Freitag, Februar 23, 2007

TV: Eine Stadt wird erpresst


Gute Krimis sind Vehikel für eine gesellschaftliche Message. Das Verbrechen ist nur der äußerliche Anlass, um den Kommissar in eine Welt zu schicken, von der der Autor möchte, dass der Rezipient sie kennenlernt und sich mit ihr auseinandersetzt. Die Romane von Donna Leon oder Henning Mankell sind Paradebeispiele dafür. Nun hat auch Dominik Graf zusammen mit Rolf Basedow einen solchen Krimi geschrieben und verfilmt. Schon bei Hotte im Paradies arbeiteten die beiden zusammen und heraus kam ein faszinierend authentischer Blick ins Berliner Rotlichtmilieu. Der am heutigen Abend auf ARTE ausgestrahlte Krimi Eine Stadt wird erpresst ist, da hat Spiegel Online völlig Recht, "ein Meisterwerk von einem Thriller".

Professionell agierende Erpresser verlangen von der Stadt Leipzig 20 Millionen Euro in Diamanten, sonst ist mit Anschlägen zu rechnen. Kommissar Kalinke (Uwe Kokisch) leitet die Verhandlungen. Er kämpft dabei nicht nur gegen die gewieften Verbrecher, sondern auch gegen einen Yuppie-Oberstaatsanwalt aus dem Westen. Die Diamanten gelangen auf einfallsreiche Art und Weise bei den Erpressern. Die Spur führt ins Dorf Gralwitz, das unter Einwohnerschwund leidet, weil eine Bergbaugesellschaft die Grundstücke aufkauft. Kalinke nimmt mit seinem Team die Ermittlungen in dem Örtchen auf. Die Polizisten bewegen sich dabei zwischen Bürgermeister, Dorfmieze, Puff und Fußballmannschaft.

Graf ist ein Polizeifilm gelungen, der perfekt ausbalanciert ist. Er inszeniert temporeich aber nie hektisch. Die Dialoge sind spritzig, klingen ausgefeilt aber nie aufgesetzt. Und das Setting in einem Ort voller Ruinen, der von den Braunkohlebaggern aufgefressen zu werden droht und der von Leuten bevölkert ist, die um ihr Überleben kämpfen, verleiht dem Film eine soziale Tiefendimension, die gute Krimis auszeichnet.

Als "Fernsehfilm der Woche" wird das ZDF Eine Stadt wird erpresst demnächst wiederholen. Er sei hiermit uneingeschränkt empfohlen!

Donnerstag, Februar 15, 2007

Die glorreichen 7: Fahrstuhlszenen


Der Fahrstuhl ist schon eine bemerkenswerte Erfindung. Er erspart uns im Alltag das anstrengende Treppenlaufen und ist den meisten Menschen deshalb sehr willkommen. Doch wenn man einmal die Augenblicke, in denen der Fahrstuhl in Filmen auftaucht, Revue passieren lässt, wird man schnell zur Erkenntnis gelangen, dass es nicht nur wegen des damit verbundenen körperlichen Trainings gesünder wäre, stets die Treppen zu nehmen.

Der Fahrstuhl ist psychologisch interessant, weil seine Benutzer oftmals dazu gezwungen werden, einen engen Raum mit Unbekannten zu teilen. Man ist vorübergehend eingesperrt. Es gibt keine Fluchtmöglichkeiten. Die Mitbenutzer des Aufzugs dringen in unsere persönliche Zone, manchmal sogar in unsere Intimzone, ein. Gleichzeitig herrscht häufig ein betroffenes Schweigen, als wäre man auf dem Weg zu einer Beerdigung. Viele Menschen fürchten sich deshalb (und/oder aus Höhenangst) vor Aufzügen. Freilich kennt die Psychologie das Krankheitsbild "Fahrstuhlphobie". Und es gibt auch noch die Angst vor dem Steckenbleiben. Diese kleine Kammer hält für den Drehbuchautor also einiges an Möglichkeiten für unerwartete Zusammentreffen und diverse Angstszenarien bereit.

Leiden bestimmt nicht unter Fahrstuhlphobie, sondern genießen die Easy Listening Klänge, während ihre Verfolger die Treppen nehmen müssen: Die Blues Brothers.

Wie bei allen modernen Fortbewegungsmitteln besteht der witzige Widerspruch darin, dass wir uns freiwillig in einem kleinen Raum einschließen, um uns in raschem Tempo fortzubewegen. Im Falle des Fahrstuhls geschieht das auch noch in der uns untypischen vertikalen Richtung. Das Auf-und-Ab, Hoch-und-Runter wird von Filmemachern gerne symbolisch aufgeladen. Das ist zwar alles andere als originell, aber wenigstens versteht's jeder. Sogar Nobelpreisträger schrecken vor dieser vermeintlich simplen Symbolik nicht zurück: Als vor knapp zwölf Jahren Günter Grass' Wendewälzer Ein weites Feld erschien, stürzten sich die Kritiker in ihren Verrissen wie die Geier auf ein zentrales Leitmotiv: den Paternoster im Treuhandgebäude. Es sei zu dick aufgetragen und zu belanglos in seiner Aussage, um so viel Platz im Roman in Anspruch zu nehmen, hieß es damals sinngemäß.

Oldboy: Für Lee Woo-jin geht's nach unten. Das ist kein gutes Zeichen. Besonders nicht am Ende eines Films.

Was interessiert nun die Filmemacher am Fahrstuhl? Der Fahrstuhl ist der ideale Ort für die ganze Bandbreite filmischer Szenarien. Im Aufzug kann's komisch, romantisch, spannend, actionreich oder grauenerregend zugehen. - Bei der Erstellung der glorreichen 7 fielen mir zunehmend mehr Fahrstuhlszenen ein, so dass ich die Liste mehrmals überarbeitet habe. Es schien mir bisweilen, als gebe es kaum einen Film ohne Fahrstuhlszene. Seltsamerweise hat es keine Sexszene in die Liste geschafft. Mir fielen aber auch nur zwei ein (Fatal Attraction und Mallrats) und beide mussten sich dem Druck der Konkurrenz beugen. Aber wollen wir es nicht länger hinauszögern - die glorreichen 7:



7. Terminator 2: Ursprünglich sollte Speed den siebten Platz einnehmen. Doch dann fiel mir auf, dass es sich bei Speed streng genommen um keine Szene, sondern um eine ausgedehnte Filmsequenz handelt. Also haben der T-800, T-1000 sowie Sarah und John Connor die Ehre, den Platz für die beste Äkschnfuimszene aus den Neunzigern auszufüllen. Und es ist ja auch wirklich hübsch mitanzusehen, wie präzise das "likwid mädell" des T-1000 die Fahrstuhltür durchstößt, um sie geschmeidig zu öffnen. Und dann bekommt er von Arni doch nur den Kopf in zwei Hälften zerschrotet. Es folgt ein wenig Baller-Klaustrophobie und ein weiterer hübscher CGI Effekt: Als Mischung aus nassem Sack und irrsinnig fettem, metallisch glänzendem Regentropfen lässt sich der T-1000 durch das Kabinendach fallen. Dazu ein schleimig klingender Soundeffekt....yeah!



6. Profondo Rosso: Dario Argento liebt Aufzüge. Viele seiner Giallos enden damit, dass der Täter in Verbindung mit einer Abwärtsbewegung sein Leben aushauchen muss. Entweder er fällt in den Fahrstuhlschacht, versucht noch die Metallkabel zu greifen und reißt sich auf diese Weise schmerzhaft die Hände auf, bevor er stirbt (The Cat O' Nine Tails) oder er wird enthauptet (Trauma) oder aber ein Schmuckstück wird zu seinem Verhängnis (Profondo Rosso). Das Medaillon einer Kette verhakt sich an der Fahrstuhlkabine. Die Täterin befindet sich aber noch außerhalb und so fährt nur das Kettchen nach unten, durchtrennt ihr dabei aber den Hals. Ein letztes kurzes Spucken weißen Schleims, und der Film kann enden...



5. Die Hard: Ein Drittel des Film, so scheint es, spielt in Fahrstuhlschächten. McClane versteckt sich dort, bewegt sich in und auf den Fahrkabinen fort, wirft Bomben durch die Schächte und schickt den Terroristen Weihnachtsgeschenke via Fahrstuhlpost: "Now I have a machine gun. Ho-Ho-Ho". McClane muss im vorherigen Leben als Fahrstuhlmonteur gearbeitet haben. Es gibt keinen Actionhelden, der sich dem Fahrstuhl als Fortbewegungs- und Spionagemittel besser zu bedienen weiß, als er.



4. Liar Liar: In diesem Jim Carrey Film taucht der Fahrstuhl gleich mehrfach zu komödiantischen Zwecken auf. Als der Rechtsanwalt Fletcher Reede, der mit Lügen sein Brot verdient, aufgrund eines Zaubers nicht mehr lügen kann, gesteht er nicht nur freiwillig seinen Furz in einem vollbesetzten Fahrstuhl, sondern erklärt in einer anderen Fahrstuhlszene, die zunächst romantisch beginnt, seiner wohlgeformten Begleiterin den wahren Grund für die Freundlichkeit ihrer neuen Nachbarn. Dank youtube gibt's die kurze Szene auch online zu bewundern.



3. Damien: Omen 2: Das Horrorgenre bedient sich gerne des Gefahrenpotenzials, das der Aufzug bereithält. Eine besonders hübsche Fahrstuhlszene gibt es im zweiten Teil der Omenserie zu bewundern. Als ein Wissenschaftler nach einer Blutanalyse Damiens Verwandtsschaft mit einem Schakal herausgefunden hat, begibt er sich fatalerweise in einen Fahrstuhl, nur um nach langsamer Auf- und rasend schneller Abfahrt von herabsausenden Stahlseilen filetiert zu werden. Exzellent choreographierte Actionsplatterszene...



2. Dawn of the Dead: Auf den Plätzen 3 bis 1 fließt das Blut. Ein großer Plot Point in Dawn of the Dead, und vielleicht die beste Szene im gesamten Film, ist das Ende von "Flyboy". Und wo erwischen ihn die Zombies? Genau: Im Fahrstuhl. Wie war das mit den Fluchtmöglichkeiten?



1. Dressed to Kill: Nicht nur handelt es sich um die größte Überraschung seit Psycho, dass Brian De Palma die Hauptfigur, gespielt von Angie Dickinson, nach einer halben Stunde des Films in einem Fahrstuhl von einer blonden Täterin aufschlitzen lässt. Es ist freilich auch ein plakatives Zitat eben jenes Hitchcockfilms. Und ließ Hitchcock seine Figur in einem aufwändig inszenierten Duschmord ums Leben kommen, so ist De Palmas Ansatz nicht weniger spektakulär umgesetzt. 5 Minuten 36 Sekunden vergehen in der Unrated Version zwischen dem Rufen des Fahrstuhls und dem Ende der Szene. Auch wenn dieser Vergleich etwas weit hergeholt erscheint, erinnert mich dieser Teil des Films immer an die Übergabe bei einem Staffellauf. Angie Dickinson überreicht hier die Staffel an Nancy Allen, die (als frische Läuferin) die Hauptrolle übernimmt und nun versuchen muss, den Killer zu überlisten (abzuhängen), der Angie zur Strecke gebracht hat. - Filmisch sind die fünfeinhalb Minuten ein Hochgenuss. Eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven, Großaufnahmen und Details verbunden mit einem effektiven Einsatz der Zeitlupe, einem grandiosen Score von Pino Donaggio und einem äußerst skurrilen Soundeffekt in dem Moment, als Nancy Allen die lauernde Killerin im Fahrstuhlspiegel entdeckt...ganz großes Kino!

Mittwoch, Februar 14, 2007

24 mal wieder in der Folter-Kritik


Ein Thema, über das ich vor wenigen Monaten bloggte, schlägt nun wieder Wellen: Folterdarstellungen im Film beziehungsweise im Fernsehen.

Die Internet Movie Data Base berichtet heute Folgendes:

The US military has criticized the producers of TV hit 24 for featuring too many scenes of Kiefer Sutherland's character Jack Bauer torturing suspects for information. Brigadier General Patrick Finnegan recently visited the set of the hit show in California to speak to the show's makers. Finnegan is concerned about the effect the torture scenes are having on US troops abroad as 24 is popular among members of the American armed forces. According to the New Yorker, Finnegan told the producers, "I'd like them to stop. They should do a show where torture backfires. The kids see it and say, 'If torture is wrong, what about 24?' The disturbing thing is that although torture may cause Jack Bauer some angst, it is always the patriotic thing to do." Human Rights First spokesman David Danzig says, "I think there is no question (that torture scenes are having an effect). We have spoken to soldiers with experience in Iraq who say, for young soldiers, there is a direct relationship between what they are doing in their jobs and what they see on TV. The image of the US and its military is being affirmed."

Das sind nicht die ersten Vorwürfe, denen 24 diesbezüglich ausgesetzt ist. Das Folterbild, welches in 24 gezeichnet wird, war schon in den vergangenen Jahren Anlass für Kritik. Teilweise zurecht, wie ich meine. So spannend und komplex 24 auch inszeniert ist, verkauft die Serie das Foltern oftmals als ein legitimes Mittel zum Zweck. Insofern ist die Kritik des US-Militärs generell begrüßenswert. Es darf jedoch nicht kurzschlussartig gefolgert werden, dass die Darstellung von Folter für reale Folter direkt verantwortlich sei. Eine solch vereinfachte Denkweise käme dem US-Militär zwar gerade recht, würde das wahre Ursachenbündel, welches Folter erst möglich macht, aber nicht richtig wiedergeben.

Links zum Thema:

SutterCains (Film-)Blog: Folter im Film
Etwas Bildendes: Folter bei Wikepedia
Etwas Schockierendes: The Abu Ghraib Files
Etwas Feuilletonistisches: Kaputte Körper - Foltergewalt im Film
Etwas Makaberes: Eine Top 10 Liste von Filmfolterszenen

Sonntag, Februar 11, 2007

Masters of Horror: The Washingtonians


Peter Medak (The Changeling) serviert uns einen Kannibalenhappen kurz vor Ende der zweiten Staffel: Nach dem Tod der Großmutter zieht ein Mann mit seiner Familie in das von ihr geerbte Anwesen. Im Keller des Hauses findet er hinter der Leinwand eines George Washington Porträts ein handschriftliches Dokument des ersten Präsidenten höchstpersönlich, in dem er seine Vorliebe für Kinderfleisch gesteht. Die "Washingtonians", ein Geheimorden altertümlich gekleideter Kannibalen mit einem Hang zu hässlichen Zahnprothesen, setzt alles daran, dieses historische Dokument an sich zu bringen und die Familie zu einem Dinner einzuladen.

The Washingtonians unterscheidet sich von den bisherigen Folgen insofern, als dass sie lahm beginnt, nur langsam Fahrt aufnimmt, gegen Ende dafür in ordentlichem Tempo einen humoristischen Kracher nach dem anderen zündet. Des Öfteren wünscht man sich zu Beginn die Familie in den Suppentopf. Das verängstigte Kind, die vorbildliche amerikanische Kernfamilie - es ist kaum noch zu ertragen. Doch die Idee, ein nationales Heiligtum zu einem Kannibalen zu erklären, entschädigt für all das.

Der Humor ist 'over the top'. Mit dem Auftritt Saul Rubineks (The Bonfire of the Vanities) als Karikatur eines Geschichtsprofessors vollzieht die Episode den Sprung ins eindeutig Komische. Und das lässt sie besser werden, denn die vermeintlichen Spannungsmomente sind allesamt schwach inszeniert und wollen nicht recht funktionieren.

Wie ernst man die politische Ebene nehmen will, bleibt wohl jedem selbst überlassen. Für meinen Geschmack wird hier etwas dick aufgetragen. Aber dafür wirkt diese makabre Politsatire eindeutig gelassener und unverkrampfter als Joe Dantes Homecoming.

6/10 Punkten.

Freitag, Februar 09, 2007

Brian De Palma Remix

Ein witziger Remix aus einer ganzen Reihe von Brian De Palma Filmen, unterlegt mit der Musik aus dem Black Dahlia Trailer ("Dirge" von Death In Vegas)...



Donnerstag, Februar 08, 2007

Masters of Horror: The Black Cat


Ein Erfolgsquartett könnte man meinen: Edgar Allan Poe (Vorlage), Dennis Paoli (Drehbuch), Stuart Gordon (Drehbuch und Regie) und Jeffrey Combs (Hauptdarsteller). Paoli und Gordon haben einige Erfahrung beim Adaptieren von Stoffen klassischer Horrorgrößen. Und Combs ist meist der Star ihrer Filme. Bedauerlicherweise scheitern die drei diesmal.

Grundlage für diese Episode ist Poes Kurzgeschichte The Black Cat, an der sich vor knapp 17 Jahren bereits Dario Argento versuchte. Und wie Argento damals im zweiten Teil von Two Evil Eyes, so gelingt auch Gordon heute nur ein leidlich unterhaltsamer 60-Minuten-Film. Während sich Argento jedoch einzig an der Kurzgeschichte als Vorlage orientierte, verwebt Gordon das Leben Poes mit der Handlung der Short Story.

Jeffrey Combs spielt Edgar Allen Poe, der sich um seine unter Tuberkulose leidende Ehefrau kümmert, gleichzeitig unter chronischem Geldmangel sowie der Alkoholsucht leidet. Poe steigert sich in einen Wahn, Realität und Psychosen verschwimmen, und sein schwarzer Kater Pluto lässt ihn nicht zur Ruhe kommen.

Der Ansatz, den Paoli und Gordon wählen, ist begrüßenswert vielschichtig. Nur schaffen sie es nicht, den Zuschauer in Poes Wahn hineinzuziehen. Man kann nur schwer nachvollziehen, warum Poe einen solchen Groll gegen den Kater entwickelt. Und -ähnlich wie in Argentos Film- bemitleidet man das Tier für die Torturen, welche ihm auferlegt werden, distanziert sich infolgedessen von der Hauptfigur und verliert deshalb das Interesse am Geschehen. Hinzu kommt, dass eine einzelne Katze visuell nicht wirklich bedrohlich wirkt.

Mick Garris' Beitrag Valerie on the Stairs, ein thematischer Zwilling von The Black Cat, vermochte den verwirrten geistigen Zustand des Schriftstellers auf den Zuschauer zu übertragen, ihn ihm begreifbar zu machen. Gordon scheitert an dieser Stelle und selbst Combs, der vermutlich talentierteste und größte Schauspieler des Horrorgenres der Gegenwart, schafft es trotz Poe-Perücke, Schnurrbart und Gumminase nicht, uns den Vater moderner Horrorliteratur nahezubringen.

Gordon entsättigt die Farben, gibt dem Ganzen einen monochromen Look. Nur das Rot des Blutes und das Grün der Katzenaugen darf strahlen. Ein gelungener optischer Einfall. Einige der CGI-Splattermomente (z. B. das Ausstechen eines Katzenauges) wirken dagegen ziemlich billig.

Insgesamt ein mutiger Versuch, das Leben des großen Edgar Allan Poe mit einer seiner Kurzgeschichten zu verflechten, der leider misslingt.

5/10 Punkten.

Samstag, Februar 03, 2007

Filmtipp: Agents secrets


Aus dem Weltraum kommend fahren wir am Mond vorbei und gleiten in einer Kreisbewegung langsam auf die Erde zu. Satelliten funkeln im düsteren Schatten des Planeten, hinter dem die Sonne aufgeht. Wir bewegen uns durch eine dünne Wolkenschicht, hinweg über einen Küstenstreifen, hinaus aufs Meer zu einer Fähre. Die weiße Gischt schäumt am Heck. Ein Mann lehnt an der Reling und schaut uns mit festem Blick entgegen. In dem Moment die Augenpartie des Mannes das grobkörnige Breitwandbild ausfüllt, wird weiß aufgeblendet. - Mit dieser gut zweiminütigen Kamerafahrt eröffnet Regisseur Frédéric Schoendoerffer seinen Film Agents secrets. Und dieser Establishing Shot ist programmatisch zu verstehen: Schoendoerffer möchte direkt klarstellen, dass er das Agentenfilmgenre zurück auf die Erde holen wird. Genau das tut er nämlich in den darauffolgenden 100 Minuten.


Die letzten Sekunden des Establishing Shots. Schoendoerffer zitiert sich hier selbst. Bereits Scènes de crimes eröffnete er mit einer elaborierten Kamerafahrt, die auf dem Gesicht eines Mädchens endete. Handelte es sich in Scènes de crimes um das Opfer eines Serienkillers, so endet auch das Leben der Figur in Agents secrets nur wenige Filmminuten später.


Bereits in Scènes de crimes gewann Schoedoerffer dem Krimi eine erschütternd nüchterne Realitätsnähe ab, indem er die Menschen hinter den Fassaden ihrer Berufsrollen zeigte. Schonungslos. Nicht in mainstreamtauglichen Schwarzweißmustern. Und das Gleiche versucht er hier auf die Welt der Geheimagenten zu übertragen. So handelt die erste Hälfte des Films von einem Sabotageakt, der in einem James Bond Film vielleicht fünf oder zehn Minuten Leinwandzeit bekäme. Ein Team von französischen Topagenten soll in Casablanca am Frachter eines russischen Waffenhändlers Bomben anbringen. Die Mission gelingt. Doch am Flughafen wird die Agentin Barbara (kalt aber sinnlich: Monica Bellucci) wegen Drogenbesitzes verhaftet. Wer steckt dahinter? Agent Brisseau (Vincent Cassel) ermittelt auf eigene Faust und muss feststellen, dass Verbrecher und Staatsbeamte nicht auseinanderzuhalten sind. Agents secrets wirft eine Reihe nachdenkenswerter Fragen auf, die sich James Bond oder Jason Bourne niemals stellen brauchen. Wann ist ein Mord zum Schutze des Staates moralisch gerechtfertigt? Welche Instanz trifft diese Entscheidung? Darf ein "guter" Spion seine Aufträge überhaupt in Frage stellen, wenn er die großen Zusammenhänge doch gar nicht kennt? Widerspräche dies nicht seiner eigentlichen Funktion? Und was passiert mit Menschen, die ein solches Leben führen? - Das sind unangenehme Fragen. Fragen, die nicht jeder Freund des Genres gerne gestellt bekommen möchte, was wohl ein Grund dafür ist, warum Agents secrets bei einem Großteil des Kinopublikums 2004 auf Ablehnung stieß. Die Antworten, die Schoendoerffer auf diese Fragen gibt, sind übrigens mindestens ebenso unangenehm wie die Fragen selbst. Am Ende des Films sagt Barabara mit einer Gesichtsfarbe bleich wie ein Bettlaken, sie fühle sich leer, vollkommen leer.

Diese Leere, die nicht nur in, sondern auch zwischen den Figuren herrscht, drückt sich durch einen kontinuierlichen Mangel an Dialogen aus. Die ersten Worte des Films fallen erst nach knapp zwölf Minuten. Es wird nur gesprochen, wenn es absolut notwendig ist. Als Brisseau einmal ein persönliches Gespräch mit Barbara beginnen möchte, blockt sie sofort ab. Glücklicherweise ist Schoendoerffer ein begnadeter Bildkomponist und visueller Geschichtenerzähler. Er braucht keine Dialoge, um den Plot fesselnd zu entfalten.

Agents secrets ist in gewisser Weise eine Dekonstruktion klassischer Agentenfilme. Zwar bietet Schoendoeffer einige Actionsequenzen, aber diese sind niemals schaueffektorientiert, sondern klar handlungsbedingt. Sie fungieren als Erinnerung und Vergewisserung für den Zuschauer, welche Genrekonventionen der Film hinterfragen und neu verhandeln will. Agents secrets ist deshalb nicht weniger spannend als etwa ein Bondfilm. Im Gegenteil: Gerade weil Schoendoerffer eine mögliche französische Variante des britischen Geheimagenten nicht interessiert, entsteht ein neuer Raum, in dem sich eine viel beängstigendere Spannung entwickeln kann.

Frédéric Schoendoerffer ist ein Unikat. Ich kenne keinen Filmemacher, der einerseits so elegant inszeniert, so kunst- und liebevoll die große Leinwand bebildert, andererseits an der Realität interessiert ist, weg möchte vom Artifiziellen des Mainstreamkinos, gleichzeitig aber die Auseinandersetzung mit den großen Hollywoodfilmen sucht. Das hat zweifellos etwas Schizophrenes. Im Fall von Frédéric Schoendoerffer ist das jedoch eine gesunde, belebende, erfrischende Form der Schizophrenie. Ich hoffe, dass er sie sich lange bewahrt und blicke seinem nächsten Werk Truands, das vor zwei Wochen in Frankreich und Belgien angelaufen ist, mit Freude entgegen.

Donnerstag, Februar 01, 2007

Masters of Horror: We All Scream for Ice Cream


Tom Holland hat in der zweiten Hälfte der 80er mit Fright Night und Child's Play zwei beachtliche Filme abgeliefert, die beide Sequels nach sich zogen und bis heute wenig von ihrem Charme verloren haben. Doch ab Beginn der 90er bewies Holland ein weniger glückliches Händchen bei der Realisierung seiner Projekte. So adaptierte er zwei Stephen King Geschichten (Thinner und The Langoliers) - beide alles andere als herausragend. In seinem Masters of Horror Beitrag We All Scream for Ice Cream taucht nun ein Monster in Gestalt eines Clowns auf. Das erinnert unweigerlich an eine weitere mittelmäßige Stephen King-TV-Verfilmung aus den 90ern: It. Während der Clown Pennywise in It jedoch ein uraltes Wesen ist, das sich von Kindern und deren Ängsten ernährt, handelt es sich bei Buster (William Forsythe) in We All Scream for Ice Cream um einen auf Vergeltung sinnenden Eisverkäufer, der die Kinder seiner einstigen Peiniger als Rächer missbraucht.

Der vorbildliche Familienvater Layne (Lee Tergesen) kehrt in die Stadt seiner Kindheit zurück. Seine damaligen Freunde (die ganze Bandbreite von Kinderstereotypen wird hier bedient) verschwinden nach und nach - dank Buster dem Clown. In mehreren Rückblenden erfahren wir nun von einem dunklen Geheimnis, das die Freunde miteinander verbindet.

Abgesehen davon, dass Holland es nicht schafft, auch nur für einen Moment eine annähernd gruselige Atmosphäre zu kreieren, die dem vorhersehbaren Plot und der konventionellen Erzählstruktur etwas entgegenhalten könnte, erleben wir hier die bislang schwächsten Schauspielerleistungen dieser Season. Ganz schlimm sind die Kinderdarsteller. Und obendrein versachlicht das Drehbuch die durchweg stereotypen Kinderfiguren auch noch zu reinen Werkzeugen, die der Handlung dienen. Nun ist man ja aus amerikanischen Filmen gewöhnt, völlig unrealistische Kinderfiguren präsentiert zu bekommen (Hi, Mr. Spielberg!), doch We All Scream for Ice Cream schießt den Vogel ab. Würde eine andere Minderheit auf eine derart freche (und vom Drehbuch unbegründete) Art und Weise verdinglicht werden, wären Protestschreie zu hören. Nur: Kinder haben keine Lobby...und sind zu jung für Masters of Horror. Das ist in diesem Fall jedoch eindeutig ihr Glück!

3.5/10 Punkten.