Im Januar 1947 wurde die bestialisch verstümmelte Leiche der erfolglosen Schauspielerin Elizabeth Short (Spitzname: schwarze Dahlie) auf einer Wiese in Los Angeles gefunden. Ein gewaltiges Medienecho war die Folge. Doch eine aufwändige Polizeiermittlung blieb ergebnislos.
James Ellroys Roman aus dem Jahr 1987, eine fiktive Aufarbeitung des realen Dahlia-Falls, trug maßgeblich dazu bei, die Geschichte der Dahlie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Ellroy entwickelte
seine persönliche Theorie, wer für das Verbrechen verantwortlich gewesen sein könnte. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an die Verfilmung, handelt es sich doch, darüber sind sich die Ellroy-Fans einig, um seinen besten Roman. Im Zentrum des Geschehens steht bei Ellroy eine Dreiecksbeziehung zwischen zwei knallharten Cops (im Film dargestellt von Josh Hartnett und Aaron Eckhart) und einer Gangsterbraut (Scarlett Johansson).
Einige Kritiker bemängelten die Reduzierung und Vereinfachung des Romanplots, während andere sich über die zu komplizierte Handlung echauffierten. Wieder andere lobten hingegen die Erzählstruktur, die sich in konzentrischen Kreisen entfaltet. Etwas, das vorlagentreu ist, denn Ellroy jongliert mit mehreren Parallelhandlungen, die erst in den letzten Kapiteln ineinander fließen.
Gemessen wurde die 'Dahlie' in fast allen Rezensionen an Curtis Hansons großartigem
L.A. Confidential, der ebenfalls auf einem James Ellroy Roman basiert, sich aber
sehr viel sklavischer an die Vorlage hält. Der US-Kritiker Jeff Anderson brach diesen letztlich in die Irre führenden Vergleich auf den Satz herunter: "
L.A. Confidential is literature and
The Black Dahlia is cinema." - Besser kann man es nicht formulieren. De Palma interessiert in erster Linie nicht der Plot dieser Detective-Story. Daraus macht er auch keinen Hehl. Vielmehr möchte er eine Noir-Stimmung schaffen, wie man sie heutzutage nicht mehr im Kino zu sehen bekommt. Und dafür konzentriert er sich auf die Optik: Ein bräunlicher Grundton ersetzt das Schwarzweiß der klassischen Noirs. Die Räume sind meist rauch- und nebelgeschwängert. Oft durchschneiden scharfe Licht
strahlen das Bild. Immer wieder kommen altmodische Wischblenden zum Einsatz. Das alles erzeugt eine epische und fast greifbar dichte Atmosphäre. Die Kamera trägt ihren Teil dazu bei: Sie gleitet selbst in Szenen wilder Action gemächlich, ruhig, bedächtig aber immer gezielt umher. De Palma erzeugt auf diese Weise einen visuellen Strudel, der uns unaufhaltsam in ein nostalgisch verklärtes L.A. der 40er zieht.
Ein De Palma Markenzeichen, das auch in The Black Dahlia häufig zum Einsatz kommt: Split-Diopter-Linsen. Sie ermöglichen es, den Vorder- und Hintergrund scharf zu zeigen.
Setdesign, Ausstattung und Kostüme bilden dabei eine perfekte Einheit, lassen die Figuren wie Spiegelbilder oder Wiedergänger der schwarzen Serie wirken. Insbesondere Hilary Swank und Scarlett Johansson pflegen die Bewegungen und Posen der weiblichen Noir-Ikonen. Josh Hartnett meistert die lakonisch, zynisch und doch lyrischen Voiceover-Kommentare überraschend gut. Meist begleitet von gedämpftem Trompetenspiel, referiert er mit rauchiger Stimme seine Gedanken. Seine Figur, der drahtige Detective Bucky Bleichert, ist für den Zuschauer der Anker in einer Welt der Lügen und Korruption.
Die schwarze Dahlie (Mia Kirshner) während einer Probeaufnahme.
Die Lüge und das Lügen in seinen verschiedenen Spielarten durchzieht
The Black Dahlia wie eine seidig glänzende Spinnwebe. Am verständlichsten sind noch die Lügen der schwarzen Dahlie selbst, die sie in ihren Casting-Aufnahmen von sich gibt. Buckys Partner, Le
e Blanchard (Aaron Eckart), hingegen führt sowohl Bucky als auch den Zuschauer an der Nase herum und sorgt so für ordentlich Verwirrung. Eine polizeibehördliche Lüge (ein unwahres Memo) hat den Tod unschuldiger Zivilisten zur Folge. Die Verdächtigen lügen ebenso wie die Medien. Es wird so oft die Unwahrheit gesagt, dass man die Wahrheit kaum noch erkennt: Als Madeleine (Hilary Swank) Bucky im Bett nach dem Liebesspiel gesteht, dass sie eine lesbische Affäre mit der Dahlie gehabt habe, lacht er, weil er ihr nicht glaubt.
Auch am Ende, in der großen Auflösungsszene, spielt das Lügen eine zentrale Rolle. Bucky zerschießt eine Reihe Kunstgegenstände, weil er nichts außer Lügen als Antworten auf seine Fragen bekommt. Da betritt der heimlich lauschende Täter schreiend und völlig unerwartet die Szene. Der Grund? Es wurde zu viel gelogen. Dann doch lieber ein Geständnis. Hieran merkt man: De Palma inszeniert nicht bierernst.
Leider werden seine parodistischen Qualitäten oft nicht erkannt. Ein leiser, stetiger Ton der Ironie begleitet die Geschichte. Die Themen 'Hollywood', 'Familie' und 'Rauchen' werden in einer übertriebenen, verzerrten Weise dargestellt, die zum Schmunzeln einlädt. Und die Dinner-Szene bei den Lanscotts gehört zum Komischsten, was 2006 über deutsche Leinwände flimmerte.
Zur DVD
Ende Dezember erschien die RC-1 DVD. Da De Palma Filme voller Details stecken, die man beim ersten Mal nicht alle aufnehmen kann, lohnt sich ein zweiter Anlauf im Heimkino alleine schon unter diesem Aspekt.
Das anamorphe Bild (2.35:1) ist fantastisch. Es ist scharf und detailreich. So kommt Vilmos Zsigmonds atmosphärische Kameraarbeit voll zur Geltung. Zwar wirkte der Film nach meinem Empfinden im Kino plastischer, insbesondere die Brauntöne strahlten dort kräftiger. Aber insgesamt ein vorbildlicher Transfer aufs digitale Medium.
Der Layerswitch (1:22:14) wurde gut versteckt. Ich habe ihn fast nicht bemerkt.
Es befinden sich drei Audiotracks auf der Scheibe: Englisch und Französisch 5.1, Spanisch 2.0. Der englische Track klingt dynamisch, nutzt die Rearspeaker nie aufdringlich. Dialoge und Musik wurden harmonisch abgemischt.
Drei 'Featurettes' von Laurent Bouzereau befinden sich als Extras auf der Disc:
Reality and Fiction: The Story of The Black Dahlia befasst sich mit der Hintergrundsgeschichte der schwarzen Dahlie. James Ellroy erklärt hier die realen Hintergründe des Falls und welche Bedeutung die 'Dahlie' für sein eigenes Leben hatte. Aufgrund der zeitlichen Begrenzung (11 Minuten) bleibt das jedoch im Vergleich zu der unlängst auf ARTE ausgestrahlten Doku
American Dog ziemlich oberflächlich.
The Case File ist ein zwanzigminütiges Making Of mit diversen Interviews von Crew und Darstellern.
Sie sehen aus wie eine Rentner-Gang: Die vier wichtigsten Kreativkräfte hinter der Kamera.
Schließlich
The De Palma Touch presented by Volkswagen (Werbestrategie: 6, setzen!) befasst sich mit den drei großen Namen hinter der Kamera: De Palma, Zsigmond und Set Designer Dante Ferretti werden in dieser knapp 17-minütigen Featurette vorgestellt und es wird erklärt, wie sich ihre spezielle Arbeit in
The Black Dahlia niederschlägt.
Bouzereau hat zweifellos schon bessere DVD-Dokus erstellt. Erinnert sei an die fantastische
Body Double SE, die im Herbst erschienen ist. Dennoch befinden sich seine Infofilme qualitativ immer noch weit über dem Durchschnitt der üblichen DVD-Stangenware.
Fazit: Der beste Film des Jahres 2006 in einer soliden DVD-Veröffentlichung.