Montag, April 30, 2007

Film noirs in Kürze: Zweimal Jules Dassin


Night and the City spielt im Londoner East End. Der kleine Trickbetrüger Harry Fabian (Richard Widmark) wittert seine große Chance, als er dem Gangster Kristo (Herbert Lom) den Ringer Gregorious the Great (Stanislaus Zbyszko) wegschnappt, um ihn und seinen Schüler zu managen. Finanziell unterstützt wird Harry dabei sowohl von Helen (Googie Withers), als auch von ihrem Ehemann, dem schmierigen Nachtclubbesitzer Phil Nosseross (Francis L. Sullivan). Doch Phil treibt ein doppeltes Spiel mit Harry. - Ein großartiger Gangsterfilm in den düsteren Straßen von London. Night and the City entlockt den verwinkelten Gassen East Ends etwas Bedrohliches, das man so noch nicht gesehen hat. Harry Fabian ist eine Figur, an der man sich dank der großartigen Leistung von Widmark wunderbar reiben kann: Einerseits ein opportunistisches Schwein, das seine Freunde für den eigenen Profit ausnutzt, andererseits ein durchaus charmanter, liebenswürdiger und (trotz seiner Gangstermentalität) weicher, zerbrechlicher Held, mit dem wir mitfiebern. Dem Opfer der McCarthy-Ära, Jules Dassin, steht es hoch an, in der Zeit der Hexenjagd auf vermeintlich kommunistische Künstler, einen Film mit solch einer antikapitalistischen Grundhaltung in Szene gesetzt zu haben.
78 Punkte.




Rififi entstand fünf Jahre nach Night and the City. In der Zwischenzeit hatte Dassin keine Filme gedreht, weil sein Name auf der schwarzen Liste des Komitees für unamerikanische Umtriebe stand. Und er hätte in Hollywood 1955 auch keinen Film drehen können. In Frankreich sah das jedoch anders aus. So entstand dieser französische Film noir. Glänzten die feuchten Straßenzüge Londons in Night and the City, sind es in Rififi die regennassen Straßen von Paris, die in Schwarzweiß nie schöner ausgesehen haben. - Der frisch entlassene Einbrecher Tony (Jean Servais) plant mit zweien seiner Freunde und einem lebenslustigen italienischen Safeknacker den ganz großen Coup: Den Einbruch bei einem mit modernster Sicherheitstechnik ausgerüsteten Juwelier. Der meisterhaft inszenierte Einbruch ist ein Erfolg, doch ein allzu menschlicher Fehler führt in den Untergang. - Rififi gehört zu den Pflichtfilmen nicht nur des Film noir Genres. Jeder, der von sich behauptet, cinephil zu sein, sollte diesen Streifen kennen.
82 Punkte.

Sonntag, April 29, 2007

Film noirs in Kürze

Kirk Douglas spielt in Ace in the Hole den opportunistischen Zeitungsreporter Tatam, der einen Bergarbeiter eine Woche lang eingeklemmt im Stollen liegen lässt, um die Story seiner Befreiung melken zu können. Ein böser Blick auf die Sensationsgeilheit von Presse und Menschen allgemein. Heute ist das natürlich aktueller denn je. Gleichwohl scheitert dieses Lehrstück an seiner überdeutlichen didaktischen Absicht. Douglas brilliert in seiner Rolle als Unsympath. Doch die Art, wie Billy Wilder die völlig vorhersehbare soziale Achterbahnfahrt des "Reporter des Satans" (deutscher Titel) inszeniert, macht Ace in the Hole trotz gelegentlich recht amüsanter Political Incorrectness gegenüber Indianern und Frauen zu einer zu dick aufgetragenen Gesellschaftskritik.
62 Punkte.


Black Angel ist ein erstklassiger Whodunit: Der alkoholkranke Bar-Pianist Martin Blair (Dan Duryea) verbündet sich mit der Gattin eines unter Mordverdacht stehenden Angeklagten, um den gewaltsamen Tod seiner Ex-Frau aufzuklären. Dafür schleusen sich die zwei, als Musiker getarnt, in den Luxus-Nachtclub des zwielichtigen Marko (Peter Lorre) ein. - Großartiger Krimi mit streckenweise düsterer Atmosphäre, zwei exzellent geschnittenen Spannungsmomenten und durchweg guten Darstellern.
75 Punkte.


Gun Crazy habe ich ja bereits ausführlich besprochen, führe ihn hier noch einmal zur Komplettierung an: Gun Crazy hatte starken Einfluss auf das Genre der Road Movies, ist auf Kameraebene einer der besten Film noirs überhaupt. Auch wenn man diesen Film in moderneren Varianten schon etliche Male gesehen hat, macht er einfach Spaß.
70 Punkte.

Donnerstag, April 26, 2007

Film noirs in Kürze: Zweimal Philip Marlowe


Heute zweimal Philip Marlowe!

Zunächst Murder, My Sweet: Privatdetektiv Marlowe (Dick Powell) wird vom Koloss und frisch entlassenen Knacki Moose Malloy (Mike Mazurki) beauftragt, seine alte Freundin zu finden. Gleichzeitig ermittelt Marlowe den Raub einer wertvollen Jadekette, die der lasziven Helen Grayle (Claire Trevor als Femme Fatale) gestohlen wurde. Man muss kein Genie sein, um zu erraten, dass diese zwei Fälle irgendwie miteinander verbunden sind. Zwischendrin einige dubiose Gestalten, die den letztlich recht simplen Fall Chandler-typisch verkomplizieren. - Keine Frage: Chandlers Dialoge grenzen streckenweise an Poesie. Ebenso die Voiceover-Kommentare, die er Marlowe in den Mund legt. Und auch die kriminologischen Verflechtungen sind smart. Aber auf mich wirkt das im Fall von Murder, My Sweet etwas kühl und unpersönlich. Powell erreicht auch nicht annähernd das Format eines Humphrey Bogart. Und so bedient Murder, My Sweet den Noir-Liebhaber zwar mit den Ingredienzen des Genres, war aufgrund seines Entstehungsjahres 1944 sogar in hohem Maße stilbildend, ist letztlich aber trotz passablem Unterhaltungswertes insgesamt etwas fad.
67 Punkte.



The Big Sleep ist da von einem anderen Kaliber! Hier erleben wir Humphrey Bogart in der Rolle des brüsken Privatschnüfflers Philip Marlowe. Schwitzend nimmt Marlowe bei reichlich Alkoholgenuss in einem stickigen Gewächshaus seinen Auftrag von einem alten, an einen Rollstuhl gefesselten, General entgegen. Eine Szene, deren Einfluss auf The Big Lebowski sich mir erst rückwirkend erschloss. Die zwei heißen Töchter des Generals (Martha Vickers und Lauren Bacall) sowie der obskure Buchhändler Geiger (Theodore von Eltz) und ein Casinobesitzer (Joe Ridgely) sind die wichtigsten Protagonisten in dem Fall. Geiger stirbt dann auch ziemlich schnell und so dreht es sich nunmehr um die Frage, wer ihn aus welchem Motiv umgebracht haben könnte. Doch der Plot wird zunehmend konfus. Das schadet aber nicht, weil jede Szene durch ihre eigene Kraft fesselt. Auch wenn die Handlung verworren und unlogisch erscheint, bleibt das Knistern zwischen Bogart und all den anderen fabelhaften Darstellern, die durch Howard Hawks präzise Regie nicht besser hätten in Szene gesetzt werden können. Bei diesem Film ist der Weg das Ziel! Wer nun der Mörder in The Big Sleep ist, das wisse nicht einmal Raymond Chandler, warf der US-Kritiker Leonard Maltin dem Film vor und gab ihm anschließend trotzdem seine Höchstwertung.
80 Punkte.

Dienstag, April 24, 2007

Film noirs in Kürze


In Scarlet Street von Fritz Lang darf einer der am häufigsten in Noir-Filmen vertretenen Darsteller, Edward G. Robinson, den introvertierten Bankangestellten Chris Cross mimen. Ein armes Würstchen, das, um der prolligen Femme Fatale Kitty March (Joan Bennett) zu helfen, erst seiner Frau und später seinem Arbeitgeber Geld stiehlt. Kitty glaubt, Chris sei Künstler. Als Kittys brutaler Freund Johnny (Dan Duryea) die Werke des Hobbymalers veräußern will, stellt sich heraus, dass Chris' düstere Malereien tatsächlich viel Geld wert sind. Ein Unglück bahnt sich an. Alle Figuren vereint, dass sie sich einerseits ihren starken Gefühlen hingeben, ja unter ihnen leiden, andererseits nicht in der Lage sind, die Befindlichkeiten ihres Gegenübers zu erkennen. - Scarlet Street überzeugt durch ein verhältnismäßig humorvolles Drehbuch, den fabelhaften Edward G. Robinson und Langs einmaligen Blick für Details. Leider ist das Ende aufgrund der damals von Filmen zu erfüllenden Sittenvorstellungen etwas moralinsauer geraten.
74 Punkte.



Out of the Past gehört eindeutig zur Crème de la Crème des Genres. Für Viele ist er der beste Film noir, der je gedreht wurde. Ganz soweit will ich nicht gehen. Dennoch: Der heutzutage weniger bekannte Regisseur Jacques Tourneur vereinigt in diesem Thriller alles, was einen außergewöhnlichen Film noir ausmacht: Elaborierte Rückblenden, eine verführerische Femme Fatale (Jane Greer), atmosphärische Schwarzweiß-Kameraarbeit und eine mitreißende Krimihandlung. Robert Mitchum, der von sich behauptete, er habe nur drei Gesichtsausdrücke ("Ich guck nach links. Ich guck nach rechts. Ich guck geradeaus."), spielt einen Privatdetektiv namens Jeff Bailey, der von Whit Sterling (Kirk Douglas) beauftragt wird, seine diebische Freundin Kathy (Greer) ausfindig zu machen. Jeff entdeckt sie in Mexiko und verliebt sich. Unerfreuliche Geschehnisse nehmen nunmehr ihren Lauf. - Out of the Past verdankt seine herausragende Stellung zum großen Teil den fantastischen Darstellern und insbesondere Robert Mitchum, der hier wunderbar unpathetisch agiert. Out of the Past ist ein schillernder Höhepunkt der schwarzen Serie: unprätentiös und glatt an der Oberfläche aber im Kern eine aufwühlende Fabel über die Wirren der Liebe.
90 Punkte.

Sonntag, April 22, 2007

Film noirs in Kürze


In den kommenden Wochen werde ich etwa 30 Film noirs vorstellen. Ich werde mich auf wenige Zeilen zu Inhalt und Qualität beschränken, dafür aber jeweils mehrere Film noirs auf einmal präsentieren. Für diese Rubrik verwende ich ausnahmsweise eine Punkteskala, die sich zwischen 0 und 100 bewegt.



The Blue Dahlia basiert auf einem Drehbuch Raymond Chandlers. Der frisch heimgekehrte Soldat Johnny (Alan Ladd) gilt als Hauptverdächtiger am Mord seiner Frau Helen. Er entzieht sich der Polizei und versucht den Fall auf eigene Faust zu lösen. An seiner Seite die attraktive Joyce (Veronica Lake). - Solide inszenierter Krimi mit den Chandler-typischen Plottwists und einigen Längen.
63 Punkte.

Shadow of a Doubt ist ein Film Noir vom Meister höchstpersönlich: Alfred Hitchcock. Doch obschon es sich um Hitchcocks Lieblingsfilm im eigenen Gesamtwerk handelt, kann mich dieser elegant fotografierte Kleinstadt-Thriller nicht durchweg fesseln. Onkel Charlie (Joseph Cotten) sorgt für Aufregung im Hause seiner Verwandten. Seine junge Nichte, die ihn anfänglich innig liebt, entwickelt langsam den Verdacht, ihr Onkel könnte ein gesuchter Witwenmörder sein.
60 Punkte.


In a Lonely Place gehört zu den Film noirs mit Humphrey Bogart und gefällt mir besser als der in meinen Augen überbewertete The Maltese Falcon. Der zynische und aggressive Drehbuchautor Dixon Steele (Bogart) gerät unter Verdacht, ein junges Mädchen umgebracht zu haben. Seine neue Nachbarin Laurel (Gloria Grahame) kann ihm jedoch ein Alibi geben. Die zwei verlieben sich. Doch der Mord an dem Mädchen wirft lange Schatten auf die frisch Verliebten. Dicht inszenierter, exzellent gespielter und toll beleuchteter Klassiker.
70 Punkte.

Dienstag, April 17, 2007

Die glorreichen 7: Einbrüche


Die Raffinesse, mit der ein Raub durchgeführt wird, fasziniert Zuschauer immer wieder. Wie der Zufall es wollte, habe ich in den vergangenen Wochen mehrere exzellente Heist-Filme gesehen. Warum sich also nicht einmal Gedanken darüber machen, welches die besten Raubszenen sind?

Die englische Wikipedia weist darauf hin, dass ein Heist-Film (auch als 'caper movie' bekannt) normalerweise aus drei genretypischen Akten besteht. Diese Aktstruktur fällt bei dieser Filmgattung besonders deutlich auf, weil sie logischerweise eng mit dem Raub verknüpft ist:

1. Akt: Planung des Raubs
2. Akt: Durchführung des Raubs
3. Akt: Zerwürfnis der Diebe durch innere und/oder äußere Einflüsse


Quentin Tarantinos Debütfilm Reservoir Dogs ist ein Sonderfall und konzentriert sich auf den dritten Akt, macht daraus einen eigenständigen Film.

Ein bemerkenswerter Bestandteil, der manchmal nah am Fantastischen liegt, ist das Gerät, mit dessen Hilfe der Einbruch durchgeführt wird. Wer über solch teures Spezialwerkzeug verfügt und das Wissen besitzt, es gekonnt zum Einsatz zu bringen, müsste im normalen Leben keine Einbrüche durchführen - so schießt es mir dabei immer durch den Kopf.

James Belushi und James Caan bei der Vorbereitung des speziellen Schweißbrenners in Michael Manns Thief. Gigantischer Phallus oder ist die Zigarre hier nur eine Zigarre?

Hochintelligente Männer wie Neil McCauley (Robert De Niro) in Heat oder Luther Whitney (Clint Eastwood) in Absolute Power wären nicht wirklich angewiesen auf ein Leben in der Illegalität. Hier bedienen sich die Drehbuchautoren dann irgendeines Kunstgriffs, der diesen Widerspruch erklärt. Sei es der Adrenalinkick, die dringende Finanznot oder eine Robin-Hood-Mentalität. Bei einem versoffenen, notgeilen Faulpelz wie Willie (Billy Bob Thornton) in Bad Santa erscheint mir der Drang zum Einbrechen schon nachvollziehbarer.

Dass ein Einbruch auch seine lustigen Seiten hat, ist spätestens seit Peter Collinsons The Italian Job klar. Fester Bestandteil regelmäßiger Film-Produktionen wird das Comedy-Caper-Movie wohl auch in Zukunft bleiben.

The Italian Job: "You're only supposed to blow the bloody doors off!"

Eine Sache möchte ich noch klarstellen, bevor es losgeht: Es geht mir nicht darum, eine Liste mit reinen Heist-Filmen zusammenzustellen, sondern sie soll atemberaubende Heist- Szenen beinhalten. Meist sind das ohnehin Heist-Filme. Aber eben nicht immer...


7. Snatch eröffnet mit einem Einbruch in Antwerpen, der mir aus zwei Gründen sehr lieb ist: Erstens zieht Guy Ritchie in der Credit-Sequenz seinen Hut vor Brian De Palma, aus dessen The Fury er den langsamen Schwenk über die verschiedenen Überwachungsmonitore der Bank "stiehlt". Und, zweitens, empfinde ich den Sprung in den ultraschnellen Überfall mit seinen stakkatohaften, saltoschlagenden Kamerafahrten zu der elektrisierenden Musik wunderbar. Dieser Umschwung löste bei mir beim ersten Kontakt mit Snatch eine wohlige Gänsehaut aus. Bis heute beginnt mein Adrenalin bei dieser Szene zu pumpen. - An dieser Stelle sollte noch kurz auf die Überfallsequenz aus Ritchies Lock, Stock and Two Smoking Barrels verwiesen werden, in der die kunstvoll miteinander verwobenen Handlungsstränge zusammenfinden und zu einem großen Chaos führen. Wenn Ritchie etwas kann, dann ist es die Inszenierung von Heist-Szenen.


6. The League of Gentlemen habe ich zu meinem Bedauern lange nicht mehr gesehen. Aber es handelt sich um einen jener Filme, die mich als Kind erstmals für das Medium Film begeisterten. Die militärische Präzision, mit der der Bankraub hier geplant und durchgeführt wird, ist faszinierend und witzig zugleich. Im Vergleich zum im selben Jahr erschienenen Ocean's Eleven eindeutig die bessere Wahl!


5. Für mich der beste Michael-Crichton-Film: The Great Train Robbery. Sean Connery und Donald Sutherland in einem liebevoll inszenierten Period-Piece, von Crichton gründlich recherchiert. Gerade weil die Technik, die beim Raub zum Einsatz kommt, im Zeitalter durchtechnisierter, firewallgeschützter Superrechner so angenehm einfach und verständlich erscheint und auch für den Laien nachvollziehbar ist, hat sich The Great Train Robbery einen Ehrenplatz auf dieser Liste verdient. Ein wunderbarer Raub und einer der besten Heist-Filme aller Zeiten.


4. Jean-Pierre Melvilles Le Cercle rouge habe ich vor wenigen Tagen das erste Mal gesehen und bin schwer begeistert. Er hat es sofort in meine Liste der 50 besten Filme geschafft. Warum inszenieren Tarantino und Mann so, wie sie es tun? Diese Frage wird zu einem großen Teil durch diesen Film beantwortet. Der titelgebende rote Kreis geht auf ein Epigramm Buddhas zurück: Buddha drew a circle with a piece of red chalk and said: "When men, even unknowingly, are to meet one day, whatever may befall each, whatever their diverging paths, on the said day, they will inevitably come together in the red circle." Der Einbruch stellt einen solchen roten Kreis dar. Hier kommen drei Männer zusammen, die aus unterschiedlichen Motiven den Raub durchführen. Die Sequenz selbst ist tadellos in Szene gesetzt. Absolut nervenaufreibend, wenn auch -wie alle älteren Filme, die elektronische Sicherheitsbarrieren beinhalten- technisch nicht mehr auf dem neusten Stand. Doch das tut der Spannung keinen Abbruch.


3. Diesmal schafft es der De Palma Film nicht auf Platz eins. Sonst wird mir womöglich von bösen Zungen vorgeworfen, ich sei parteiisch! (Das bin ich doch sowieso.) Der Einbruch in die CIA-Zentrale in Langley in Mission: Impossible hat es zweifellos verdient, in diese Liste aufgenommen zu werden. Ebenso hätte es übrigens die Heist-Szene aus Femme Fatale. Aber ich will mich auf einen Film pro Regisseur beschränken. Ethan Hunt (Tom Cruise) lässt sich aus zehn Meter Höhe an einem Seil in einen Hochsicherheits-Computerraum hinab, der wie ein riesiges Spinnennetz aussieht (brillantes Setdesign), bei dem der Boden nicht berührt werden und die Raumtemperatur nicht steigen darf. Jedes Geräusch von der Lautstärke eines Flüsterns würde außerdem den Alarm auslösen. Der Mangel an Geräuschen während des Einbruchs wirkt sich hier unmittelbar auf den Zuschauer aus, der seinen Atem anhält. Die Sequenz ist großartig geschnitten und hat am Ende eine bestechende Pointe!


2. Heat - Was soll man zu diesem Meisterwerk noch groß sagen, was nicht schon gesagt worden ist? Einer der fünf besten Filme der 90er Jahre. Michael Manns bislang packendster Film. Al Pacino und Robert De Niro in Topform. Sämtliche Raubszenen des Films sind grandios. Mein Favorit ist gleich die erste. Die brachiale Attacke auf den Geldtransporter wirkt bombastisch und gleichzeitig vollkommen realistisch. Hoffentlich gibt es Heat demnächst mal wieder im Kino zu bewundern, denn nur dort funktioniert er so, wie er gedacht ist.


1. Rififi ist der Ur-Heist-Film. Auf ihn geht vieles zurück: Die Stille während des Einbruchs zum Beispiel. Der Komponist hatte schon einen Score für diese Sequenz geschrieben. Doch als ihm Regisseur Jules Dassin den Raub ohne musikalische Begleitung vorführte, war sogar ihm klar, dass Musik die Spannung nur vermindern würde. Für 33 Minuten verfolgen wir die harte Arbeit der Männer: Das Durchbohren einer Decke, das Umgehen des Alarmsystems und das Knacken des Safes - mit einer Art Dosenöffner wird der Safe schließlich geöffnet. Es wird gemunkelt, dass Rififi einige Einbrecher in der realen Welt inspirierte. Was wäre wohl eine größere Auszeichnung für einen Heist-Film?

Donnerstag, April 12, 2007

Filmtipp: The Killing of a Chinese Bookie


Die Handlung ist schnell umrissen: Der Nachtclubbesitzer Cosmo Vitelli (großartig: Ben Gazzara) verliert in einem Pokerspiel 23.000 Dollar. Da er nicht zahlen kann, soll er einen chinesischen Buchmacher liquidieren.

Um 27 Minuten kürzte John Cassavetes seinen Neo-Noir, zwei Jahre nachdem er 1976 in die Kinos gekommen war. Kritik und Publikum hassten The Killing of a Chinese Bookie inbrünstig. Als das Premierenpublikum nach reichlichen Buh-Rufen den Saal verließ, warnten einige der Premierengäste jene Kinobesucher, die für die Anschlussvorstellung anstanden: 'Spart euer Geld, der Film ist der letzte Dreck!' Eine Woche später war dieser atypische Gangsterfilm aus den US-Kinos verschwunden.

Doch Cassavetes schnitt die ursprüngliche Fassung nicht nur wegen der ablehnenden Haltung des Publikums um. Ihm missfiel auch das Tempo des Films. Er hatte ihn in Hetze schneiden müssen, nun wollte er sich genügend Zeit nehmen. Das Resultat wirkt nicht so behäbig wie die 135-minütige Erstfassung, ist leichter konsumierbar und insbesondere das rasantere Opening zieht einen stärker in den Film. Gleichzeitig enthält einem die 108-minütige Fassung Informationen vor, die zum Beispiel erklären, warum Cosmo überhaupt zum Pokerspiel fährt. Beide Versionen haben ihre Stärken und Schwächen. Und gewisse Nuancen kommen sogar erst in der kürzeren Fassung zur Geltung. Deshalb ist es verständlich, dass Criterion keine der Versionen einzeln veröffentlichen wollte, sondern beide zusammen in eine 2-Disc-Edition packte.

Eines ist sicher: In beiden Versionen erleben wir Cassavetes als einen Kino-Poeten. Die Zeit, die er sich dafür nimmt, die einzelnen Szenen ausspielen zu lassen, wie sehr er Gazzara mit der Kamera immer wieder auf die Pelle rückt und dort verharrt, als solle die Kamera ihn küssen, und der wohlüberlegte Einsatz von Musik bzw. die Abwesenheit einer musikalischen Begleitung: Das alles hebt Cassavetes weit über den Realismus eines Abel Ferrara, dessen Filme mir formal noch am ähnlichsten erscheinen. Cassavetes' Killing of a Chinese Bookie wirkt organisch und echt, und zwar nicht 'echt' im Sinne eines Abbildens sozialer Realität, sondern im Sinne der Glaubwürdigkeit von Figuren und Atmosphäre. Dazu tragen auch die Darsteller erheblich bei. Viele von ihnen sind Laien.


Die trashigen Stripteaseshows in Cosmos Club "Crazy Horse West" werden von talentlosen Darstellerinnen und einem noch talentloseren Ansager namens Mr. Sophistication (Meade Roberts) gespielt. Die Aufführungen bieten dabei neben einer hanebüchenen Story noch nicht einmal viel nackte Haut. Und doch: Man begreift sofort, dass Cosmo hier seine künstlerische Ader ausleben kann. Für Cosmo ist der Club ein Traum. Ein zentraler Punkt der Geschichte! Darauf weisen Gazzara und Ruban (Produzent und Kameramann) im Criterion-Interview hin: Die Gangster, die Cosmo zum Mord anstiften, verkörpern jene Mächte im Leben eines jeden Menschen, die einem den Lebenstraum zerstören wollen. Sie seien Seelenräuber. Und unter diesem Blickwinkel sei Gazzara bei den Dreharbeiten klar geworden, dass The Killing of a Chinese Bookie im Kern ein Film über den künstlerischen Kampf John Cassavetes' werden sollte.

Passend zu den Nachtgestalten, die The Killing of a Chinese Bookie bevölkern, verschwinden wiederholt Gesichter in Schatten oder das Bild ist dermaßen unterbelichtet, dass nur noch Umrisse wahrnehmbar sind. Zu großen Teilen ist es ein lupenreiner Dunkelfilm.


Einleitend habe ich geschrieben, es handele sich um einen "Neo-Noir". Doch in Wahrheit lässt sich Cassavetes elfter von insgesamt 15 Filmen keinem Genre zuordnen. Cassavetes selbst sagte wiederholt, er sei kein Gangsterfilm. Aber ganz stimmt auch das nicht. The Killing of a Chinese Bookie ist ein Grenzgänger, der mit Versatzstücken verschiedener Genres spielt, letztlich jedoch die Kriterien keines Genres komplett erfüllt. Aber genau das macht ihn so überragend: Seine Einzigartigkeit.

Dienstag, April 10, 2007

TV: MacArt - Die Geschichte der modernen Kunst


In The Black Dahlia gibt es einen kurzen Moment zwischen Bucky (Josh Hartnett) und Madeleine (Hilary Swank), der die Schwierigkeit vieler Menschen treffend beschreibt, wenn sie einem modernen Kunstwerk gegenüberstehen: Bucky betrachtet ein modernes Porträt Gwynplaines, der titelgebenden Figur aus Victor Hugos "Der lachende Mann", und sagt resignierend: "I don't get modern art", worauf Madeleine lakonisch erwidert: "I doubt modern art gets you either".

Bei youtube gibt es nun eine exzellente Doku zu sehen, die der NDR anlässlich der Documenta 11 in Kassel vor fünf Jahren produzierte, und die Leuten mit eben jenem Problem helfen möchte, moderne Kunst zu entschlüsseln: MacArt - Die wahre Geschichte der modernen Kunst in 35 Minuten.

Der Schotte Michael S. McGlinn erklärt auf sehr humorige Art und Weise in sechs Lektionen die Facetten der Moderne. Ein Beispiel aus Lektion 2 mit dem Titel "NEIN!": Das Nein war das Leitmotiv der Frühmoderne. Die ganzen Bewegungen und Strömungen konnten einander nicht ausstehen und lehnten sich gegenseitig ab, bis ein gewisser Adolf Hitler der Moderne zeigte, wie ein gescheites Nein auszusehen hat.

Dem Autor, Regisseur und studiertem Künstler McGlinn gelingt hier eine fantastische Mixtur aus fundierter Information und beißendem Witz. Warum er dafür keinen Fernsehpreis erhalten hat, ist mir schleierhaft. McGlinn ist aber nicht nur der Macher dieser Doku, er schlüpft auch in die unterschiedlichsten Rollen: Von Kasimir Malewitsch und Salvador Dalì über Adolf Hitler, Andy Warhol und David Hockney bis hin zu John Travolta. Er stellt hemmungslos bekannte Szenerien und Bilder nach, persifliert sie und ihren künstlerischen Entstehungsprozess: Überall wurde geküsst, geleckt, kunstvoll gewaschen und wieder abgetrocknet. Aber hauptsächlich wurde rumgesessen, während der Meister seine Inspiration runterholte.

Diese 35 Minuten Zeit zu investieren, lohnt sich sogar für Kunstexperten, da die Moderne hier vom hohen Sockel geholt, unverkrampft und aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel betrachtet wird. In der Beschreibung auf der 3sat-Homepage heißt es: MacArt ist gnadenlos subjektiv. MacArt ist ohne jede Ehrfurcht. Nach MacArt wird endlich jeder seine Freude an der Moderne haben. - Ob das tatsächlich der Fall ist, wage ich zu bezweifeln. Unzweifelhaft ist jedoch, dass jeder seine Freude an MacArt haben wird.

MacArt ist bei youtube in fünf Teile gegliedert.

Hier geht's zur Playlist.

Und hier sind Links zu den Einzelepisoden:

Teil 1 - Das Genie
Teil 2 - Das 'Nein!'

Teil 3 - Vom 'Nein! zum 'Na und?'
Teil 4 - Sex and Drugs
Teil 5 - Der Tod

Montag, April 09, 2007

The Sopranos - Das Ende hat begonnen


Vor gut acht Jahren, im Januar 1999, begann die Erfolgs- geschichte der Sopranos. Seitdem wurden fünfeinhalb Staffeln produziert. Gestern startete nun die zweite Hälfte der sechsten Staffel. Nach neun Folgen wird am 10. Juni 2007 endgültig Schluss sein mit den Mobstern aus New Jersey.

In freudiger Erwartung der letzten Folgen widmete der Blog der New Yorker Filmkritiker, The House Next Door, den Sopranos eine Themenwoche, analysierte einzelne Folgen, setzte sich mit der Musik auseinander und verglich das Amerikabild der Serie mit dem anderer großer Mafiawerke.

Zur Auffrischung der Geschehnisse aus den vorangegangenen 77 Episoden sei diese siebenminütige Zusammenfassung empfohlen:

Freitag, April 06, 2007

Eyes of Crystal


Was benötigt man für einen Giallo? Einen psychosexuell gestörten Misogynisten mit einem Fetisch für schwarze Handschuhe, blitzende, lange Messerklingen und spektakulär inszenierte Morde. Außerdem: Einen Polizisten oder Detektiv, der versucht, dem Killer auf die Spur zu kommen und dabei selbst in Gefahr gerät.

Was bietet Eyes of Crystal? Einen unter einem Kindheitstrauma leidenden Tierpräparator mit schwarzen Handschuhen, der sich aus überwiegend weiblichen Körperteilen eine Puppe zusammenbasteln will, um sich auf diese Weise selbst zu therapieren. Außerdem: Attraktive Frauen als Opfer des Verrückten und einen gestressten Kommissar auf den Fersen des Killers.

Klingt lustig. Ist es auch die meiste Zeit. Eyes of Crystal bedient den Genreliebhaber durchaus gekonnt mit jenen Zutaten, die er erwartet. Dabei stehen natürlich die bestialischen Morde an erster Stelle, nicht der kriminologische Aspekt der Geschichte. Das ist schließlich der Hauptunterschied zwischen einem Giallo und gewöhnlichen Krimis.

Und bei diesem Exemplar italienischer Genrekost isst auch das Auge mit: Kameramann Luca Coassin schenkt dem Film nicht nur einen coolen Look durch interessante Licht- und Schattenspiele, sondern auch eine optisch dichte Atmosphäre. Von der wackligen Handkamera über Landschaftsmalereien bis hin zu komplizierten Fahrten stellt Coassin die Vielseitigkeit seines Könnens unter Beweis. Glücklicherweise wirkt das niemals angeberisch oder selbstzweckhaft, ist vielmehr immer durch den gegenwärtigen Verlauf der Handlung gerechtfertigt.

Dem jungen Regisseur Eros Puglielli gelingt mit Eyes of Crystal bedeutend Stimmigeres als dem einstigen Meister des Giallos Dario Argento in den letzten zwanzig Jahren. Puglielli imitiert Argento nicht, sondern geht seinen eigenen Weg. Eyes of Crystal steht auch eindeutig in der Tradition amerikanischer Serienkillerfilme der 90er. Puglielli weiß sich aus beiden Welten das zu nehmen, was er benötigt und lässt so die vielleicht erste Hybride aus italienischem und amerikanischem Genrefilm entstehen.

Dennoch kann Eyes of Crystal leider nicht auf ganzer Linie überzeugen. Die letztlich recht dürftige Handlung wird gerade gegen Ende unnötig gestreckt und verkompliziert, hätte zackiger erzählt werden müssen.

Insgesamt ist es jedoch erfreulich zu sehen, dass es in Italien auch Regisseure außer Argento gibt, die es verstehen, einen ordentlichen Giallo zu inszenieren. Das lässt einen freudig in die Zukunft blicken.

Sonntag, April 01, 2007

Gedrucktes: Arrows of Desire


Ian Christie ist der Experte, wenn es um die Filme der Archers, also des Duos Michael Powell und Emeric Pressburger, geht. Unter den in den vergangenen sechs Jahren erschienenen Powell und Pressburger DVDs befindet sich kaum eine, auf der Christie nicht in Form eines Interviews, Commentary Tracks oder beiliegenden Essays die Bedeutung des jeweiligen Werkes filmhistorisch einordnet. Christie lehrt an der Londoner Birkbeck Universität Film- und Mediengeschichte und publizierte 1985 das erste Buch über das Werk der zwei britischen Kinomacher. 1994 erschien die überarbeitete 2. Auflage, die bis heute erhältlich ist und die die sekundärliterarische Basis für die Beschäftigung mit Powell und Pressburger darstellt: Arrows of Desire - The Films of Michael Powell and Emeric Pressburger.

Die 163-seitige Schrift eröffnet mit einem Vorwort von Martin Scorsese, in dem man unter anderem erfährt, dass auf Scorseses Geburtstagsfeier im Jahr 1985 Brian De Palma erstmals auf Michael Powell traf und ihm erklärte, dass ihn The Red Shoes dazu bewegt hätte, Regisseur zu werden. - Scorseses Liebe zu den Filmen Michael Powells ist kein Geheimnis, schließlich war er es, der am stärksten für dessen Rehabilitierung kämpfte, nachdem sich die Produzenten von Powell wegen des kontroversen Peeping Tom abgewandt hatten (von der kurzsichtigen Kritik ganz zu schweigen!).

Christie gliedert seine Abhandlung in elf Kapitel und ein Postskriptum. Eine ausführliche Filmographie rundet das Werk ab.

Christie schafft es wie in seinen exzellenten Commentarytracks, einen Ton zu finden, der den Leser nicht mit trockenen filmhistorischen Fakten erschlägt. Vielmehr verwebt er die Themen der Filme mit den Biografien Powells und Pressburgers, weist auf Zusammenhänge zwischen Machern und Filmfiguren hin, geht auf literarische, politische und filmische Einflüsse ein, verweigert sich jedoch eines allzu strengen akademischen Stils. Man merkt auf jeder Seite: Christie ist ein Fan der Filme, der seiner Leidenschaft im Beruf nachgehen kann.

Der Leser erfährt, dass Emeric Pressburgers Biografie einiges im Hinblick auf das differenzierte Deutschlandbild in den Filmen der Archers erklärt: Der 1902 in Ungarn geborene Pressburger kam nach Stuttgart, um Bauingenieurwesen zu studieren. Der Tod seines Vaters zwang ihn, sein Studium abzubrechen und so zog er nach Berlin, lebte dort einige Zeit in schwerer Armut, schrieb für die BZ und landete schließlich bei der UFA, nachdem er die dortige Drehbuchabteilung über Monate hinweg mit Treatments bombardiert hatte. Seinen ersten Screen-Credit bekam er 1930 für das Drehbuch zu Abschied, einem Film, der das damals tatsächlich originelle (24-Fans aufgepasst!) Echtzeitverfahren verwendete. Mit seinem guten Freund Erich Kästner kraxelte er auf den Alpen herum und Max Ophüls' erster Film, Dann schon lieber Lebertran, basierte auf einem seiner Drehbücher nach einer Geschichte Kästners.

Pressburger und Kästner beim Besteigen der Alpen
im Jahr 1931.

Der Regisseur und Produzent Alexander Korda brachte Powell und Pressburger schließlich zusammen: The Spy in Black, ein Film der 1917 auf den Orkney Inseln spielt und davon handelt, dass ein deutsches U-Boot fünfzehn britische Schiffe, die vor Anker liegen, zerstören soll, war ihre erste gemeinsame Produktion im Jahr 1939.

Christie geht nun mehr oder weniger chronologisch die 17 Jahre des gemeinsamen Schaffens durch. Dabei arbeitet er insbesondere immer wiederkehrende Themen, wie z. B. das Pilgertum und die Rolle der englischen Landschaft, anschaulich heraus.

Pressburger und Powell während der Dreharbeiten zu
The Red Shoes.

Die Kritik der 40er, 50er und 60er Jahre hatte es nicht leicht mit Powell und Pressburger, deren Filme sich gängigen Kategorisierungen vehement verschlossen. So ergänzten für The Red Shoes und The Tales of Hoffmann Ballett- und Opernkritiker die Filmkritiken, da die Filme die Fachkenntnis gewöhnlicher Filmkritiker überforderte. Häufig kam es zu ambivalenten Kritiken, wie im Fall von A Canterbury Tale. So schrieb beispielsweise ein Rezensent damals den Satz: "I carried away from A Canterbury Tale an enjoyment I was loath to examine too closely."

Das US-Fernsehen der 50er Jahre fütterte die nächste Generation der Filmemacher mit den Meisterwerken der Archers. Coppola, De Palma, Lucas, Romero und Scorsese sind allesamt erklärte Fans ihrer Filme. Christie geht kurz auf diese filmhistorisch bedeutsame Verbindung ein. Nicht nur hatten die Archers künstlerischen Einfluss auf die Filme des 'New Hollywood' - ohne das Engagement dieser Filmemacher in den 70er und frühen 80er Jahren wären die Filme Powell und Pressburgers vielleicht noch immer ein Stiefkind britischer Filmgeschichte und für heutige Zuschauer gar nicht oder nur in schlechter Qualität erhältlich.

Pressburger und Powell bei der Gala-Premiere der restaurierten Fassung von The Life and Death of Colonel Blimp im Jahr 1985 in London.

Im Postskriptum stellt Christie schließlich Projekte vor, die es nicht zur Realisierung gebracht haben. Besonders schmerzlich erscheint aus heutiger Sicht ein TV-Projekt, das die größten zeitgenössischen Künstler mit an Bord holen sollte, um für 'twenty hours of the best entertainment in the world' zu sorgen. Die Namen, an die Powell dabei dachte, lassen einen weiche Knie bekommen und den Mangel an Mut damaliger TV-Finanziers verfluchen. Um nur einige zu nennen: Orson Welles, Dylan Thomas, Igor Stravinsky, Akira Kurosawa, Jean-Paul Belmondo, Alec Guinness und Peter Ustinov.

Ian Christies Arrows of Desire ist nur zweierlei vorzuwerfen: Erstens wünscht man sich, es wäre nicht so knapp im Umfang (gerade beim beachtlichen Preis des Taschenbuchs), und zweitens lässt die Qualität der Schwarzweißbilder einiges zu wünschen übrig. Doch dies sind letztlich keine ernstzunehmenden Kritikpunkte, weil Arrows of Desire bei Erscheinung das erste Buch überhaupt war, welches sich diese zwei britischen Kinomagier zum Thema nahm. Bis heute hat sich daran nicht viel geändert. Die Anzahl der Veröffentlichungen ist sehr übersichtlich und beschränkt sich größtenteils auf Essays und Internetpublikationen. Das verleiht diesem Werk absoluten Referenzcharakter.