohnehin Heist-Filme. Aber eben nicht immer...
7.
Snatch eröffnet mit einem Einbruch in Antwerpen, der mir aus zwei Gründen sehr lieb ist: Erstens zieht Guy Ritchie in der Credit-Sequenz seinen Hut vor Brian De Palma, aus dessen
The Fury er den langsamen Schwenk über die verschiedenen Überwachungsmonitore der Bank "stiehlt". Und, zweitens, empfinde ich den Sprung in den ultraschnellen Überfall mit seinen stakkatohaften, saltoschlagenden Kamerafahrten zu der elektrisierenden Musik wunderbar. Dieser Umschwung löste bei mir beim ersten Kontakt mit
Snatch eine wohlige Gänsehaut aus. Bis heute beginnt mein Adrenalin bei dieser Szene zu pumpen. - An dieser Stelle sollte noch kurz auf die Überfallsequenz aus Ritchies
Lock, Stock and Two Smoking Barrels verwiesen werden, in der die kunstvoll miteinander verwobenen Handlungsstränge zusammenfinden und zu einem großen Chaos führen. Wenn Ritchie etwas kann, dann ist es die Inszenierung von Heist-Szenen.
6.
The League of Gentlemen habe ich zu meinem Bedauern lange nicht mehr gesehen. Aber es handelt sich um einen jener Filme, die mich als Kind erstmals für das Medium Film begeisterten. Die militärische Präzision, mit der der Bankraub hier geplant und durchgeführt wird, ist faszinierend und witzig zugleich. Im Vergleich zum im selben Jahr erschienenen
Ocean's Eleven eindeutig die bessere Wahl!
5. Für mich der beste Michael-Crichton-Film:
The Great Train Robbery. Sean Connery und Donald Sutherland in einem liebevoll inszenierten Period-Piece, von Crichton gründlich recherchiert. Gerade weil die Technik, die beim Raub zum Einsatz kommt, im Zeitalter durchtechnisierter, firewallgeschützter Superrechner so angenehm einfach und verständlich erscheint und auch für den Laien nachvollziehbar ist, hat sich
The Great Train Robbery einen Ehrenplatz auf dieser Liste verdient. Ein wunderbarer Raub und einer der besten Heist-Filme aller Zeiten.
4. Jean-Pierre Melvilles
Le Cercle rouge habe ich vor wenigen Tagen das erste Mal gesehen und bin schwer begeistert. Er hat es sofort in meine Liste der 50 besten Filme geschafft. Warum inszenieren Tarantino und Mann so, wie sie es tun? Diese Frage wird zu einem großen Teil durch diesen Film beantwortet. Der titelgebende rote Kreis geht auf ein Epigramm Buddhas zurück:
Buddha drew a circle with a piece of red chalk and said: "When men, even unknowingly, are to meet one day, whatever may befall each, whatever their diverging paths, on the said day, they will inevitably come together in the red circle." Der Einbruch stellt einen solchen roten Kreis dar. Hier kommen drei Männer zusammen, die aus unterschiedlichen Motiven den Raub durchführen. Die Sequenz selbst ist tadellos in Szene gesetzt. Absolut nervenaufreibend, wenn auch -wie alle älteren Filme, die elektronische Sicherheitsbarrieren beinhalten- technisch nicht mehr auf dem neusten Stand. Doch das tut der Spannung keinen Abbruch.
3. Diesmal schafft es der De Palma Film nicht auf Platz eins. Sonst wird mir womöglich von bösen Zungen vorgeworfen, ich sei parteiisch! (Das bin ich doch sowieso.) Der Einbruch in die CIA-Zentrale in Langley in
Mission: Impossible hat es zweifellos verdient, in diese Liste aufgenommen zu werden. Ebenso hätte es übrigens die Heist-Szene aus
Femme Fatale. Aber ich will mich auf einen Film pro Regisseur beschränken. Ethan Hunt (Tom Cruise) lässt sich aus zehn Meter Höhe an einem Seil in einen Hochsicherheits-Computerraum hinab, der wie ein riesiges Spinnennetz aussieht (brillantes Setdesign), bei dem der Boden nicht berührt werden und die Raumtemperatur nicht steigen darf. Jedes Geräusch von der Lautstärke eines Flüsterns würde außerdem den Alarm auslösen. Der Mangel an Geräuschen während des Einbruchs wirkt sich hier unmittelbar auf den Zuschauer aus, der seinen Atem anhält. Die Sequenz ist großartig geschnitten und hat am Ende eine bestechende Pointe!
2.
Heat - Was soll man zu diesem Meisterwerk noch groß sagen, was nicht schon gesagt worden ist? Einer der fünf besten Filme der 90er Jahre. Michael Manns bislang packendster Film. Al Pacino und Robert De Niro in Topform. Sämtliche Raubszenen des Films sind grandios. Mein Favorit ist gleich die erste. Die brachiale Attacke auf den Geldtransporter wirkt bombastisch und gleichzeitig vollkommen realistisch. Hoffentlich gibt es
Heat demnächst mal wieder im Kino zu bewundern, denn nur dort funktioniert er so, wie er gedacht ist.
1.
Rififi ist der Ur-Heist-Film. Auf ihn geht vieles zurück: Die Stille während des Einbruchs zum Beispiel. Der Komponist hatte schon einen Score für diese Sequenz geschrieben. Doch als ihm Regisseur Jules Dassin den Raub ohne musikalische Begleitung vorführte, war sogar ihm klar, dass Musik die Spannung nur vermindern würde. Für 33 Minuten verfolgen wir die harte Arbeit der Männer: Das Durchbohren einer Decke, das Umgehen des Alarmsystems und das Knacken des Safes - mit einer Art Dosenöffner wird der Safe schließlich geöffnet. Es wird gemunkelt, dass
Rififi einige Einbrecher in der realen Welt inspirierte. Was wäre wohl eine größere Auszeichnung für einen Heist-Film?