Samstag, März 24, 2007

DVD: Casino Royale


M: I would ask you if you could remain emotionally detached, but I don't think that's your problem, is it, Bond?

Bond: No.

Diese Sätze fallen, während der gefolterte, tote Leib eines Bondgirls von einem Traumstrand abtransportiert wird. Meines Erachtens eine der Schlüsselszenen in Casino Royale. Denn im Kern geht es hier um die "Bondwerdung" eines jungen Agenten (Daniel Craig). Über zwei Stunden verfolgen wir, wie ein ungewohnt roher, muskelbepackter Doppelnullagent seinen letzten Hauch Menschlichkeit verliert. In den meisten Vorgängerfilmen wurde diese emotionale Kälte der Bond-Figur geschickt durch (Selbst-)Ironie überspielt. Die fehlt in Casino Royale fast völlig. - Und nachdem der sechste Bonddarsteller in seinem Debütauftritt etliche Zweikämpfe sowie Vergiftungen, Folter und Betrug überlebt und sich dadurch sein letztes bisschen Menschlichkeit abgeschliffen hat, darf er verdientermaßen die wohl bekannteste Namensnennung der Filmgeschichte zu einer der bekanntesten Filmmelodien von sich geben, während ein automatisches Maschinengewehr lässig an seiner Schulter ruht und ein angeschossener Bösewicht zu seinen Füßen kauert: "The name's Bond. James Bond." Bond ist nun der kaltblütige Killer, den die Zuschauer haben wollen. Ein subtiler Tritt in den Hintern abgestumpfter, vergnügungssüchtiger Freunde des Action-Kinos.


Der 21. Film der Serie beinhaltet jene Elemente, die man von einem Bondfilm erwartet. Und doch: Vieles ist anders. Das beginnt mit der in Schwarzweiß gehaltenen Pre-Credit-Sequenz, setzt sich über einen verhältnismäßig schlicht gehaltenen, frauenlosen (!) Vorspann zum durchschnittlichen Rock-Gedudel von Chris Cornell fort und findet in der eben beschriebenen Ausleuchtung der Bond-Figur seinen Niederschlag in der Handlung. Q und Moneypenny fehlen. Letzterer weine ich aber keine Träne nach, da sie in ihren letzten Auftritten mehr frauenpolitisches Statement als charmanter Bestandteil der Serie war.

Die erste große Actionsequenz, ein Parkourlauf, gehört zu den besten Actionszenen der letzten Kinojahre. Das ist wohl insbesondere Sébastian Foucan zu verdanken, einem der Begründer von Parkour und Bonds Gegenspieler in dieser Verfolgungsjagd. Graziös werden Geländer übersprungen, wird über Baukräne gelaufen und werden Wände erklommen. - Auch die übrigen Actionsequenzen sind gelungen. Es wird verzichtet auf die drei klassischen Zutaten: zu Land, zu Wasser und in der Luft. In Casino Royale findet die meiste Action im direkten Zweikampf statt. Das verleiht ihr etwas weniger abgehobenes, gibt dem Film entschieden mehr Härte aber dient natürlich auch dazu, Bonds innere Verfassung zu verdeutlichen: So hilft sich Bond beispielsweise zur Beruhigung ein großes Glas Whisky ein, nachdem er zwei Widersacher in einem langwierigen Treppenhaus-Kampf getötet hat - hätte er sie einfach abgeknallt, ergäbe diese Szene wenig Sinn.

Wie in Bondfilmen üblich werden gegenwärtige politische, gesellschaftliche und kulturelle Themen angeschnitten. Ugandische Rebellen, der Bau eines Großraumflugzeugs inklusive damit einhergehender Aktienspekulationen, Flughafensicherheit und sogar Gunther von Hagens' umstrittene Körperwelten-Ausstellung, der Bond freundlicherweise eine weitere Leiche schenkt, spielen eine Rolle im Plot um den Blut weinenden Schurken Le Chiffre (Mads Mikkelsen), mit dem sich Bond schließlich eine Pokerschlacht in Montenegro liefert.


Geschmückt wird Bond beim Pokerspiel von Vesper Lynd (Eva Green), einer smarten Mitarbeiterin des britischen Schatzamtes: "I am the money." - "Every penny of it." Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen haben ihr die drei Drehbuchautoren (unter ihnen Paul Haggis: Million Dollar Baby) jedoch bedeutend mehr Fragilität verliehen. Lynd ist keine Kampfmaschine und steckt Bonds blutige Morde nicht locker weg. Das schenkt dem Film ein wenig mehr Glaubwürdigkeit, die solche Rambo-Bräute wie Wai Lin, Pam Bouvier oder May Day nicht gerade förderten.

Judy Dench als M ist wie immer grandios. Sie spielt die reservierte Chefin des MI6 mit der notwendigen Kühle, durchbricht diese aber immer wieder durch ironische Zwischentöne.

Zwei Deutsche sind in Nebenrollen vertreten: "Musterknabe" Jürgen Tarrach und Ludger Pistor (der Herr Meier aus Lola rennt) sorgen für etwas Humor im Film. Eine willkommene Abwechslung und Gegengewicht zur langen Tradition deutscher Bösewichte in Bondfilmen.

Das bringt mich schließlich zu Daniel Craig, der hier ein starkes Debüt gibt. Er spielt den jungen Spion mit mehr Energie als seine Vorgänger, darf dank eines klugen Drehbuchs, das die Bondfigur ungewöhnlich dynamisch konzipiert, jenseits seiner Physis auch seine Schauspielkünste zur Entfaltung bringen. All diese Ebenen meistert er mit Bravour, hebt sich klar von Connery, Moore, Lazenby und Brosnan ab - am ehesten erinnert er wegen seiner Härte an Dalton. Und das ist nach den Tagen des Dressman-Bonds Pierce Brosnan eine echte Wohltat!

Regisseur Martin Campbell ist mit Casino Royale der beste Bond seit Licence to Kill gelungen. Der Bruch mit der distinguierten Unantastbarkeit des Topagenten ist eine Frischzellenkur, die dem Franchise zu einer zweiten Jugend verhilft.

Zur DVD

Die 2-Disc Collector's Edition kommt im ansprechenden Pappschuber mit Digipack. Leider wurden die zwei Scheiben nicht nebeneinander, sondern übereinander platziert. So muss man erst die obere Disc rausnehmen, um an die untere zu gelangen. Neben einem kleinen Booklet liegen fünf Postkarten bei, die Figuren des Films zeigen.

Wie bereits bei der vergangenen Woche rezensierten Parfum-DVD, befindet sich auch hier auf der Hauptfilm-Disc ein Kopierschutz, der das Abspielen auf Computern wahrscheinlich verhindert. Offenbar kommt es auf das Laufwerk an, ob die Scheibe normal funktioniert, oder ob das Bild so aussieht.

Die animierten Menüs sind auf beiden DVDs schlicht, funktional und in Schwarzweiß gehalten.

Das anamorphe 2.40:1 Bild lässt nichts zu wünschen übrig. Da sich sämtliche Extras auf Disc 2 befinden, steht genug Speicherplatz zur Verfügung, um die 139 Minuten auf den zwei Layern der DVD-9 mit durchweg hoher Bitrate zu verteilen. Das steht dem Film insbesondere in Actionszenen gut zu Gesicht. Egal, wie schnell sich Kamera oder Objekte bewegen, das Bild bleibt stets konturreich und gestochen scharf. Ich konnte keine Störungen oder Beeinträchtigungen entdecken. Die Farben sind satt und kontrastreich, Bilddetails kommen voll zur Geltung.

Der Layerswitch ist so gut gesetzt, dass ich ihn erst bei der zweiten Sichtung der DVD entdeckt habe: Er befindet sich bei 1:14:18 - Le Chiffre ist im Begriff die Hotelzimmertür hinter sich zu schließen.

Die Menüs sind auf beiden Scheiben in schlichtem Schwarzweiß gehalten.

Es befindet sich deutscher und englischer DD 5.1 Ton auf der DVD. Dialoge kommen stets sauber aus dem Center, die Musik überwiegend ebenfalls von vorne. Beide Tracks verwenden die Möglichkeiten des Surroundsounds ausgiebig aber nie selbstzweckhaft. Besonders gelungen sind die Surroundeffekte im Showdown in Venedig. Während des Feuergefechts hört man die Querschläger hinter sich einschlagen, das Knarren des maroden Hauses kommt aus allen Kanälen und vermittelt einem das Gefühl, selbst dort gefangen zu sein. Ein sehr guter, präziser Gebrauch des Surroundsounds.

Insgesamt hat mir der englische Ton besser gefallen. Er wirkt dynamischer, gerade in den Dialogen, die im Deutschen flacher klingen.

Es befinden sich optionale deutsche, englische und türkische Untertitel auf den DVDs.

Die Bonus-DVD

Zwei Featurettes beschäftigen sich mit der Entstehung von Casino Royale.

"Becoming Bond" beschreibt in 26 Minuten die Suche nach dem neuen Darsteller, die Proben und Dreharbeiten. Zahlreiche Interviews mit Schauspielern, Regisseur und Drehbuchautoren geben Einblick in die Entstehung des Films.

"James Bond: For Real" widmet sich in 23 Minuten den Actionszenen des Films, zeigt Planung, Training und Realisierung derselbigen. Etwas nervig ist dabei das immer wieder überlaut eingespielte James Bond Thema zu Filmszenen.

"Bond Girls are Forever" stellt in drei Teilen mit einer Laufzeit von insgesamt ca. 45 Minuten die Bondgirls aus den verschiedenen Filmen vor. Moderiert von Maryam d'Abo, dem Cello-Mädchen aus The Living Daylights, wird vorgeführt, wie sich das Frauenbild über die Jahrzehnte veränderte.

Abgerundet werden die Extras durch Chris Cornells Musikvideo "You know my Name".

Fazit: Ein absolut sehenswerter Bond, der mit der besten Kino-Action vergangener Jahre, einem energiegeladenen neuen Hauptdarsteller und einer klugen Story überzeugen kann. Der Transfer aufs digitale Medium ist perfekt geglückt. Die Bonus-DVD ist jedoch nur Durchschnittsware. Die Featurettes sind informativ, aber bedienen sich zu sehr dem formelhaften Making Of Stil. Audiokommentare fehlen. Da vermutlich spätestens mit dem Start des 22. Bondfilms im nächsten Jahr eine vollgepackte Ultimate Edition von Casino Royale veröffentlicht wird, sollte man genau abwägen, ob man sich nicht zunächst besser die preiswertere Single-Disc zulegt.

Donnerstag, März 22, 2007

OT: Unbeendete Literatur


Eine aktuelle britische Umfrage zeigt, dass 55% der "Leser" ihre Bücher offenbar überwiegend zum Zwecke der Dekoration kaufen. Erstaunlicherweise befindet sich in der im Zuge der Umfrage angefertigten Top Ten Liste der am häufigsten nicht beendeten Lektüren neben einem solch schwer verdaulichen Klassiker der Moderne wie Joyces Ulysses auch der vierte Band der Potter-Reihe (The Goblet of Fire).

Wenn ich ehrlich bin, wäre dieser Eintrag auch problemlos in der Kategorie "Die glorreichen 7" möglich. Der Mangel an Zeit verbietet es mir aber glücklicherweise, mich an dieser Stelle in aller Ausführlichkeit als Meister im Nichtbeenden großer Literatur zu outen. Mein Credo lautet diesbezüglich: Wenn es ein Autor auf den ersten 50-100 Seiten nicht schafft, mich für seine Figuren, die Geschichte oder seine Sprache zu interessieren, dann landet der Schmöker wieder im Regal, auch wenn es sich dabei um solche Größen wie Günter Grass oder William Faulkner handeln sollte.

Bedauerlicherweise kommt es mitunter auch zu unbeabsichtigten Aussetzern, wie zuletzt bei Die Brüder Karamasow. Bei diesem Dostojewski-Schinken bin ich im fünften Buch des zweiten Teils hängengeblieben (die detaillierte Biografie eines alten russischen Starez löste wiederholt Müdigkeitssymptome aus). Beizeiten werde ich diesen Roman aber bestimmt wieder aus dem Regal holen und weiterlesen (keine Ironie!).

Wer einen ausführlichen Artikel über die britische Umfrage und das Phänomen generell lesen will, dem sei dieser Link zur Süddeutschen Zeitung empfohlen oder dieser Link zum Guardian.

Samstag, März 17, 2007

DVD: Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders


Neben The Black Dahlia und Clerks II gehörte Das Parfum zu den Filmen, deren Starttermin ich vergangenes Jahr kaum abwarten konnte. Als Fan der Romanvorlage fiel es mir schwer, Tykwers Adaption nicht voreingenommen gegenüberzustehen. Es ist eine große Herausforderung, die Vorlage so weit es geht auszublenden und den Film davon losgelöst zu betrachten. Der zwanghafte Werkvergleich führt meines Erachtens in die Irre. Dass dies nicht immer möglich ist, zeigt sich aber schon bei der Sprachauswahl des Films: Schaut man ihn sich im englischen Original an, um die Mehrheit der Darsteller in ihrer Muttersprache zu hören oder entscheidet man sich für die deutsche Fassung, um Patrick Süskinds elegante Prosa zu genießen? Eine der Vorzüge der DVD besteht darin, diese zwei Fassungen nun direkt miteinander vergleichen zu können.

Die Geschichte des Jean-Baptiste Grenouille (Ben Wishaw), dem Zeck und Mörder, dem Einsiedler und Monster, bringt Tykwer mit opulenten Bildern auf die Leinwand. Er bettet das Leben Grenouilles in eine lange Rückblende ein und lässt Otto Sander (John Hurt in der OV) als Erzähler Süskinds altertümlich anmutende Sprache rezitieren. So imitiert Tykwer in gewisser Weise die biographische Haltung des Romans. Die stilisierte Prosa, die zwischen Hoch- und Umgangsprache schwankt, ersetzt er durch Bildgewalt und Detailreichtum im Szenenbild. Mit der Unzulänglichkeit der Sprache, Gerüche nicht erfahrbar machen zu können, muss auch das Medium Film umgehen. Schnelle Montagen bestialisch stinkender Elemente des Pariser Fischmarkts, auf dem unser Held im Juli 1738 geboren wird, sollen dem Zuschauer beispielsweise den olfaktorischen Ekel einjagen.

Der Waise Grenouille arbeitet zunächst als Gerbergehilfe, setzt dann aber alles daran, beim Parfumeur Giuseppe Baldini (Dustin Hoffman) eine Ausbildung anzutreten. Grenouille ist ein Geruchsgenie, schwelgt in der Duftwelt, hat aber keinen Eigengeruch. Sein Ziel kristallisiert sich heraus, als er den zauberhaften Duft eines Mädchens erschnuppert: Er will den absoluten Duft schaffen. Die Kenntnisse dafür erlangt er schließlich in Grasse, dem Zentrum von Herstellung und Handel mit Duftstoffen aller Art. Die Zutaten für den Duft: 12 außergewöhnlich schöne Jungfrauen. Sein Gegenspieler: Antoine Richis (Alan Rickman), der seine bildschöne Tochter Laura (Rachel Hurd-Wood) vor dem teuflischen Serienmörder schützen möchte.

Der junge Hamlet und der alternde Geliebte der Mrs Robinson: Ben Wishaw und Dustin Hoffman am Set.

So wie Grenouille mehrere wunderbare Einzelteile zur Erstellung des Duftes benötigt, so ist es Tykwers Ansatz, die verschiedenen filmischen Elemente besonders graziös zu gestalten. Dies gelingt ihm auch zweifellos in Ausstattung, Maske und Kameraführung. Die Verdichtung des Romanplots ergibt darüber hinaus Sinn. Und die Musik, die zwar an mancher Stelle ein bisschen süßlich anmutet, ist im Großen und Ganzen gelungen. Jedoch fehlt Tykwers Gesamtkomposition eine Zutat: Mut. Jede Szene ist tadellos inszeniert, aber Tykwer traut sich bedauerlicherweise nicht, auch den Schritt zu gehen, der vom Geschehen massiv gefordert wird: Es mangelt an Schmuddeligem, Dreckigem, Schmierigem, Schmutzigem, kurz: Exploitationhaften in der Inszenierung. Die Handlung verlangt nach dieser Ingredienz, Tykwer verweigert sie uns und lässt auch noch den finstersten Hinterhof malerisch aussehen.

Der Gerber Grimal: Auszeichnungswürdige Maske.

Besonders deutlich wird dies in der finalen Orgienszene. Zwar bringt Tykwer die politischen Untertöne deutlich zum Klingen. Die Verführbarkeit der Menschen, der Massenwahn wird aber zu geschmackvoll und zahm dargestellt. Die wilde Ekstase, das Verbotene und zugleich Verlockende der sexuellen Ausschweifungen hat durch die hochstilisierte, genau choreographierte Inszenierung etwas peinlich Prüdes. Das gesellschaftlich Anrüchige hätte auch filmisch anrüchig sein müssen, stattdessen wird es in Hochglanzbildern gefeiert.

Insgesamt ist Das Parfum der wahrscheinlich ambitionierteste deutsche Film vergangener Jahre. Durch die Bank gute Schauspieler, brillante Setdesigns mit einer beeindruckend detailreichen Ausstattung, erstklassige Maske, super Kameraarbeit und eine einzigartige Geschichte. Der Mangel an Mut in Form von rauhen Ecken, nach der die Geschichte eigentlich verlangt, schmälert das Endergebnis allerdings. Ein Meisterwerk ist Tykwer deshalb nicht gelungen, sondern "nur" ein großes Filmerlebnis.


Zur DVD

Highlight / Constantin Film vertreibt Das Parfum als Einzel-DVD und Premium Edition, wobei die Film-DVD der beiden Ausgaben identisch ist.

Die Premium Edition besteht aus einem Pappschuber mit ausklappbarem DVD-Behältnis. Ein Booklet "Das Buch der Düfte" enthält kurze Infos zu Hauptdarstellern, Regisseur und Produzent.

Als ich DVD 1 in meinen Laptop schob, machte ich die interessante Entdeckung, dass ein übler Kopierschutz das Abspielen verhindert. Ich komme zwar ins Menü und kann den Film starten, aber das Bild sieht dann so aus.

Dieser hartnäckige Kopierschutz befindet sich allerdings nur auf der ersten Scheibe, die Bonus-DVD spielt mein Rechner einwandfrei ab.

Mein Standalone-Player frisst die Hauptfilm-Scheibe anstandslos aber bombardiert einen direkt nach dem Einschieben mit einem Anti-Piraterie-Trailer, den mir der Laptop seltsamerweise vorenthält. Ist es nicht schön, dass einem die diversen DVD-Vertriebe oft als Erstes überlaut mit solchen Werbekampagnen ins Gewissen reden? Da hat man gerade einige Euro für ihr Produkt hingeblättert und wird zum Dank als potentieller Copyrightverletzer beschimpft. Da freut man sich doch!

Das Menü auf DVD 1 ist animiert und dezent gestaltet. Keinerlei Spielereien lenken von der Auswahl ab.

Das anamorphe 2.35:1 Bild ist so, wie man es sich wünscht. Plastisch und texturreich kommen Frank Griebes sorgfältig fürs Breitwandformat arrangierten Bilder voll zur Geltung. Das Schwarz hat eine fantastische Tiefe, die insbesondere bei den expressionistischen Licht- und Schattenspielen voll zum Ausdruck kommt. Den entsättigten, monochromen Farben der überwiegend stinkenden Kindheits- und Jugendzeit Grenouilles stehen farbenfrohe, fast ins Kitschige gehende Farbpaletten in Grasse gegenüber, die auf der DVD kontrastreich glänzen.

Der Layerswitch wurde leider ungeschickt platziert. Er befindet sich bei 1:15:29, wurde nicht in einer Blende oder einem ruhenden Bild ohne Ton versteckt, sondern stört inmitten einer Szene mit Musik. DVD-Player mit wenig Zwischenspeicher haben hier einen auffälligen, etwa einsekündigen Aussetzer.

Beim Ton stellt sich im Fall des Parfums nicht nur die Frage nach der Qualität. Interessant ist auch, welche Sprachfassung die bessere ist. Nachdem ich beide gehört habe, tendiere ich zur deutschen. Der Grund liegt in der uneinheitlichen, vom Inhalt ablenkenden Dialektmischung sowie deutlich erkennbaren nachsynchronisierten Darstellern, wie z. B. Corinna Harfouch. Keine Frage: Die Szenen zwischen Alan Rickman und Rachel Hurd-Wood sind ein Ohrenschmaus für Freunde britischen Englischs, aber wenn Dustin Hoffman mit seinem Hollywoodenglisch auf den britischen Unterklassedialekt von Ben Wishaw stößt, dann wirkt dies im Paris des 18. Jahrhundert desillusionierend. Die deutsche Fassung ist einheitlich nachsynchronisiert, wirkt sprachlich wie aus einem Guss, und ist deshalb der englischen vorzuziehen.

Der deutsche und englische DD 5.1 Ton ist makellos. Gespräche schallen in beiden Fassungen sauber aus den Frontboxen. Die Musik umschließt den Hörer in einem gleichmäßig abgemischten Klangraum. Die Choräle bezirzen einen von allen Seiten, umlullen den Zuschauer geradezu. Im Kino gefiel mir der Ton in der Kirchenszene besonders gut. Der satirische Blick auf die Geistlichkeit beim Akte der Exkommunikation gewinnt durch ein langsam lauter werdendes Orgelspiel wundervoll an Kraft. Am Ende drückt einen der mächtige Schall der Kirchenorgel tief in den Sessel. Zwar wirkt das im Heimkino bei weitem nicht so stark, aber der eindrucksvolle Effekt funktioniert auch hier. Lediglich ein Mangel an weiteren Surroundeffekten lässt sich kritisieren, denn außer der Musik tönt wenig Umgebungsgeräusch aus den Rearboxen. Da hätte man gerade in den Massenszenen in der Pariser Innenstadt deutlich mehr herausholen können.

Es befindet sich außerdem eine deutsche DTS-Tonspur auf der Scheibe, die ich jedoch nicht getestet habe.

Zu den Kommentarspuren:

1. Regie: Tom Tykwer gelingt auf seiner Spur eine sympathische Mischung aus Berichten über die Dreharbeiten und seiner Sicht auf den Film-Stoff. Die meiste Zeit interpretiert er die Handlung, erklärt, warum er diese und jene Entscheidung getroffen hat, welche Probleme beim Drehen auftraten usw. Insgesamt ein informativer Track, der sich lohnt.

2. Szenenbild: Uli Hanisch und Kai Karla Koch berichten vor allem von den Locations, an denen gedreht wurde. Welche Ecke in Barcelona und Umgebung gerade im Bild ist, oder dass die Lavendelfelder bei den Dreharbeiten wegen schlechten Wetters noch nicht in voller Blüte standen. Ein witziges Detail: Um die Drehorte der Barceloner (im Film: Pariser) Innenstadt authentisch wirken zu lassen, karrte die sog. "Dirtcrew" täglich zentnerweise vorgefertigten Dreck an, der am Set mit Wasser vermischt und über Straßen und Hauswände verteilt wurde.

3. Kameramann Frank Griebe und Cutter Alexander Berner: Die zwei widmen sich logischerweise in erster Linie der Visualisierung des Films. Aber auch die Arbeit mit den Schauspielern kommt zur Sprache. Da Dustin Hoffmann ein wahnsinnig variationsreicher Darsteller ist, hieß die Anweisung in seinen Szenen stets "Metern, Metern", um so viel Filmmaterial wie möglich in den Schneideraum zu schicken. Bei den erwähnten Licht- und Schattenspielen galt für Griebe oftmals das Credo: "Wir vertrauen auf Kodak". Eine streckenweise lehrreiche Kommentarspur.

Die Bonus-DVD

DVD 2 (ebenfalls eine DVD-9) enthält knapp zweieinhalb Stunden Bonusmaterial.

Den größten Teil davon nimmt das 54-minütige Making Of in Anspruch, das alle großen Bereiche der Produktion abdeckt. Das beginnt mit den Schwierigkeiten, Süskind die Romanrechte abzukaufen, geht über Besetzung, historische Recherchen, Dreharbeiten an den verschiedenen Locations und endet mit der Arbeit der Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle sowie der spanischen Tanzcrew, mit der die komplizierte Massenorgie einstudiert wurde.

Die spanische Tanzcrew bei den Proben zur Massenorgie.

38 Minuten an Interviews mit den wichtigsten Darstellern, Regisseur und Produzent befinden sich ebenfalls auf der Disc. Im Gegensatz zum Making Of, das auch in die Tiefe der Produktion vordringt, bleiben die Interviewhappen inhaltlich recht belanglos und sind nach dem Making Of größtenteils redundant.

11 Minuten zeigen Tykwer, Griebe und Hanisch auf Motivsuche in Kroatien und rund um Barcelona. Der gewaltige Aufwand bei der Vorbereitung der extrem hohen Locationanzahl wird einem in dieser Kurzdoku vorgeführt.

Eine 13-minütige Featurette widmet sich der Visualisierung der Düfte, erläutert das Zusammenspiel von Kamera, Musik und Schnitt.

Weitere 12 Minuten erklärt uns Frank Griebe die Kameraarbeit. Welche wichtige Rolle Detailaufnahmen gespielt haben, mit welchen Mitteln beleuchtet wurde und warum in Barry Lyndon die Kerzen nicht flackern.

In einer weiteren 10 Minuten dauernden Kurzdoku verfolgen wir den Prozess der deutschen Synchronisation.

Eine nur 3-minütige Featurette zeigt die Mischung des Originaltons. Trotz der Kürze des Beitrags wird hier auf technische Details eingegangen. Welche Maschine zum Abmischen verwendet worden ist, wie viele Spuren zusammengemischt wurden usw.

Die Düfte des 'Parfum' - Die Geschichte eines Coffrets hat eine Länge von 10 Minuten und ist die teilweise nicht ganz ernst gemeinte Vorstellung einer Duftkollektion, die im Zuge des Film-Releases entwickelt worden ist. Ein reiner Werbefilm also.

Außerdem befinden sich noch eine ganze Reihe Trailer auf der Scheibe.

Lohnenswert ist in jedem Fall das Making Of. Die anderen Featurettes sind z. T. redundant, wenn man diese Doku gesehen hat. Da auf den Kommentarspuren von diversen Deleted Scenes die Rede ist, finde ich es bedauerlich, dass es diese nicht auf die Bonus-Disc geschafft haben. Im Making Of sind einige kurze Ausschnitte entfallener Szenen und Outtakes zu bewundern. Mir wären Deleted Scenes lieber gewesen als die recht oberflächlichen Interviews und der schlecht gemachte Werbefilm zur 'Parfum'-Duftkollektion.

Fazit: Ein großer Kinofilm in einer üppig ausgestatteten Premium-Edition. Im Bild- und Tonbereich gibt es nichts zu beanstanden, lediglich bei den Bonus-Features hätte man insgesamt mehr auf Qualität denn auf Quantität achten sollen.

Dienstag, März 13, 2007

Filmtipp: Gun Crazy


Der junge Filmkritiker Paul Schrader verfasste im Jahr 1972 einen Artikel für die britische Zeitschrift Film Comment, mit dem er englischen Cineasten den Film Noir nahebringen wollte. Teil dieses Artikels war eine Liste mit zehn Filmen, die nach Schraders Meinung den Noir-Stil am besten repräsentieren. Gun Crazy befand sich auf dieser Liste.

Dabei scheint Gun Crazy auf den ersten Blick gar kein Film Noir zu sein. Hier gibt es keine Voiceover-Kommentare, keine kettenrauchenden Private Detectives und auch der Plot ist nicht sonderlich verworren. Gun Crazy erzählt vielmehr die Geschichte von Bart und Laurie, zwei Meisterschützen, die Überfälle begehen, um ein angenehmes Leben führen zu können.

Wenn man das Film Noir Genre nicht durch Konventionen, Setting und Art des Konflikts definiert, sondern den Ton und die Atmosphäre des Films dafür zugrundelegt, dann ist Gun Crazy allerdings ein waschechtes Werk der schwarzen Serie, auch wenn wir ihn heute wegen seines Themas vielleicht zunächst eher mit einem Roadmovie wie Bonnie and Clyde in Verbindung bringen.

Gun Crazy eröffnet mit einer flashbackreichen Gerichtsverhandlung, in der der junge Bart wegen eines missglückten Waffendiebstahls angeklagt wird. Wir lernen, dass Bart ein begnadet guter Schütze ist, der nach einer traumatischen Erfahrung nicht in der Lage ist, das zu tun, wofür Schusswaffen eigentlich bestimmt sind: zu töten. Der innere Konflikt der Hauptfigur besteht also ironischerweise darin, das nicht tun können, worin er am besten wäre.

Nach vier Jahren in einem Internat geht Bart zur Army, arbeitet dort als Schießausbilder, kehrt Uncle Sam aber aus Langeweile den Rücken. Und so lernt er auf einem Kirmes die englische Kunstschützin Laurie kennen. Bart fordert sie zu einem Wettkampf heraus und gewinnt - eine Liebe fürs Leben ist geboren. Selten habe ich das Schießen sexuell so aufgeladen gesehen wie in Gun Crazy. Es dient als Bindeglied zwischen dem Paar. Gleichzeitig ist Laurie eine der wohl finstersten Femme Fatales in der Geschichte der Noirs. Sie erpresst Bart mit ihrer sexuellen Zuwendung und zwingt ihn, das zu tun, was Bart moralisch ablehnt. Bart wird zu einem weinerlichen Schwächling in den Fingern der manipulativen Laurie. Der ursprüngliche Titel bezog sich deshalb nicht auf den waffenfetischistischen Aspekt des Films, sondern auf Lauries Macht über Bart: Deadly is the Female.

Femme Fatale und moralischer Weichling - verhängnisvoll verliebt.

Regisseur Joseph H. Lewis kombiniert geschickt die großen Themen Sex und Gewalt, ohne die zeitgemäßen Vorstellungen der Sitte ernsthaft auszutesten. So wird beispielsweise brav geheiratet, bevor man zum ersten Mal rammelt.

Die Isolation des Outlaw-Pärchens unterstreicht Lewis durch immer wiederkehrende Kamerafahrten auf die Figuren, deren Gesichter oder Hände. Der Bildausschnitt isoliert so die Antihelden von ihrer Umwelt.

Erwähnenswert ist auch die für die damalige Zeit ungewöhnliche und originelle Darstellung eines Banküberfalls: Lewis zeigt die Fahrt zur Bank, den Banküberfall und die Flucht in nur einer Kameraeinstellung. Die Kamera verharrt dabei auf dem Rücksitz des Wagens. Der Dialog zwischen Bart und Laurie auf dem Weg zur Bank ist improvisiert. Diese dokumentarische Realitätsnähe, die man eher von französischen Filmen der 60er erwarten würde, steht in krassem Gegensatz zu den stilisierten, teilweise expressionistischen Momenten und verleiht Gun Crazy eine visuell und atmosphärisch aufregende Vielseitigkeit.

Knapp dreieinhalb Minuten dauern Anfahrt, Raub und Flucht. Da der Banküberfall, wie er im Drehbuch stand, Lewis zu aufwändig war, entschied er sich für diese lange Einstellung. Angeblich funktionierte sie beim Drehen gleich im ersten Versuch.

Gun Crazy war wegen schlechten Marketings kein großer Erfolg beschieden, als er 1950 gleich zweimal mit unterschiedlichen Titeln in amerikanische Kinos kam. Sein Einfluss auf spätere Filme ist jedoch unverkennbar. Neben Fritz Langs You Only Live Once dürfte Gun Crazy der auffälligste Vorläufer von Arthur Penns Bonnie and Clyde sein.

8th Annual Bitsy Awards


Es ist jedes Jahr aufs Neue wieder schön, wenn Bill Hunt und seine Kollegen von thedigitalbits die besten DVD-Releases des vergangenen Jahres preisen. Gestern wurden die Bitsys bereits zum achten Mal vergeben. Besonders freut mich der Special Achievement Award für The Criterion Collection. Diese Auszeichnung ist sicherlich ebenso verdient wie der Ehrenoscar für Ennio Morricone. Die im Sommer erschienene A Canterbury Tale DVD war mein persönlicher Favorit des letzten Jahres und so freut es mich besonders, dass diese Criterion-Veröffentlichung durch den Preis die Ehre erfährt, die ihr gebührt.

Hier geht's zu den 8th Annual Bitsy Awards.

Donnerstag, März 08, 2007

Masters of Horror: Dream Cruise


Die dreizehnte und letzte Folge der Staffel gehört wie schon in Season 1 dem asiatischen Horror. Nach Takashi Miikes verstörendem Imprint nun also Dream Cruise von Norio Tsuruta (Ring 0). Und es würde sich nicht wirklich um eine Episode der zweiten Staffel handeln, hätte sie im Kern nicht irgendwie mit 'Familie' zu tun: Jack (Daniel Gillies) muss als junger Knabe miterleben, wie sein Bruder ertrinkt. Seit diesem traumatischen Erlebnis leidet er nicht nur in bester Chief Brody Manier an einer Wasserphobie, sein kleiner Bruder verfolgt ihn darüber hinaus in seinen Alpträumen. Da gefällt es Jack natürlich gar nicht, dass er mit einem eifersüchtigen Geschäftspartner (Ryo Ishibashi), dessen Frau er heimlich vögelt, einen Bootsausflug antreten muss.

Dream Cruise ist ein wahrhaft müder Aufguss japanischen Geisterhorrors. Denn er versagt auf genau der Ebene, die diese Filme auszeichnet und sehenswert macht: dem Grusel. Für Dream Cruise braucht man keine starke Nerven, sondern Durchhaltevermögen. Was hätte man nicht alles aus dem Szenario von drei Leuten auf See zaubern können? Mir ging die grandiose Prison Break Sequenz aus Carlito's Way mehrfach durch den Kopf. Doch was De Palma an Spannung und Dynamik in einer Viertelstunde unterbringt, passt bei Tsuruta nicht in 60 Minuten. Den japanischen Darstellern kann man es aufgrund der Sprachbarriere zwar nicht wirklich übel nehmen, dass sie wenig überzeugend wirken. Daniel Gillies muss sich allerdings vorwerfen lassen, hier den Beweis erbracht zu haben, von nun an als talentfreie Zone zu gelten. Selten habe ich außerhalb von drittklassigen Hau-und-Prügel-Filmen einen ausdrucksloseren Schauspieler erlebt.

Wenigstens kann Dream Cruise im Mittelteil durch eine witzige Schlägerei mit Ankern, Messern und abgetrennten Gliedmaßen kurzfristig gut unterhalten. Auch manch ein Dialog lässt (unbeabsichtigte) Lacher zu. Und die Kameraführung zeugt von Einfallsreichtum. Mit diesen Pluspunkten rettet sich die lahme Geistermär noch gerade so ans rettende Ufer und wird an dieser Stelle nicht zur schlechtesten Episode der Season erklärt.

Rückblickend auf Staffel 2 muss ich seufzend konstatieren, dass die Qualität der ersten dreizehn Folgen bei weitem nicht erreicht wurde. Gab es vergangenes Jahr mehrere wirklich überragende Beiträge, stach dieses Jahr kein einziger heraus. Die größte Überraschung war Mick Garris' Valerie on the Stairs. Gesamtsieger ist der Titelverteidiger Dario Argento mit Pelts.

Waren die Erwartungen vielleicht zu hoch? - Hoffentlich waren die Erwartungen zu hoch! Denn nun sind sie eindeutig gesenkt worden und so kann Staffel drei doch nur besser werden...

4.5/10 Punkten.

Dienstag, März 06, 2007

Tarantino: "I call the shots here"


Leider ist Zeit derzeit Mangelware bei mir. Deshalb keine neuen Beiträge in den letzten Tagen. Ende dieser Woche wird sich das aber ändern - die Staatsexamensklausuren sind dann geschafft. Zur Überbrückung hier ein lesenswerter Artikel von einem (mal wieder) nicht gerade von Selbstzweifeln geplagten Quentin Tarantino. Sunday Times: I call the Shots here.