Sonntag, Oktober 29, 2006

Die glorreichen 7: Gruselmomente

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Dieser erhabene Moment im Kino, wenn uns ein wohliger Schauer über den Rücken läuft: Die meisten werden so etwas schon erlebt haben. Horrorfilme werden hauptsächlich wegen solcher Augenblicke gedreht. Oft scheitern diese Genrefilme aber leider daran, uns dieses sublimste aller Schreckensgefühle zu entlocken. Viele Horrorfilme wollen nur durch Gewalt schocken oder uns erschrecken. Um diese "cheap scares" soll es hier ausdrücklich nicht gehen!

Schon der angloirische Philosoph Edmund Burke stellte in seiner Schrift "On the Sublime and the Beautiful" fest, dass Gefühle, die an den Schmerz gekoppelt sind (Angst, Furcht, Panik, Beklemmung etc.), bedeutend stärker sind, als jene, die mit dem Vergnügen einhergehen. Wahrscheinlich setzen wir uns beim Betrachten eines Horrorfilms oder bei der Fahrt mit der Geisterbahn deshalb diesen mächtigsten aller Gefühle aus - um sie in unserer "Sicherheitsgesellschaft" überhaupt zu erfahren. Und das kann ironischerweise wieder ein Vergnügen sein.

Im Film kommt das Gruselige oft durch die Tonspur gekrochen. Es sind nicht nur die Bilder, sondern insbesondere die Soundeffekte, die uns suggerieren: Hier liegt etwas Unheimliches in der Luft. Grausige Bilder sind wir durch die Nachrichten gewöhnt. Aber dort stehen sie losgelöst von jedwedem persönlichen Erfahrungskontext. Mit anderen Worten: Sie bleiben abstrakt, weil uns der direkte emotionale Zugang fehlt. Diesen Kontext kann ein Film problemlos bieten. Es bedarf lediglich einer Identifikationsfigur. Das alleine schafft jedoch auch noch keine gruseligen Momente.

Die Inszenierung eines wahrhaft gruseligen Moments ist eine hohe Kunst. Es gibt reichlich Filme, die gut schockieren, indem sie Tabus brechen. Wolf Creek, Hostel und The Hills have Eyes (Remake) sind aktuelle Beispiele dafür. Aber keiner dieser Filme ist in meinen Augen gruselig.

Stephen King unterscheidet in Danse Macabre drei Ebenen des Horrorgenres: Ekel (revulsion), Grauen (horror) und Schrecken (terror). Schrecken sei die "edelste" dieser drei Ebenen, Ekel die primitivste. Als Horror-Schriftsteller versuche er stets Schrecken bei seinen Lesern auszulösen. Ginge dies im Kontext der Geschichte nicht, müsse es Grauen sein. Funktioniere dies ebenfalls nicht, versuche er, seine Leser zu ekeln. - Der Gruselmoment zählt eindeutig zur Ebene des Grauens. Es ist nicht der Splattereffekt, der uns ekelt und auch kein vergeistigter Augenblick, der uns zwingt, die Bedrohung selbst auszumalen. Der Gruselmoment liegt dazwischen: Er ist sowohl geistig wie körperlich schockierend und greift uns deshalb ganzheitlich an. Ein Film gruselt mich zudem nur dann, wenn er es fertig bringt, mich zu überraschen. Die glorreichen 7 sind Filme, die dies vermochten:


7. Das Testament des Dr. Mabuse (1962): Der erste Film von dem ich weiß, dass er mir als etwa 8-Jährigem einen Heidenschiss einjagte. Ich hatte damals solche Angst vor diesem stumm in der Gummizelle hockenden Irren, dass ich mich kaum noch auf die Toilette traute. Als ich Das Testament des Dr. Mabuse vor einigen Jahren das erste Mal wiedersah, wollte ich es nicht für möglich halten. Aber ich erinnere mich genau, wie die schwarze Silhouette des Auftraggebers vom coolen Undercover-Cop mit einer Kamera im Ärmel abfotografiert wurde und ich dabei zitterte wie Espenlaub.



6. An American Werewolf in London (Anfang): Die Anfangssequenz, in der es zwei junge amerikanische Backpacker in ein kleines Kaff in Yorkshire verschlägt, wo einer von ihnen bei Vollmond von einem Werwolf getötet, der andere gebissen wird, hat mich beim ersten Mal schwer beeindruckt. John Landis spielt hier fantastisch mit der Erwartungshaltung des Zuschauers: Die Szene im schäbigen Pub mit seinen finsteren Gestalten ist komisch und baut trotzdem ein äußerst bedrohliche Stimmung auf. Als die beiden schließlich scherzend durch die nächtlichen Wiesen stapfen, ist man trotz der Witzchen angespannt: Gleich geschieht etwas! Und so kommt es dann auch...



5. Friday the 13 Part 2 (Prolog): Aus der gesamten Friday the 13th-Reihe ist dieser gut zehnminütige Prolog die spannendste und filmisch beste Passage. Zwar beginnt diese Sequenz mit einem schwachen Traum-Rückblick der Heldin von Teil 1. Als unser traumatisiertes Ex-Final-Girl dann aber aufwacht und durch die Wohnung streift, duscht, zwei Telefonanrufe entgegennimmt und ihrer Katze Milch aus dem Kühlschrank geben will, nimmt die Kamera eine äußerst unangenehme Perspektive ein: So glaubt man zunächst in der Subjektiven des Killers zu stecken. Das stellt sich dann aber als Irrtum heraus (ein raffiniertes Spiel mit der Erwartungshaltung des Post-Halloween-Publikums). Und schließlich geht es Schlag auf Schlag, so wie Jason meist zuschlägt: Das Mädchen findet das abgeschlagene Haupt der Mrs. Vorhees im Kühlschrank. Da steht Jason schon hinter ihr und treibt ihr einen Schraubenzieher durch die Schläfe ins Hirn.


4. The Evil Dead: Die schnellen Kamerafahrten auf, um und durch das Haus, die seltsamen Perspektiven gepaart mit skurrilen Soundeffekten haben mir zu Schulzeiten das Fürchten gelehrt. Gleichzeitig empfand ich so etwas wie Bewunderung für die bizarren Einfälle des Regisseurs Sam Raimi. The Evil Dead war der Film, der mir klar machte, dass die Erzeugung einer gruseligen Atmosphäre eine echte Kunst ist, die nicht jeder Regisseur beherrscht.


3. Lost Highway (Aufwachszene): Es geht mir um eine kurze Szene des eher verstörenden als gruseligen Lynch-Films: Als Bill Pullman aus einem Alptraum erwacht und sich zu seiner hübschen Gattin Patricia Arquette umdreht, befindet sich das Gesicht des Mystery Man auf Arquettes Traumkörper. Dieser Anblick gruselte mich so sehr, dass ich tief in den Kinosessel sank...


2. A Tale of Two Sisters steht hier stellvertretend für eine ganze Reihe von asiatischen Horrorfilmen wie Ju-on: The Grudge, Ringu etc. Der Gruselwert dieser Werke ist verdammt hoch. Manchmal ist er so hoch, dass ich es kaum noch aushalte. Ohne sich in expliziter physischer Gewalt zu ergehen, wie es die amerikanischen Horror-Produktionen tun, schaffen es die Asiaten, mit einfachen Mitteln eine beklemmende, unangenehme und höchst gruselige Atmosphäre zu kreieren.


1. My Best Friend's Wedding: Julia Roberts ist für mich nicht nur die überschätzteste Schauspielerin Hollywoods, ich kann sie auch überhaupt nicht leiden. Ihr Zahnpastalächeln ist mir zutiefst zuwider. Und wenn mein Blick ihre Visage trifft, gruselt es mich stärker als in jedem Horrorstreifen. My Best Friend's Wedding war für mich eine Tortur sondergleichen. Da können selbst die Asiaten mit ihrer einmaligen Atmosphären-Kunst einpacken. Nichts schlägt die Roberts, insbesondere in dieser unromantischen Hochzeits-Screwball-"Komödie"!

Samstag, Oktober 28, 2006

OT: Spinner/-innen

Als ich Frau Künast unlängst in den Nachrichten darüber philosophieren hörte, wie in Zukunft aus älteren Arbeitslosen wieder aktive "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" werden sollen, ärgerte ich mich wie so häufig, wenn Politiker reden: nicht über den unglaubwürdigen Inhalt des Gesagten, nein, über die Form. In der Politik lässt sich nämlich etwas beobachten, was nach meiner Erfahrung für keine andere Berufgruppe gilt: die permanente Produktion von Wortmüll.

Die Rede ist von der Doppelung von Personengruppen durch explizite Differenzierung der Geschlechter, also z. B. Schülerinnen und Schüler, Musliminnen und Muslime oder Ärztinnen und Ärzte. Das ist für mein Sprachempfinden ein echte Zumutung. Es wirft auf das Gesagte nicht nur das schmerzend-grelle Licht der Bürokratie, es ist darüber hinaus formal hässlich und inhaltlich redundant.

Hässlich und falsch: das Binnen-I. Mittlerweile verwendet es nicht einmal mehr die taz.

Die feministische Linguistik setzt Genus (das grammatische Geschlecht) und Sexus (das natürliche Geschlecht) gleich. Diese Gleichsetzung müsse nach deren Meinung nun zwangsläufig auch dazu führen, dass in der Pluralform (und nur um diese geht es mir hier!) beide Geschlechter explizit genannt werden, wenn es sich um ein generisches Maskulinum handelt (z. B. der Schüler, der Muslim, der Arzt). Das Sprachempfinden der Mehrheit der Bevölkerung ist freilich ein gänzlich anderes. Ansonsten würden ja alle diese dämliche Doppel-Pluralform bilden. Jedoch tun dies nach meiner Erfahrung nicht einmal Dozentinnen mit dem Schwerpunkt feministische Literaturtheorie. Und warum sollten sie auch? Es ist unökonomisch. Alleine deshalb wird es sich auf Dauer nicht einmal in der Sphäre anbiedernder Politikersprache halten können. Ein schwacher Trost für all diejenigen, denen sich in der Gegenwart bei jedem "Liebe Kolleginnen und Kollegen" der Magen umdreht.

Ich bin kein Gegner politisch korrekter Sprache. Deshalb muss ich mein ästhetisches Sprachempfinden aber doch nicht gleich beerdigen, zumal die Doppelnennung grammatisch völlig überflüssig ist, weil die Pluralform beide Geschlechter einschließt. Was hier gern übersehen wird, ist, dass die sprachlich explizite Differenzierung der Geschlechter in der Pluralform trennt und nicht vereint, also gleichstellt. Die Benutzer dieser vermeintlich sexismusfreien Sprache erreichen somit das Gegenteil von dem, was sie wollen: sie bauen künstliche Barrieren zwischen den Geschlechtern auf, statt sie sprachlich gleichzustellen.

Ich fürchte, dass ich mit dieser „Schmähschrift“ vermutlich niemanden überzeugen werde - ich bin mir jedoch sicher: In 25 Jahren wird diese Doppelform ein Fußnote der Sprachgeschichte sein. Ein Lichtblick: Das Binnen-I ist schon gescheitert.


Empfehlenswerter Link:
Arthur Brühlmeier. Sprachzerstörung aus Konzilianz -
Die Umkehr ist fällig.

Freitag, Oktober 27, 2006

Filmtipp: Black Narcissus

Heute möchte ich ein weiteres Werk der Herren Powell und Pressburger vorstellen: Black Narcissus. Der Film spielt in Indien, wurde aber komplett in den Londoner Pinewood Studios gedreht.

"An den Farben von Black Narcissus kann man sich betrinken", sagt Martin Scorsese in einem Interview auf der network-DVD. Und in der Tat gibt es wohl wenig Vergleichbares. Technicolor war 1947 noch immer eine verhältnismäßig junge und dementsprechend kostspielige Technik. Die Filmemacher wollten deshalb aus jeder Einstellung so viel Farbe wie möglich herauskitzeln. Und die Farbenpracht in der "schwarzen Narzisse" ist überwältigend.


Fotorealistische Matte-Paintings und oscarprämierte Kameraarbeit ließen in den Londoner Pinewood Studios eine exotische Stimmung entstehen

Wovon handelt Black Narcissus? Schwester Clodagh (Deborah Kerr) soll zusammen mit drei weiteren anglikanischen Nonnen in einem entlegenen Gebirge des Himalaja aus einem vor Jahren stillgelegten Harem ein Kloster machen. Diese Aufgabe entwickelt sich für alle Beteiligten zu einer wahren Glaubenskrise. Das ungewohnte Klima, die klaustrophobische Atmosphäre des Ex-Serails und die kulturellen Barrieren zur indischen Bevölkerung erschweren die Mission. Die psychisch labile Schwester Ruth (Kathleen Byron) entwickelt in der Höhenluft starke Gefühle für einen dort lebenden Briten und verfällt langsam dem Wahnsinn. Ein Unglück bahnt sich an...

Kathleen Byron spielt die psychisch kranke Nonne Ruth

Emeric Pressburger adaptierte Black Narcissus von einer Romanvorlage für die Leinwand. Viele Dialoge stammen angeblich aus dieser Vorlage. Was Black Narcissus wirklich sehenswert macht, ist jedoch weniger die Handlung - die Atmosphäre erzählt die Geschichte viel eindringlicher: Die unaufhörlich im Wind flatternden weißen Nonnenroben, die im krassen Gegensatz zur Enge des Klosters stehenden, weitläufigen Gebirgspanoramen, die verräterischen Blicke der Nonnen und der schweigende Schamane, der tagein tagaus regungslos an erhöhter Stelle unter einem Baum sitzt und über Kloster und Dorf wacht - diese Details und vor allem die Art und Weise, wie Powell und Pressburger sie inszenieren, lassen Black Narcissus auch knapp 60 Jahre nach seiner Entstehung noch jung und frisch wirken.


Filme von Powell und Pressburger verschließen sich einer klaren Kategorisierung. Ebenso wenig The Life and Death of Colonel Blimp ein Kriegsfilm ist, handelt es sich bei Black Narcissus um einen Nonnenfilm. Es ist eine Hybride aus sinnlichem Melodram und Oper mit Horrorfilmelementen. Für mich ist Black Narcissus ohnehin mehr Gemälde als Film: Das Spiel mit dem Licht und seinen Farben, die Matte-Paintings, die beinahe fotorealistisch wirken, und die authentischen Setdesigns sind hohe Kunst und wurden zurecht oscarprämiert. Deborah Kerr erhielt 1947 ebenfalls den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Die größere schauspielerische Leistung vollbringt allerdings Kathleen Byron als verrückte Nonne Ruth. Sie spielt diese innerlich zerrissene Frau mit solcher Intensität, dass man zu jedem Zeitpunkt den in ihr lodernden Wahnsinn spüren kann.


Links zu Film und DVD:
Rezension und Videoclips
Wikipedia-Eintrag
DVD-Vergleich

Dienstag, Oktober 24, 2006

Die glorreichen 7: Filmenden


Willkommen zur neuen Rubrik "Die glorreichen 7"! Ein Countdown von sieben völlig subjektiv ausgewählten Filmen, die hinsichtlich eines Merkmals außergewöhnlich sind.

Beginnen will ich mit dem Ende. Ein Filmende kann enttäuschen, aufklären, überraschen, bewegen, zum Lachen animieren und uns einen gepflegten Schauer über den Rücken jagen. Es kann radikal, poetisch, weichgespült, kitschig, klischeehaft, berührend, rührselig, erlösend, unverständlich und vieles erdenkliche mehr sein. Das Ende ist deshalb so wichtig, weil es der letzte Eindruck vom Film ist, den der Zuschauer mitnimmt. Das Ende kann einen eher langweiligen Streifen noch einmal herumreißen oder einen bis dahin unterhaltsamen Film komplett zerstören und zur Zelluloidgurke werden lassen.

Das Ende kann also ausschlaggebend dafür sein, wie wir einen Film bewerten: ob wir ihn hassen oder unseren Freunden empfehlen. Große Hollywoodfilme werden oftmals von vorneherein mit unterschiedlichen Enden gedreht. Das Testpublikum entscheidet dann, welches am besten passt. Das bringt mich auch gleich zum wohl bekanntesten aller möglichen Enden: dem Happy End. Die meisten lieben es, andere verabscheuen es wegen seines schmalzig-versöhnlichen Charakters und oftmals auch wegen seiner Vorhersehbarkeit.

Shakespeare war ein großer Anhänger des Happy Ends. Zwar türmen sich bei vielen seiner Tragödien am Schluss des 5. Akts die Leichen auf der Bühne, aber die in Gefahr geratene gesellschaftliche Ordnung ist dann stets wieder hergestellt und das letzte Wort hat das Staatsoberhaupt. In Hollywoodfilmen sieht ein typisches Happy End hingegen aus wie in John Landis' Trading Places - die zwischen Armut und Reichtum pendelnden Hauptfiguren lassen es sich nach all den Strapazen auf einer traumhaften Südseeinsel so richtig gut gehen und prosten sich zu.

Zwei Formen von Happy End: "The time is free" - Polanskis Macbeth am Ende seiner Regierungszeit und Eddie Murphy als sorgenfreier Millionär in Trading Places

Ein weniger gut gelungenes Happy End wird dem dritten Teil der Herr der Ringe Trilogie bescheinigt. Man muss wissen, wann man den Schlussstrich zu ziehen hat. Peter Jackson hat das in Return of the King vergessen. Wenigstens wusste Kevin Smith in Clerks II diese Tatsache zu nutzen, um daraus einen amüsanten Schlagabtausch zwischen einem Star Wars Anhänger und einem Lord-of-the-Rings-Nerd zu zaubern.

Das Cliffhanger-Ende ist gerade bei Mehrteilern und Horrorfilmen sehr beliebt. Während ich es bei Mehrteilern wie The Empire Strikes Back oder Back to the Future noch verstehen kann, nerven mich aufgesetzt wirkende "Bad Endings" in Horrorfilmen. Hier haben sie oftmals nur die Funktion, bei einem etwaigen Erfolg an der Kinokasse Fortsetzungen zu ermöglichen. In anderen Genres, wie etwa dem Kriegsfilm, kann ein schlechter Ausgang aber auch von ungeheuerlicher emotionaler Kraft sein, wie beispielsweise in Das Boot.

Das Twist-Ende, wie ich es mal nennen will, dreht die Handlung noch einmal komplett um: Alles vorher Geschehene erscheint in einem anderen Licht. Man möchte den Film am Liebsten im Anschluss gleich noch einmal sehen, um das auch zu überprüfen. Dieser Umstand ließ M. Night Shyamalans The Sixth Sense wohl auch zum Kassenschlager werden.

Bevor ich jetzt den Countdown starte, will ich darauf hinweisen, dass mir die Zusammenstellung alles andere als leicht fiel. Morgen würde ich die Liste vermutlich anders zusammenstellen - sie ist also die Momentaufnahme meines Geschmacks. Es geht los ...


7. The Texas Chain Saw Massacre: Leatherfaces adrenalintreibender Kettensägentanz im Morgengrauen ist gleichermaßen furchteinflößend wie anmutig. Und Sally Hardesty, das Opfer der Kannibalenfamilie, durfte sich zur ersten Überlebenden mit Langzeittrauma in der Geschichte des Teen-Horrorfilms erklären. Zwei Jahre später gesellte sich Sue Snell aus Carrie hinzu und machte diese Form des Horrorfilmendes populär. Spätestens mit Friday the 13th war das "Final Girl" Klischee.

6. 2001 - A Space Odyssey: Ein verstörendes, schwer zu durchdringendes und dennoch ergreifendes Ende. Die gesamte letzte Sequenz vom aseptisch wirkenden, barock eingerichteten Raum in weißem Marmor bis zum Space Child: ich habe es bis heute nicht wirklich verstanden und bin trotzdem jedes Mal aufs Neue fasziniert von Kubricks Bildern, die er perfekt zu Richard Strauss' "Also sprach Zarathustra" montiert.

5. Citizen Kane: "Rosebud" - ein Wort von immenser dramatischer Kraft. Einmalig.

4. Reservoir Dogs: Who shot Nice Guy Eddie? Eine Frage, die wilde Spekulationen im Internet nährte. Das Ende ist nicht nur wegen dieses gigantischen Goofs Teil dieser Liste. Ich finde es morbide und faszinierend vielschichtig, man weiß nicht so recht, was man eigentlich empfinden soll. Zudem lässt es viele Fragen offen: Wird Mr. Pink festgenommen oder erschossen? Erschießt Mr. White Mr. Orange? Wir hören Schüsse, doch wir sehen nicht, was geschieht.

3. The Italian Job: Zu all den düsteren Enden, muss sich ein heiteres gesellen. Ein absoluter Kultfilm im Vereinigten Königreich, der hierzulande wohl eher wegen des miesen Hollywood-Remakes bekannt ist. Das Ende bleibt offen: Leben oder Tod? Reichtum oder nicht? Dem Zuschauer bleibt der Atem stehen, während "This is a self-preservation society" mehr gegrölt als gesungen aus den Boxen schallt. Das Ende gefiel Guy Ritchie offenbar so gut, dass er es augenzwinkernd und leicht variiert für Lock, Stock and Two Smoking Barrels übernahm.

2. Don't Look Now: Ein geniales Ende, das aufklärt und gleichzeitig einen sublimen Schauer auslöst. Abgestochen von einer verschrumpelten Zwergin in Rot, erkennt Donald Sutherland im Augenblick des Todes seine hellseherischen Fähigkeiten. Und für den Zuschauer entpuppen sich frühere, scheinbar unlogische Szenen als Zukunftsvisionen Sutherlands: Er hat seinen eigenen Tod vorhergesehen.

1. The Fury: Weniger komplex als das Ende von Don't Look Now aber dafür orgastisch wie kein anderes. Ein splatteriges Happy End, das es, soweit ich weiß, in noch keine deutsche TV-Ausstrahlung geschafft hat: Amy Irving lässt den Bösewicht, dargestellt vom großartigen John Cassavetes, mittels ihrer telekinetischen Kräfte explodieren. De Palma zieht dies genüsslich in die Länge und zeigt die Körperexplosion aus 13 verschiedenen Perspektiven hintereinander...in Zeitlupe. WOW!

Samstag, Oktober 21, 2006

Kulturzeit - Eine Liebeserklärung


Ich hasse das Fernsehen leidenschaftlich. Wenn bei mir die Glotze läuft, wird sie meist vom DVD-Player gespeist. Nachrichten, Wetterbericht und gelegentlich eine Fußball Live Übertragung oder einen Film: dafür wird der DVB-T Receiver aktiviert. Ich hasse Werbeunterbrechungen, weswegen das Privatfernsehen bei mir selten eine Chance hat. Und wenn ich durch Zufall beim Musikantenstadl, einer Telenovela, einem Wissensquiz oder einer Talkshow ohne Nährwert lande, verfluche ich die GEZ für die Verschwendung meiner Gebühren und wünsche Oliver Kalkofe spränge ins Bild, um die Protagonisten umgehend mit seiner braunen Gummikeule zu verprügeln.

Doch es gibt eine wochentägliche Sendung, nach der ich regelrecht süchtig bin, für die sich die exorbitant hohen GEZ Gebühren vollends lohnen: Kulturzeit.

Kulturzeit macht einfach alles richtig. Das fängt schon beim 16:9-Format an. Kulturzeit zählte zu den Pionieren im deutschen Fernsehen, die konsequent auf das cineastische TV-Format gesetzt haben.

Die Anmoderation der Sendung kann bei mir vor Freude bisweilen eine Gänsehaut auslösen: Erstes Thema wird bekannt gegeben, Off-Sprecher: "Weitere Themen in Kulturzeit", Tune setzt zu dem sich fröhlich drehenden Kulturzeit-Würfel ein: dödingdödingdödöding...großartig!

Das alleine reicht natürlich nicht, um eine Sendung aus der öden Masse der TV-Magazine herausragen zu lassen. Nein, es sind die Themen und viel entscheidender: wie diese Themen journalistisch aufgearbeitet werden. Kulturzeit versucht die Oberfläche gängiger Polit-, Talk- und Kulturformate zu durchbrechen. Hier werden eingangs die richtigen Fragen gestellt, provokante Thesen werden nicht mit einem süffisanten Kommentar vom Tisch gefegt, sondern bewusst aufgegriffen und hinterfragt. Meist geht es politisch korrekt zu, doch man fürchtet nicht den Bruch mit der Political Correctness oder scheut sich vor intelligenter Ironie.



Wie der Name verrät, ist Kulturzeit in erster Linie ein Kulturmagazin, die gelungene Transformation des Feuilletons ins Fernsehformat - ja, Kulturzeit ist sogar die Weiterentwicklung der Tageszeitungen-Kulturteile. Das liegt schon in der Natur der Sache, denn während im Feuilleton nur das gedruckte Wort die Kultur beschreiben, bewerten und über sie reflektieren kann, ist es ja im Fernsehen möglich, das jeweilige Kulturprodukt als das, was es ist, vorzustellen: Die Musik, um die es geht, kann tatsächlich gehört werden, der Film oder das Theaterstück kann ausschnittsweise gezeigt werden, es können die Bilder eines Malers oder das Gebäude eines Architekten im Detail vorgeführt werden. Insofern ist das Fernsehfeuilleton seiner druckenden Konkurrenz überlegen.

Die Redaktion von Kulturzeit begnügt sich keineswegs damit, über aktuelle Kulturereignisse zu berichten. Das wäre fade. Aktualität ist eine Hauptdirektive. Worüber gerade noch in den Nachrichten berichtet wurde, ist bereits von der Kulturzeit-Redaktion auf qualitativ hohem Niveau bearbeitet worden und wird zum Gegenstand der Sendung.

Kulturzeit feierte vergangenes Jahr seinen 10. Geburtstag. Das Programmformat hat sich also bewährt. Einige Moderatoren haben aufgehört, neue sind gekommen. Der wichtigste Moderator, die unbestrittene Nummer eins, ist glücklicherweise seit der ersten Sendung dabei: Gert Scobel. Ich vermute, dass er das Konzept der Sendung entscheidend mitentwickelt hat und es bis heute mitbestimmt. Die anderen Moderatoren sind in Ordnung, nicht schlecht, aber keiner von ihnen erreicht auch nur annähernd Scobels Format. Das liegt nicht daran, dass man bei ihm am wenigsten merkt, wie er vom Teleprompter abliest, es hat vielmehr mit seiner gelassen-freundlichen Natur zu tun. Scobel wirkt nicht so strebhaft-ernst wie Tina Mendelsohn, so aufgeregt wie Ernst Grandits und er spricht nicht so monoton wie Andrea Meier. Dabei sind die Genannten keine schlechten Ansager, Scobel ist eben eine Klasse für sich - und die erreicht sonst keiner im deutschen Fernsehen. Seine einleitenden Moderationen sind punktgenau, hin und wieder verpackt in leise bis beißende Ironie, seine Interviewfragen sind scharfsinnig - man hat stets das Gefühl, dass er sich intensiv mit der Materie beschäftigt hat (fairerweise muss ich hinzufügen: das gilt meist auch für die anderen Moderatoren).


Was mich stets aufs Neue erstaunt, ist die Fähigkeit dieser Sendung, Themen, die mich eigentlich wenig oder gar nicht interessieren, so vorzustellen und aufzubereiten, dass sie spannend und hochinteressant werden. Wie Kulturzeit das schafft, habe ich noch nicht herausgefunden. Vielleicht weiß es die Redaktion selbst nicht so genau, gäbe es ein Rezept dafür, sollten sie es nicht nur mit journalistischen Kollegen, sondern auch mit den Lehrern teilen.

Ich freue mich schon jetzt auf den kommenden Montag, wenn es um 19.20 Uhr erneut heißen wird: "Herzlich willkommen, schön, dass Sie sich Kulturzeit nehmen!"

Links zum Thema:

Kulturzeit im Netz
Jubiläumsartikel

Mittwoch, Oktober 18, 2006

Filmtipp: The Life and Death of Colonel Blimp


Ich bin erst vor kurzem auf die großartigen Filme von Michael Powell und Emeric Pressburger gestoßen. Zwar war mir das Duo Powell & Pressburger seit langem ein Begriff: Ich hätte sie filmgeschichtlich einordnen und ein oder zwei Filmtitel nennen können, gesehen hatte ich bis vor einigen Monaten jedoch noch keines ihrer Werke.

Powell und Pressburger drehten ihre wichtigsten Filme im England der 40er Jahre. Emeric Pressburger, ein Ungar, zeichnete dabei hauptsächlich für die Drehbücher verantwortlich, Michael Powell für die Regie. Sie sind auch unter dem Begriff The Archers bekannt - dem Namen ihrer Produktionsfirma.

The Life and Death of Colonel Blimp (deutscher Titel: Leben und Sterben des Colonel Blimp) stammt aus dem Jahr 1943 und ist der erste Film, den die beiden in Technicolor drehten. Der Streifen handelt vom Leben des britischen Oberklassen-Offiziers Clive Wynne-Candy (Roger Livesey). Während seines Fronturlaubs vom Burenkrieg erfährt Candy, dass in Deutschland anti-englische Propaganda geschürt wird. Wir befinden uns im Jahr 1902 und Candy begibt sich gegen den Befehl seines Vorgesetzten nach Berlin, um dieser Propaganda Einhalt zu gebieten. Dort lernt er die Englischlehrerin Edith (Deborah Kerr) kennen. Candy ist jedoch nicht in der Lage, seine Pläne umzusetzen, stattdessen löst er einen politischen Zwischenfall aus, der ihn zu einem Fechtduell mit dem preußischen Offizier Theo Kretschmar-Schuldorff (genial: Anton Walbrook) zwingt. Das Duell endet für die beiden Duellanten nicht tödllich. Die zwei verbringen im Anschluss einige Zeit zusammen in einer Rehaklinik, wo sie ihre Wunden kurieren und gute Freunde werden. Kretschmar-Schuldorff und Edith verlieben sich und werden ein Paar. Doch kurze Zeit später muss Candy sich eingestehen, dass auch er Edith liebt.

1902 (Candy - Edith - Theo)

Die zweite Station des Films bilden die Jahre 1918/19: Europa liegt in Trümmern. Am Abend des letzten Kriegstages trifft Candy auf die Krankenschwester Barbara (wieder Deborah Kerr). Theo ist in englische Kriegsgefangenschaft geraten und verbittert über die Niederlage Deutschlands. Auch Candy, den er für einen Abend sieht, kann diese Verbitterung nicht zerstreuen.
1918/19
Der dritte Akt spielt schließlich während des Zweiten Weltkriegs. Kretschmar-Schuldorff bemüht sich um Asyl in England. Edith, die seine Frau wurde, ist verstorben. Die zwei Kinder dieser Ehe sind im Gegensatz zum Vater treue Nazis. Zum dritten Mal in seinem Leben begegnen sich nun der Deutsche und der Engländer. Candy ist noch immer in der Armee tätig. Auch seine Gattin hat bereits das Zeitliche gesegnet. Doch eine weitere Doppelgängerin Ediths taucht in Form von Angela auf (Deborah Kerr in ihrer dritten Rolle). Dreh- und Angelpunkt dieses Zeitabschnitts ist eine Übung der Heimatwehr (Home Guard), die unter Candys Führung steht: Die Übung soll um Mitternacht beginnen, doch ein junger Lieutenant setzt sich über diese Vorgabe hinweg und startet den Angriff bereits zu einem früheren Zeitpunkt - Candy wird in einem türkischen Bad festgenommen. Die alten Regeln des Kriegführens haben ihre Gültigkeit verloren - mit Candys Einsicht in diesen Umstand endet der Film.
Während des 2. Weltkriegs
The Life and Death of Colonel Blimp überrascht den heutigen Zuschauer zunächst einmal durch seine raffinierte Flashback-Struktur. Der mit einer ordentlichen Prise trockenem, typisch britischem Humor versehene Film setzt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs ein, um von dort einen weiten erzählerischen Sprung in die Vergangenheit zu machen (ähnlich wie Sergio Leone es über 40 Jahre später in Once Upon a Time in America getan hat). Dieser Zeitsprung wird visuell verdammt einfallsreich inszeniert: Candy fällt als alter Mann bei einer Keilerei in das Schwimmbassin des türkischen Bades und entsteigt ihm wieder 1902 als junger Offizier.

Auch die Duellszene ist grandios. Die Spannung wird langsam aufgebaut, unzählige Details werden vorab geklärt (ein gut platzierter Seitenhieb auf den übertriebenen Sinn für Ordnung und Bürokratie der Preußen), und als es endlich zum Duell kommt, entschwebt die Kamera nach oben, durchbricht die Decke und zeigt die Sporthalle im winterlichen Berlin.

Das Duell
Man stelle sich einmal vor, dass dieser Film, der ein wahrhaft differenziertes Bild vom Deutschen zeichnet, auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs in britische Kinos kam. Winston Churchill was not amused und versuchte alles, um dies zu unterbinden. Erfolglos. The Life and Death of Colonel Blimp wurde sogar damit beworben, "verboten" zu sein. Was beschlagnahmte Filme und Videospiele heute sind, war dieser Streifen im England des Zweiten Weltkriegs. Bemerkenswerterweise tritt ein deutscher Nazi zu keinem Zeitpunkt im Film auf. Die Deutschen werden als karikaturhafte Preußen, desillusionierte Soldaten nach dem 1. Weltkrieg und als Gegner der Nazis dargestellt. Die nationalsozialistische Ideologie und deren Anhänger werden in Anton Walbrooks eindringlichem Monolog aufs Schärfste verurteilt - hier spricht eine Figur, dessen Familie am Naziregime zerbrach. Powell und Pressburger gehen sogar soweit, die Asylpolitik Englands zu hinterfragen: Hysterische Angst vor dem Feind blendet die britischen Beamten und lässt Theos Aufenthaltsgenehmigung im Ungewissen - ein bis heute hochaktuelles Thema für jede Nation, die mit Asylproblemen zu kämpfen hat, wird hier quasi nebenbei behandelt.

Wie Hochseilakrobaten halten Powell und Pressburger auch die Balance in Bezug auf das britische Militär. Colonel Blimp war ursprünglich eine Karikatur auf das reaktionäre englische Militär und Establishment. Candy ist natürlich dieser Blimp. Die Filmfigur ist jedoch um einiges komplexer als sein Alter Ego in den Comicstrips. Powell und Pressburgers Idee für das Drehbuch rührte nämlich keineswegs von den Comics her, sondern entstammte einer der Schere zum Opfer gefallenen Szene aus One of Our Aircraft is Missing, in der ein alter Mann einen jüngeren darauf hinweist, dass er nicht wisse, wie es sei, alt zu sein.

David Lows Cartoon

Candys Einsicht am Schluss ist von zentraler Bedeutung. Der Tod von Colonel Blimp im Titel des Films meint nicht das körperliche Ende von Candy, sondern den Niedergang der alten Ansichten über den Krieg. Der Krieg hat seine ehrenwerte, "romantische" Seite verloren, deren Verkörperung Candy Zeit seines Lebens war.

Die große Kunst von Powell und Pressburger ist der Drahtseilakt zwischen militärischer Sentimentalität, die der Film hat, einerseits, und der Vermeidung plumper Propaganda andererseits. Ich kenne keinen Film, der ähnlich geschickt wie humorvoll mit ehrlichem Patriotismus und einem vielschichtigen Feindbild balanciert. Der Kunstgriff liegt meines Erachtens darin, dass wir die Nazis -wie erwähnt- nie zu Gesicht bekommen. Der Film klagt die Nazi-Ideologie an, ohne zu personalisieren. Die Weltanschauung ist zu verachten, nicht der Mensch.

"The war starts at midnight!" - zwei Auffassungen über Krieg kollidieren

Ein weiterer Geniestreich der Archers bestand darin, Deborah Kerr in drei unterschiedlichen Rollen zu besetzen. Es ist nicht nur für die männlichen Zuschauer angenehmer, in den drei Zeitphasen stets eine junge, hübsche Frau präsentiert zu bekommen, es fügt dem Film auch eine psychosexuelle Dimension hinzu, die er ansonsten nicht erreicht hätte. Candy strebt nach der Liebe, die er 1902 zu spät erkannte. Er umgibt sich deshalb mit Doppelgängerinnen Ediths. Und auch das nuancenreiche Spiel des fantastischen Anton Walbrook lässt erahnen, dass er Gefühle für Angela (Deborah Kerr in den 1940ern) hegt.

Überhaupt sei hier noch einmal auf die großartigen Schauspieler hingewiesen. Insbesondere Walbrook ist überragend. Nachdem ich ihn in der Rolle des Impresarios Lernmontov im ebenso empfehlenswerten Powell-und-Pressburger-Film The Red Shoes gesehen habe, zählt er für mich zu den fünf besten Schauspielern aller Zeiten.

Hier noch drei informative Links zum Film :

Dienstag, Oktober 17, 2006

Body Double: Deutsche RC 2 vs. RC 1 Special Edition


Die erste Filmbesprechung in diesem Blog muss sich natürlich mit einem Brian De Palma Film auseinandersetzen. Jedoch werde ich mich nicht über seinen aktuellen Kinofilm The Black Dahlia auslassen, sondern mit einem Werk beginnen, das zu seinen klassischen Thrillern zählt: Body Double (deutscher Titel: Der Tod kommt zweimal).

Body Double gehört mit Scarface zu jenen Filmen, für die Brian De Palma eine heftige Medienschelte einstecken musste. Gerade die Gewaltdarstellung gegen Frauen wurde zur Zeit der Veröffentlichung 1984/85 stark kritisiert. De Palma, der sich schon bei Dressed to Kill Vorwürfen der Misogynie ausgesetzt sah, wiederholte in unzähligen Interviews tapfer seine Argumente: Eine Frau in Gefahr sei emotional effektiver als Rambo in Gefahr und außerdem filme er Frauen nun einmal lieber als Männer!

Body Double handelt vom Schauspieler und Spanner Jake Skully (Craig Wasson), der, ganz in Rear Window-Manier, Zeuge eines Mordes wird. De Palma spielt hier mit einem der zentralen Themen des Kinos: dem Voyeurismus. In Body Double führt er dem Zuschauer einmal mehr vor Augen, wie sehr Spannung von der jeweiligen Perspektive abhängt, die die Kamera gerade einnimmt – besonders deutlich wird dies in der genial gefilmten Verfolgungssequenz durch eine Edelmall in Beverly Hills. Auf der Anfang Oktober veröffentlichten RC 1 Special Edition erklärt De Palma, dass dies für ihn die Essenz des Kinos sei. Keine andere Kunstform könne einen architektonischen Raum so dekonstruieren wie Film. Dass für diese Art des visuellen Geschichtenerzählens ein immenser planungstechnischer Vorlauf vonnöten ist, davon bemerkt der selbst zum Voyeur werdende Zuschauer freilich wenig. Hunderte von Fotos ließ De Palma für die Mall-Sequenz in Body Double schießen, dann arrangierte er sie in einem langen Prozess: Jeder Winkel der Mall wurde auf seine photogene Wirkung analysiert, bevor tatsächlich dort gedreht werden konnte.

Ich möchte mich heute aber nicht dem Film selbst widmen (vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt), sondern zwei DVD-Veröffentlichungen von Body Double miteinander vergleichen. Mein großes aber unerreichbares Vorbild für solche DVD-Vergleiche ist DVD Beaver. Leider bin ich auf erhebliche Probleme beim Erstellen von Tabellen hier im Blog gestoßen, weshalb ich die Ausstattungsmerkmale leider nicht - wie ursprünglich geplant - optisch gegenüberstellen kann.

Beginnen wir mit der mittlerweile sieben Jahre alten DVD:

Body Double - PAL - RC 2 - 1999 - Columbia Tristar Home Video

Coverscan
DVD-Format: DVD-5 (4,7 GB)
Filmlänge: 1:49:32 (4% PAL-Beschleunigung)
Videoformat: 1:1.85 anamorph

Durchschnittliche Bitrate: 4,98 mb/s



Audio:
Englisch 2.0, Deutsch 2.0, Italienisch 2.0, Französisch 1.0, Spanisch 1.0

Untertitel: Englisch, Französisch, Deutsch, Polnisch, Tschechisch, Ungarisch, Hindi, Türkisch, Dänisch, Schwedisch, Finnisch, Norwegisch, Isländisch, Portugiesisch, Griechisch, Hebräisch, Spanisch, Italienisch
Special Features: Trailer, Filmografien: Schauspieler, Regisseur
Body Double - NTSC - RC 1 - 2006 - Sony Pictures Home Entertainment
DVD-Format: DVD-9 (8,5 GB)
Filmlänge: 1:54:00
Videoformat: 1:1.85 anamorph

Durchschnittliche Bitrate: 5,97 mb/s








A
udio: Englisch 5.1, Französisch 2.0

Untertitel: Englisch, Französisch

Special Features: 4 Kurzdokumentationen mit den Interviewpartnern Brian De Palma, Melanie Griffith, Deborah Shelton, Gregg Henry und Dennis Franz.



Screen Captures im Vergleich
(Deutsche RC 2 jeweils oben vs. US-amerikanische RC 1 jeweils unten)


Kommentar und Bewertung: Wie zu erwarten war, ist die neue RC 1 DVD der deutschen Barebones-Veröffentlichung in fast allen Belangen überlegen. Das Bild wurde sichtbar überarbeitet. Die Farben sind kräftiger und wirken weniger verwaschen. Außerdem ist der Kontrast erheblich höher - man vergleiche nur einmal den Farmers-Market-Schriftzug auf Bild 3. Auch Details sind auf der RC 1 Scheibe deutlicher zu erkennen: Deborah Sheltons Finger sind beim Aufzugsbild (Bild 2) der RC 2 Disc kaum zu differenzieren. Die nagelneue US-DVD wurde laut DVD-Hülle für High Definition remastert. Also wird demnächst vermutlich eine High Definition Blu-ray und/oder HD DVD von Body Double erscheinen.
Der Ton wurde ebenfalls verbessert. Pino Donaggios Musik, die in De Palma Filmen schon deshalb eine enorm wichtige Rolle einnimmt, weil viele Passagen dialoglos sind, schallt gleichmäßig aus den Frontboxen. Die Rearspeaker werden wenig in Beschlag genommen: Für aufdringliche Effekte so gut wie gar nicht, und wenn sie doch genutzt werden, dann in erster Linie, um einen ausgewogenen Klangraum für die Musik zu erzeugen.
In punkto Extras siegt die US-Disk durch k.o. in der ersten Runde! Das ist für den Fan des Films der wohl ausschlaggebende Grund, sich die neue Scheibe zuzulegen. Exzellente Interviews mit einer Gesamtlänge von circa 50 Minuten beleuchten den Film von der Drehbuchphase über die Produktion bis zur Reaktion der Öffentlichkeit.
Für Leute, die ihre DVDs über den Computer abspielen, hält die RC 1 DVD eine mittlerweile klassische Unannehmlichkeit bereit: Nach dem Einlegen öffnet sich automatisch eine Columbia Tristar Startmaske, die man allerdings schnell wegklicken kann.
In einer Hinsicht ist die RC 2 der RC 1 DVD jedoch überlegen. Sie enthält den Body Double Trailer, für den De Palma seinerzeit einen Clio Award erhielt. So verfehlt die RC 1 Scheibe nur knapp das Urteil "perfekt".

Es geht los!

Braucht das Internet einen weiteren Blog, der sich mit Filmen und DVDs beschäftigt? Wahrscheinlich nicht. Es gibt ohnehin schon zu viele davon. Trotzdem möchte ich meinen Senf ins globale Dorf posaunen. Warum? Schon alleine deshalb, um zu wissen, dass meine unbedeutende Meinung für jederman abrufbar ist - jedenfalls zu den Themen, für die ich sie publik machen will.

Wer bin ich? Ich bin Lehramtsstudent an der Uni Potsdam, möchte demnächst gerne als Lehrer für die Fächer Deutsch und Englisch tätig werden, verfüge momentan aber leider über mehr Freizeit, als mir lieb ist. Ein Luxus heutzutage, aber ein Luxus, den ich bei zwei Korrekturfächern in Zukunft zweifellos mehr zu schätzen wissen werde, als es derzeit der Fall ist.

Und wer ist Sutter Cain? "Sutter Cane" ist eine Figur in John Carpenters In the Mouth of Madness: Ein genialer aber wahnsinnger Horrorromancier, gespielt von Jürgen Prochnow. "Cain" ist die englische Schreibweise für Kain - für mich als De Palma Fan aber in erster Linie eine Anspielung auf Raising Cain. Unter diesem Namen bin ich auch bei einigen Foren registriert. Und aus Gründen der Einfachheit habe ich diesen Namen auch für diesen Blog gewählt. Wer will sich schon verschiedene Aliasse merken müssen?