Dienstag, Juli 31, 2007

DVD: Double Indemnity

Double Indemnity will ich nicht wie all die anderen Noirs in Kürze besprechen. Denn dieser Billy-Wilder-Film aus dem Jahr 1944 ist für mich der mit Abstand beste Streifen der schwarzen Serie. In diversen Film-noir-Dokumentationen wird Double Indemnity gerne als Referenzfilm angeführt, wenn es darum geht, das Genre (wenn es denn eines ist) zu definieren. Die großartige US-Doppel-DVD ist derzeit das Nonplusultra. Eine deutsche DVD von Double Indemnity (DT: Frau ohne Gewissen) ist nun nach langer Wartezeit ebenfalls erschienen. Es handelt sich um eine PAL-Version der US-DVD, allerdings ohne Untertitel und ohne zweite Disc.

Double Indemnity erzählt vom Versicherungsvertreter Walter Neff (Fred MacMurray), der der größten Femme Fatale aller Zeiten, Barbara Stanwyck als Phyllis Dietrichson, verfällt. Dietrichson stiftet Neff dazu an, ihrem Mann ohne dessen Wissen eine Lebensversicherung unterzujubeln. Um die titelgebende doppelte Abfindung zu kassieren, muss Mr. Dietrichson ein Unfall mit einem Zug zustoßen, den die beiden zu arrangieren verstehen. Doch gelingt dem Liebespaar tatsächlich das perfekte Verbrechen? Und hat sich Mrs. Dietrichson wirklich in Walter verliebt?

Double Indemnity weiß in jederlei Hinsicht zu überzeugen. Der Plot hat damals die Themen vorgegeben, die in den darauffolgenden Jahren die düsteren Hollywoodfilme beschäftigen sollten: Verschwörung und Verrat, Liebe und Sex, Mord und das perfekte Verbrechen. Der Look des Films geht an die Grenzen dessen, was man mit Licht und insbesondere mit Schatten erreichen kann. Die Rückblickstruktur wurde in nur wenigen Noirs (Out of the Past und Sunset Blvd. spielen noch in derselben Liga) ähnlich geschickt zur Spannungserzeugung eingesetzt: Double Indemnity beginnt damit, wie Neff durch die nächtlichen Straßen L.A.s rast, sich angeschossen in sein Büro schleppt und einem Diktiergerät das Verbrechen beichtet. Das bringt einen schon zum nächsten meisterhaften Element: Der geschliffenen Sprache. Monatelang waren der extrovertierte Wilder und der introvertierte Raymond Chandler gemeinsam in einem kleinen Raum eingesperrt, um James M. Cains gleichnamige Novelle in ein Drehbuch zu verwandeln. Eine explosive Mischung, denn die zwei hassten einander inniglich. Mehrmals drohte Chandler, der unter Wilders permanenten Sticheleien zu leiden hatte, mit Abbruch. Eine Legende besagt sogar, Chandler habe Wilder einmal einen Brieföffner in den Rücken gerammt, als ihm dessen Gehässigkeiten zu viel wurden. Die Kollaboration ließ den Ex-Alkoholiker Chandler auch wieder mit dem Trinken anfangen. Ein Wunder, dass am Ende überhaupt ein Drehbuch herauskam. Noch dazu eines, das durch seine lebendigen, beinahe poetischen Dialoge voller sexueller Zweideutigkeiten und erfrischendem Wortwitz zum Besten zählt, was man in einem Noir-Film jemals zu hören bekommen wird.

Alternatives Ende: Walter Neff in der Gaskammer. Keyes ist anwesend. Die Szene hat Wilder mit "enormer Sorgfalt" gedreht, verwarf sie aber später wieder.

Die Besetzung mit MacMurray, Stanwyck und Edward G. Robinson als Neffs smartem Vorgesetzten Barton Keyes war damals insofern ungewöhnlich, als dass alle drei gegen ihre üblichen Rollen gecastet worden waren. MacMurray arbeitete als Komiker, Wilder musste einige Überzeugungsarbeit leisten, um ihn an Bord zu holen. Robinson war meist der fischgesichtige Verbrecher und Star eines Films - hier muss er sich mit einer Nebenrolle begnügen, die er allerdings perfekt ausfüllt. Und Stanwyck ist der Mut hoch anzurechnen, eine solch gewissenlose Bitch zu verkörpern.

Double Indemnity verbuchte mehr Oscarnominierungen als jeder andere Noir: sieben. Doch er gewann keinen einzigen.

Sichtbarer Staub im Licht verleiht den Bildern eine nahezu greifbare Beschaffenheit. Double Indemnity nutzte in vielen Szenen Jalousien für symbolisch aufgeladene Licht- und Schattenspiele (heute ein visuelles Klischee): Die schwarzen Balken sperren die Figuren regelrecht ein, verbildlichen die schicksalhafte Ausweglosigkeit, in der sie gefangen sind.


Zur DVD

Die im Sommer 2006 erschienene Universal-Legacy-Series-DVD beinhaltet im Gegensatz zur ansonsten fast vollkommen identischen deutschen Ausgabe neben dem Wilder-Film auch das 1973-TV-Remake mit Richard Crenna als Walter Neff, Samantha Eggar als Mrs. Dietrichson und Lee J. Cobb als Keyes. Wer sich dieses Remake ansieht, dem wird einmal mehr die außerordentliche Qualität des Originals bewusst.

Die 73er-Version ist ein Paradebeispiel dafür, wie Fernseh-Ästhetik elegantes visuelles Geschichtenerzählen zerstört. In statischen, einfallslosen, grell-bunten Bildern vermittelt Regisseur Jack Smight den Plot, als handele es sich um eine Columbo-Folge. Dabei kürzt und vereinfacht er nicht nur die genialen Chandler-Dialoge und einige Spannungsszenen, sondern blendet auch gleich die sexuellen Untertöne des Originals aus. Der TV-Film ist um einiges prüder als die knapp 30 Jahre ältere Fassung, die noch unter dem Hays-Code gedreht worden war. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob Smight dies absichtlich tat oder ob er zu stumpfsinnig war, diese Ebene des Wilder-Films überhaupt wahrzunehmen.

Samantha Eggar und Richard Crenna als verbrecherisches Liebespaar im 1973er-TV-Remake.

Aber auch die Darsteller kommen nicht an ihre Vorgänger heran. So sehr ich Richard Crenna als Col. Trautman in den Rambo-Filmen schätze, hier wirkt er im Vergleich zu Fred MacMurray wie ein Laiendarsteller. Und auch die im Laufe ihrer Karriere immerhin mit einer Oscarnominierung bedachte Samantha Eggar kann eine vergleichbare erotische Spannung wie Barbara Stanwyck zu keinem Zeitpunkt erzeugen. Da erscheint es nur logisch zu sein, dass die Chemie zwischen Crenna und Eggar ebenfalls nicht stimmt. Die zwei erinnern an Marionetten, denen die deplaziert wirkende Chandler-Sprache souffliert wird.

Ein Geniestreich von Universal, dem DVD-Release dieses miserable Low-Budget-Fernsehspiel beizulegen. Auf diese Weise wächst noch einmal die Ehrfurcht vor dem größten aller Noir-Filme.

Das Menü ist schlicht, raubt keinen wichtigen Speicherplatz.

Bild und Ton sind beide unter Berücksichtigung des Alters des Films fantastisch. Zwar sind beim Bild hin und wieder einige "Altersflecken" erkennbar, dennoch lassen Schärfe, Kontrast und Detailreichtum wenig zu wünschen übrig. Der Mono-Ton ist klar, störungsfrei und ohne die typischen Knackser, die man sonst oft bei Filmen dieser Ära zu hören bekommt.

Als Extras beherbergt die DVD eine ganze Menge Material, das Double Indemnity filmhistorisch verortet. Das beginnt mit einer kurzen Einführung von Filmhistoriker Robert Osborne und setzt sich über zwei Kommentarspuren mit Filmwissenschaftlern fort. Auf der ersten Kommstarspur referiert Richard Schickel, auf der zweiten Nick Redman zusammen mit dem Drehbuchautor Lem Dobbs. Wie bei vielen Kommentarspuren klassischer Hollywoodfilme wird hier für meinen Geschmack zu viel Unwesentliches, Triviales behandelt. Anstelle einzelne Szenen zu analysieren, bevorzugen es die meisten Kommentarsprecher, die Biographien der Beteiligten und Anekdoten vom Entstehungsprozess vorzutragen. Das kann interessant sein, ist meist aber recht trocken und obendrein wiederholt sich manch eine Information auf diese Weise. Eine szenenspezifische Herangehensweise wäre gerade im Hinblick auf typische Noir-Merkmale fruchtbarer. Leider kommt das hier auf beiden Spuren zu kurz.

Jedoch macht die exzellente, 38-minütige Dokumentation Shadows of Suspense die etwas enttäuschenden Commentaries wieder vergessen. Eddie Muller, James Ursini, Alain Silver, Drew Casper, James Ellroy, William Friedkin und viele andere beschreiben einzelne Aspekte des Films, ordnen ihn filmhistorisch ein und erklären die immense Wirkung, die er nicht nur auf das Noir-Genre, sondern auf die Filmgeschichte insgesamt genommen hat.

Double Indemnity ist nichts geringeres als ein Meisterwerk. Für mich der beste Film noir, der beste Film, den Billy Wilder gedreht hat, und sowieso einer der thematisch und visuell einflussreichsten Streifen, die Hollywood je hervorgebracht hat.
100 Punkte.

Empfehlenswerter Link:
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Samstag, Juli 28, 2007

Filmtipp: Edmond

Viele der diesjährigen Fantasy-Filmfest-Filme existieren bereits als Kauf-DVDs. Den Vogel schießt hierbei der Abschlussfilm, Dnevnoy dozor, ab, der seit Sommer 2006 als russische DVD mit englischen Untertiteln erhältlich ist. Aber auch der Mystery-Thriller Premonition mit Sandra Bullock oder die australische Shakespeare-Verfilmung Macbeth sind in ihren Produktionsländer schon auf DVD erschienen.

Edmond, vom regelmäßigen Fantasy-Filmfest-Gast Stuart Gordon, stammt aus dem Jahr 2005 und zählt somit ebenfalls zu den weniger aktuellen Beiträgen. Diese Adaption von David Mamets (The Untouchables) Theaterstück hat es jedoch zweifellos verdient, im Programm aufzutauchen!

Entgegen Gordons frühen Horrorstreifen wie Re-Animator oder Castle Freak, die primär über ihr augenzwinkerndes Spiel mit Guts 'n Gore funktionieren, beschäftigen sich seine letzten Filme mehr mit der Psyche des Menschen. Gordon ist älter und reifer geworden, hat den Blick nach innen schweifen lassen und nutzt äußerliche Gewalt nicht mehr als Instrument für groteske Splatterszenen. In King of the Ants und Edmond stellt er Gewalt sehr viel realistischer dar. Hier ist sie vielmehr ein probates Mittel zum Erreichen von niederen Zielen wie Geld, Sex oder Macht. Zumindest scheint es auf den ersten Blick so zu sein. Doch die Gewalt ist niemals kontrollierbar, ist wie ein wildes Tier, das sich schnell auch gegen seinen Herrn richten kann.

Edmond Burke (William H. Macy) ist ein Seelenverwandter von Travis Bickle. Wir folgen ihm bei seinem Streifzug durch die New Yorker Nacht. Edmond hat gerade seine Frau (Rebecca Pidgeon) verlassen, nachdem ihm eine Wahrsagerin die Tarotkarten gelegt hat und zum Schluss kam: "You're not where you belong". Eine Typ in einer Bar (Joe Mantegna) rät ihm, dringend einen Puff aufzusuchen. Doch dort angekommen, gerät er über die vorherrschenden Abzockermethoden in Rage und wird wieder vor die Tür gesetzt. Er zieht weiter durch die Nacht, wird wie auf einer Welle von einem zwielichtigen Etablissement zum nächsten getrieben, bis er ein Schlüsselerlebnis hat, das ihn für einen Augenblick in Euphorie versetzt, nur damit der anschließende Fall noch schmerzhafter sein wird.

Macy ist für die Rolle des Antihelden die Idealbesetzung. In Gastauftritten glänzen Denise Richards, Julia Stiles, Bai Ling, Mena Suvari und natürlich Jeffrey Combs. Edmond ist eine Studie über die Abgründe der Seele, die Kälte zwischenmenschlicher Kommunikation und die animalischen Macht-Hierarchien im Großstadtdschungel. Das ist schauriger als jede Splatterorgie. Zwar merkt man Edmond durchaus eine gewisse Patina an. Schließlich schrieb Mamet das Stück vor gut 25 Jahren. Aber Gordon weiß dieses Manko clever zu kaschieren, indem er Macys "Knautschgesicht" (danke, FFF-Heft!) und Mamets ausgefeilte Sprache in den Vordergrund rückt. Und die Themen, die behandelt werden, sind ohnehin zeitlos: Rassismus, Sex und urbaner Wahnsinn.

Wer die Möglichkeit hat, Edmond auf dem FFF zu sehen, sollte die Chance nutzen!

Mittwoch, Juli 25, 2007

Sight and Sound kürt 75 vergessene Filmperlen

Zu seinem 75. Geburtstag veröffentlicht das britische Filmmagazin Sight and Sound eine Liste mit 75 vergessenen Perlen der Filmgeschichte. Die Zusammenstellung ist das Resultat einer ausgiebigen Befragung von Filmkritikern weltweit:

We asked 75 critics from across the world each to nominate one film they thought was unduly obscure and worthy of greater eminence. …this is not another exercise in canon-forming. The intention is precisely the opposite.

Zu meinem Bedauern muss ich feststellen, dass ich nur sehr wenige dieser Werke kenne. Anlass zur Freude ist allerdings, dass sich Brian De Palmas Blow Out unter den Auserwählten befindet.

Hier die Liste in alphabetischer Reihenfolge. Ich habe sie vom australischen Blog I Screen Studies übernommen:

The Actress (George Cukor, US, 1953)
Adieu Philippine (Jacques Rozier, France, 1962)
The Adventure of Hajji Baba (Don Weis, US, 1954)
Andaz (Mehboob Khan, India, 1949)
Avanti Popolo (Rafi Bukai, Israel, 1986)
Baksa Badal (Nityananda Dutta, India, 1965)
Bari Zogon (Watanabe Fumiki, Japan, 1996)
Blow Out (Brian De Palma, US, 1981)
Chaos (Coline Serreau, France, 2001)
Crazy Thunder Road (Ishii Sogo, Japan, 1980)
Deep End (Jerzy Skolimowski, Germany, 1970)
Docteur Jekyll et les Femmes (Walerian Borowczyk, France, 1981)
El (Luis Bunuel, Mexico, 1953)
Elle est des Notres (Siegrid Alnoy, France, 2003)
Force of Evil (Abraham Polonsky, US, 1948)
Funny Dirty Little War (Hector Olivera, Argentina, 1983)
The Girl from Carthage (Albert Samama Chikly, Tunisia, 1924)
The Gold Diggers (Sally Potter, UK, 1983)
Grace of My Heart (Allison Anders, US, 1996)
Grounded God (Prince Chatri Chalerm Yukol aka Tan Mui, Thailand, 1975)
Hustle (Robert Aldrich, US, 1975)
The Insect Woman (Imamura Shohei, Japan, 1963)
Intimate Lighting (Ivan Passer, Czechoslovakia, 1965)
Iracema - Uma Transa Amazionica (J. Bodanzky & O. Senna, Brazil, 1976)
Khon Jorn (Attaporn Thihirun, Thailand, 1999)
Kukuli (Luis Figueroa, Eulogio Nishiyama and Cesar Villanueva, Peru, 1961)
The Last of the Mohicans (Maurice Tourneur & C. L. Brown, US, 1920)
LBJ (Santiago Alvarez, Cuba, 1968)
Leolo (Jean-Claude Lauzon, Canada, 1992)
Leo the Last (John Boorman, UK, 1969)
The Mad Fox (Tomu Uchida, Japan, 1962)
The Magic Face (Frank Tuttle, US, 1951)
Make Way for Tomorrow (Leo McCarey, US, 1937)
La Mancha de Sangre (Adolfo Best Maugard, Mexico, 1943)
Mandala (Im Kwon Taek, South Korea, 1981)
Marketa Lazarova (Frantisek Vlacil, Czechoslovakia, 1965)
Model Shop (Jacques Demy, US, 1969)
The Moises Padilla Story (Gerardo de Leon, US, 1961)
Monpti (Helmut Kaeutner, Germany, 1957)
Muna Motto (Jean-Pierre Dikongue-Pipa, Cameroon, 1975)
New Rose Hotel (Abel Ferrara, US, 1998)
The Night it Rained (Kamran Sheerdel, Iran, 1967)
Paris 1900 (Nicole Vedres, France, 1948)
Patti Rocks (David Burton Morris, US, 1987)
Peter Ibbetson (Henry Hathaway, US, 1935)
The Phynx (Lee H Katzin, US, 1970)
Le Plein de Super (Alain Cavalier, France, 1976)
Les Pont des Arts (Eugene Green, France, 2004)
The Pumpkin Eater (Jack Clayton, UK, 1964)
Queimada! (Gillo Pontecorvo, Italy/France, 1968)
Raise Ravens (Carlos Saura, Spain, 1975)
The River Fuefuki (Kinoshita Keisuke, Japan, 1960)
Le Roi et l’Oiseau (Paul Grimault, France, 1980)
Le Roman de Renard (Ladislaw Starewicz, France, 1931)
The Ruling Class (Peter Medak, UK, 1971)
Silent Running (Douglas Trumbull, US, 1971)
Silver Wind (Vaclav Krska, Czechoslovakia, 1954)
Sir Henry at Rawlinson End (Steve Roberts, UK, 1980)
Still Looking for Morphine (Yannis Fagras, Greece, 2001)
Stir of Echoes (David Koepp, US, 1999)
Straight Talk (Barnet Kellman, US, 1992)
The Street with No Name (William Keighley, US, 1948)
Subarnarekha (Ritwik Ghatak, India, 1965)
Sunday (Jonathan Nossiter, US, 1997)
Superstar (Bruce McCulloch, US, 1999)
The Swimmer (Irakli Kvirkadze, USSR, 1982)
Szindbad (Zoltan Huszarik, Hungary, 1972)
Terminal Island (Stephanie Rothman, US, 1973)
Three Years Without God (Mario O’Hara, Philippines, 1977)
Track of the Cat (William A Wellman, US, 1954)
Trans-Europ-Express (Alain Robbe-Grillet, France, 1966)
Uncle Moses (Sidney M Goldin, US, 1932)
Wanda (Barbara Loden, US, 1970)
West and Soda (Bruno Bozzetto, Italy, 1965)
White Dog (Samuel Fuller, US, 1981)

Montag, Juli 23, 2007

Gedrucktes: Harry Potter and the Deathly Hallows

Im Juli 1997 publizierte Bloomsbury in bescheidener Auflage von 5.000 Exemplaren Harry Potter and the Philosopher's Stone. Zehn Jahre und gut 3.600 Seiten später findet diese erfolgreichste Fantasyreihe aller Zeiten nunmehr ihr Ende.

Ich muss zugeben: Ich gehöre nicht zu den Lesern der ersten Stunde. Ich stieg erst im Oktober 2000 in die Serie ein. In der Nacht, als der vierte Band auf Deutsch erschien, sendete Radio Eins das Hörbuch des ersten Teils. Ich hörte es mir an und war fasziniert, besorgte mir daraufhin alle Rufus-Beck-Hörbücher und anschließend einen Schuber mit den englischen Ausgaben der Bände 1 bis 4, um die Romane noch einmal im Original zu lesen. Seit Teil fünf bin ich sozusagen live dabei.

Als ich mit einem Freund, der die Bücher nicht gelesen, aber alle Verfilmungen gesehen hatte, nach dem Order-of-the-Phoenix-Kinobesuch beim anschließenden Bierchen saß, fragte er mich, ob ich die Potter-Reihe tatsächlich für ein Epos halte. Ich zögerte - die Verfilmung von Teil 5 noch frisch im Gedächtnis. Die ehrliche Antwort lautet: Nein in Bezug auf die Verfilmungen, die verkürzte und oftmals episodenhafte Bebilderungen der Bücher sind und die zu keinem Zeitpunkt einen übergreifenden Zusammenhang spürbar werden lassen. Mitunter wirken die Verfilmungen hektisch in ihrer Inszenierung und grobschlächtig in ihrer simplen Aneinanderreihung der wichtigsten Handlungspunkte. Nie wird mal innegehalten. Und so gibt es keinen Raum für den Zuschauer, kurz Atem zu holen, einfach eine Weile abzuhängen in der Zaubererwelt und sie auf sich wirken zu lassen.

In den Bücher ist das freilich anders! Die epische Breite äußerst sich bei ihnen gerade in der Darstellung vieler Einzelheiten, in Abschweifungen und eingeschobenen Episoden. J. K. Rowling hat ein detailreiches, lebendiges literarisches Universum geschaffen, das sowohl die gegenwärtige (Muggle-)Realität glaubhaft schildert, als auch eine ausgeklügelte Fantasywelt zum Leben erweckt. Dieser schwierige Spagat zusammen mit den spannungsfördernden Krimi- und Horrormotiven ist neben den glaubwürdigen Figurenzeichnungen meines Erachtens entscheidend für den Erfolg der Potter-Reihe und lässt sie vielen Lesern zugänglicher werden als beispielsweise Tolkiens komplett im Fantastischen angesiedelte Lord-of-the-Rings-Trilogie, deren Figuren weniger Bezüge zur Alltagswelt anbieten.

Nun aber zu Band 7 und seinen "deathly hallows". Im Folgenden werden sich Spoiler kaum vermeiden lassen. Weiterlesen von hier an also auf eigene Gefahr!


Im letzten Teil der Heptalogie geschieht so viel, dass man die Handlung für die Verfilmung wohl wieder kräftig kürzen wird. Es beginnt düster. Bereits in den ersten Kapiteln findet eine Luftschlacht zwischen den Death Eatern und den Mitgliedern des Ordens statt, bei der Harrys Seite schwere Verluste einstecken muss. Das Ministerium wird von Voldemorts Leuten übernommen und die Hochzeit von Fleur und Bill Weasley endet damit, dass sich Ron, Hermione und Harry auf die Flucht begeben. Harry ist fortan "Undesirable Number One" und kreuzt zusammen mit Ron und Hermione monatelang durch die Welt. Ihre Mission: Die restlichen Horcruxe zu finden und zu zerstören. Hierbei kommt es zu mehreren Einbrüchen, einem spektakulären Kerker-Ausbruch, einer ganzen Reihe Kämpfe mit den Todessern und schließlich zu einem langen Showdown in Hogwarts. Auf dieser Schatzsuche begegnen wir so gut wie allen wesentlichen Gestalten, Orten und magischen Gegenständen der früheren Bände. Viele von Harrys tapferen Mitstreitern müssen allerdings dran glauben. Wenn ich mich nicht verzählt habe, beißen insgesamt sieben Lebewesen ins Gras, die in den vorangegangen Teilen eine beachtliche Rolle gespielt haben.

Drei magische Gegenstände, die Deathly Hallows, sollen Harry in seinem Endkampf gegen Voldemort helfen. Aber auch diese Artefakte wollen erst einmal gefunden werden. Hierbei spielt Dumbledores dubiose Vergangenheit und seine Schlacht mit dem Magier Grindelwald eine wichtige Rolle. Um die Deathly Hallows zu finden, hat Dumbledore Ron, Hermione und Harry wiederum drei magische Gegenstände testamentarisch hinterlassen. Das macht zusammen mit den sieben Horcruxen also 13 Objekte, um die es sich dreht. Das verwirrt sogar Harry, der an einer Stelle nicht mehr so genau weiß, was er nun als nächstes suchen soll.

Man muss schon den Hut ziehen, vor einem so exakten Masterplan, vor einer solch innigen Kenntnis der Fantasywelt und der Handlungsentfaltung, die Rowling keinesfalls während des Schreibprozesses (weiter-)entwickelt haben kann, sondern von Beginn an vor Augen gehabt haben muss. Da verzeiht man auch gerne die Kleinigkeiten, die in ihrer ewigen Wiederholung penetrant wirken, wie etwa Hermiones permanent feuchte Augen oder Harrys Gejammer, Dumbledore habe ihm nicht genügend in seine Biographie eingeweiht.


Und letztlich kommt es dann doch alles so, wie es kommen musste. Viele Spekulationen treffen zu. Insbesondere was die Horcruxe und Snape anbelangt, hatte Rowling in The Half-Blood Prince zu deutliche Spuren gelegt, um uns in den Deathly Hallows wirklich zu überraschen. Das stört jedoch nicht, sondern befriedigt. Man wird gewissermaßen für sein aufmerksames Lesen belohnt. Der Epilog, der 19 Jahre nach dem Showdown spielt, ist allerdings ein Griff ins Klo. In einer ungeheuerlich verkitschten Schlussszene lässt Rowling die Hauptfiguren noch einmal auftreten, wie sie ihre eigene Brut zum Hogwarts-Express bringen. Alle brav mit ihren Schulliebschaften verheiratet, trägt der Nachwuchs die Namen der Großelterngeneration. Es ist zwar verständlich, dass Rowling nach all dem Blutvergießen ein Idyll, für das schließlich sieben Bände lang gekämpft wurde, an das Ende setzen will. Was sie mit diesem Bogen, den sie zu The Philosopher's Stone schlägt, jedoch tatsächlich macht, ist Stillstand zu zelebrieren...und sich eine Hintertür für mögliche Fortsetzungen offenzuhalten.

Rowling verpackt diesen Entwicklungsroman wie gewohnt in eine unkomplizierte, schnörkellose Sprache, die sich der Handlung komplett unterordnet, als eigene Größe jedoch wenig zu bieten hat.

The Deathly Hallows zählt für mich zu den besten der Potterbücher. Ob es das beste ist, will ich (noch) nicht sagen. Dafür muss etwas Zeit vergehen, muss ich Abstand gewinnen und es noch einmal lesen. Es sticht aber schon wegen seiner anderen Struktur heraus: Hier gliedert nicht das Schuljahr die Handlung. Auch die seit The Chamber of Secrets eingeführte Rassenideologie wird nun in ihrer grauenhaften Konsequenz geschildert: Willkürliche Verhaftungen, Schauprozesse, Rufmord, Exil. The Deathly Hallow führt die einzelnen Ebenen eines totalitären Staates anschaulich vor.

Und wie schon oft zuvor (Quirrell, Riddle, Serius, Moody), überraschen uns Figuren ob ihrer Wandelbarkeit. So wird an Dumbledores Saubermann-Image etwas gekratzt oder die Familie Malfoy distanziert sich in kleinen Schritten vom Dunklen Lord. Nur leider bleibt die große Überraschung diesmal aus, wenn man einmal vom furchtbaren Epilog absieht.

Freitag, Juli 20, 2007

Film noirs in Kürze: Zweimal Bogie

High Sierra markiert den Übergang der 30er-Jahre-Gangsterfilme zu den 40er-Jahre-Film-noirs. High Sierra ist also ein Grenzfall, lässt sich beiden Dekaden zuordnen. Außerdem ist es der Film, in dem Humphrey Bogart erstmals eine Hauptrolle übernahm. Bogie gibt hier den Ex-Con Roy Earle, der mit einigen anderen Ganoven einen Überfall auf ein Hotel plant. Gleichzeitig engagiert sich Earle für ein verkrüppeltes Mädchen, in das er sich verliebt hat. - Geradlinig inszeniert Raoul Walsh diesen im Vergleich zu späteren Noirs relativ harmlos wirkenden Gangsterfilm. Bogart glänzt, die Story ist auch ansprechend. Was Kamera und Licht anbelangt, merkt man High Sierra jedoch sein frühes Erscheinungsjahr 1941 an: So gibt es wenige für das Genre typische Licht- und Schattenspiele oder Low-Angle-Aufnahmen.
65 Punkte.


Dark Passage: Vincent Parry (Humphrey Bogart) bricht aus San Quentin aus. Unerwartete Hilfe erfährt er von der wohlhabenden Malerin Irene Jansen (Lauren Bacall). Eine Gesichtsoperation soll ihn vor seinen Verfolgern schützen. Doch eben jener Killer, für dessen Mord Parry fälschlich im Knast einsaß, schiebt ihm nun einen weiteren Mord unter. - Verdammt mutig war es von den Machern von Dark Passage, Humphrey Bogarts Gesicht erst in der zweiten Hälfte des Films zu präsentieren, nämlich nach der Gesichts-OP. Bis dahin verwendet Regisseur Delmer Dewes überwiegend die Subjektive Parrys. Ein stilistisches Mittel, das Robert Montgomery im selben Jahr in Lady in the Lake noch konsequenter verwendete. Insgesamt handelt es sich bei Dark Passage um einen spannenden, formal überaus ansprechenden Film noir, der bis in die kleinste Nebenrolle durch einprägsame Schauspielleistungen überzeugt.
73 Punkte.

Dienstag, Juli 17, 2007

Gäste für De Palma Radio Show stehen fest

Die Gäste für den Brian De Palma Blog Radio Tribute stehen nun fest. Zur Einstimmung auf die zweistündige Radioshow in der kommenden Nacht zum Montag gab es vorgestern bereits ein halbstündiges Interview mit dem Kritiker Keith Uhlich über das Werk Brian De Palmas. Gesprächsthemen waren unter anderem das "Hitchcock-Problem", Dressed to Kill, Mission to Mars, The Black Dahlia sowie De Palma als politischer Filmemacher. Diese Sendung lässt sich hier herunterladen.

Die folgende Gästeliste für die bevorstehende Sendung ist direkt von MOVIE GEEKS UNITED! übernommen:

Eyal Peretz - A Comparative Literature professor at Indiana University, Mr. Peretz's new book, "Becoming Visionary: Brian De Palma's Cinematic Education of the Senses", will be released in October. The book examines the philosophical elements in De Palma's work.

William Katt- Katt's first feature film, "Carrie", was also De Palma's first big hit. This wonderful actor also portrayed the young Robert Redford in "Butch Cassidy and the Sundance Kid: The Early Years", 1986's classic horror film "House", and was the title character in the legendary television series "The Greatest American Hero". Interestingly, Katt won the role in "Carrie" by auditioning for Luke Skywalker in the original "Star Wars".

William Finley - Tremendous character actor who went to college with De Palma and has been feature din many of his films, including "Phantom of the Paradise", "Sisters" and "The Black Dahlia". Mr. Finley will share insights into De Palma the man, and the artist.

Geoff Beran - A De Palma appreciation movement is sweeping the internet, and this man is at the forefront. His De Palma-themed website, DE PALMA A LA MOD, is essential daily reading for any De Palma devotee. He has also interviewed Brian De Palma.

Armond White - The highly respected film critic for the New York Press will join the Movie Geeks for a critical roundtable discussion of De Palma's most important works. Mr. White has, in many ways, taken over for legendary critic Pauline Kael, in his unapologetic adoration of De Palma's genius.

Keith Uhlich - For the archive listeners, the Movie Geeks will interview this highly prolific film essayist/critic who has written profiles on De Palma for Senses of Cinema and Slant magazine.

Dienstag, Juli 03, 2007

Filmtipp: Sideways

If anybody orders Merlot, I'm leaving. I'm not drinking any fucking Merlot!

Auch wenn das gegenwärtige Wetter nicht davon zeugt: Es ist Sommer. Die Zeit, in der Kinobesucher gern das Hirn abschalten, um sich Blockbuster anzusehen. Die Zeit leichter Unterhaltung. Die Zeit lauer Nächte, in denen man einen guten Tropfen Wein kredenzen kann. Zu Sideways empfehle ich einen Pinot Noir - habe den Film bereits mehrmals in Kombination mit einer solchen Flasche verschenkt. Bislang gab es keine Beschwerden. Das Hirn sollte man bei Sideways allerdings angeschaltet lassen.

Sideways beginnt und endet mit dem Klopfen an eine Tür. Immer wieder spielt die soziale Norm des Anklopfens (und in einer Schlüsselszene das Umgehen eben dieser Verhaltensregel) eine Rolle im Film. Mehrfach lässt das Klopfgeräusch die Hauptfigur, den Englischlehrer und unpublizierten Romancier Miles (Paul Giamatti), aus dem alkoholseligen Schlaf fahren. Den einwöchigen Urlaub, den Miles mit seinem einstigen Collegekumpel Jack (Thomas Haden Church) antritt, hat er sich anders vorgestellt: Anstatt lediglich entspannt die Weingüter Kaliforniens zu testen, ein paar Golfbälle über die Wiesen zu dreschen und sich fröhlich durch die Karten der Restaurants zu arbeiten, nervt Jack ihn mit seinem Drang für amouröse Abenteuer.

Es ist der Gegensatz der zwei Hauptfiguren, dem Sideways seinen Charme verdankt. Während Jack zu Miles' Entsetzen einen 1992er Byron notfalls auch lauwarm bechert, ist Miles zu Jacks Entsetzen auch zwei Jahre nach seiner Scheidung noch immer solo und jammert selbstmitleidig seiner Verflossenen nach. Dabei ist die attraktive Maya (zum Verlieben: Virginia Madsen) an dem introvertierten Weinkenner und Pinot-Noir-Liebhaber durchaus interessiert. Und Jack spielt mittlerweile mit dem Gedanken, seine unmittelbar bevorstehende Hochzeit abzublasen, weil er eine "tief gehende" Nacht mit Stephanie (Sandra Oh) verbracht hat.


In Sideways findet Regisseur Alexander Payne exakt den sanft-melancholischen Ton, den die Story benötigt. Paynes frühere Filme leiden oft an einem unterkühlten Blick auf die Charaktere. Dort stellt er sich über die Figuren, anstatt auf Augenhöhe zu bleiben und untergräbt so den bissig-satirischen Humor, der so typisch für ihn ist. Insbesondere Citizen Ruth kämpft mit diesem dramaturgischen Problem. Aber auch in Election kommen sich Figuren und Paynes satirischer Ansatz mitunter in die Quere. Bei About Schmidt war er ganz nah dran. Und in Sideways hat er schließlich die perfekte Balance gefunden. Man merkt: Payne mag diese zwei Freunde und erfreut sich an der Dynamik, die sich aus ihrer Gegensätzlichkeit ergibt. Sideways scheint deshalb auch mit viel leichterer Hand inszeniert zu sein als Paynes vorige Filme. Sideways wirkt unverkrampft und unangestrengt auf allen Ebenen.

Hierzu trägt der jazzige Score von Rolfe Kent maßgeblich bei. Nie spielt sich die Musik selbstzweckhaft in den Vordergrund, schweigt sogar ganz in ernsten Momenten. Ohnehin ist Sideways trotz seines melodramatischen Themenfeldes zu keinem Zeitpunkt pathetisch. Die Figuren lassen sich nicht in die typischen Verhaltensmuster einschlägiger Hollywoodkomödien zwängen, was dem Film eine Frische verleiht, nach der man in diesem Genre lange suchen muss.

Der Gegensatz zwischen dem schwermütigen Miles und dem notgeilen Jack ist Dreh- und Angelpunkt der Komödie. Die Chemie zwischen Giamatti und Haden Church könnte besser nicht sein.

Die warme Farbgebung der Bilder und die überwiegend weiche Beleuchtung erzeugen eine Urlaubsstimmung, der ich jedes Mal aufs Neue erliege. Selbst wenn sich Payne des Öfteren bei der Werbeästhetik bedient, passt das wunderbar zu Stimmung und Thema - etwa als die zwei Pärchen eine Tour durch eine Winzerei machen und Payne Weinlager und anschließendes Picknick in rötlichbraune Farben taucht, so dass man unweigerlich an einige Whiskeywerbeclips erinnert wird.

Besonders beeindrucken mich Kameraführung und Schnitt, als Miles sich beim ersten Date mit Maya betrinkt, zum Telefon torkelt und seine Ex-Frau anruft: Payne kombiniert hier Unschärfe, extreme Nahaufnahmen von Miles' Kopf und unnatürliche Rahmungen, um dem Zuschauer Miles' Trunkenheit zu suggerieren. Das funktioniert fantastisch - ein Durchschnittsregisseur hätte vermutlich eine wacklige Handkamera zum Einsatz gebracht. Payne vermeidet dieses visuelle Klischee und erzählt diesen Moment sogar leicht unchronologisch - der Zuschauer weiß auf diese Weise, was sich in Miles' Kopf abspielt, noch während er am Tisch sitzt. Großartig!


Über die außergewöhnlichen Schauspielleistungen muss ich kaum ein Wort verlieren. Dass Giamatti 2005 für den Oscar nicht einmal nominiert wurde, gleicht einem Skandal. Im Grunde hätte das gesamte Ensemble einen Oscar verdient.

Für mich ist dieses Buddy-Movie der beste Film dieses noch jungen Jahrtausends. Warum? Weil er mich auf allen Ebenen überzeugt. Weil er eine Atmosphäre schafft, in die ich mich immer wieder gerne fallen lasse. Und weil Pinot Noir am besten schmeckt, wenn man ihn zu diesem Film trinkt.

Montag, Juli 02, 2007

Film noirs in Kürze: Zwei Doku-noirs

He Walked by Night erhebt die Methoden und Arbeitsweisen der Polizei zum Gegenstand: Um den intelligenten Dieb und Copkiller Ray Morgan (Richard Basehart) zu schnappen, müssen die Detectives alle Tricks auffahren, die im Buche stehen. - He Walked by Night zählt zum Subgenre der Doku-noirs. Regisseur Alfred L. Werker führt uns akribisch genau die Verfahren der Polizei vor, die man heutzutage, wenn sie denn nicht komplett veraltet sind, bestens aus moderneren Polizeistreifen kennt. Man kann sich deshalb dem Eindruck nicht erwehren, es handele sich bei He Walked by Night im Kern um einen Propagandafilm für das Los Angeles Police Department. Der allein agierende Profiverbrecher bleibt dann auch trotz des einprägsamen Spiels von Basehart ein großes Rätsel: So lernen wir im Laufe des Films einiges über die Vergangenheit des entfremdeten Einzelgängers, aber nichts, was uns seine Motive erklärt. Die brillante Kameraarbeit John Altons entschädigt vorübergehend für derlei Defizite und lässt diese groß angelegte PR-Arbeit für das LAPD besser aussehen, als sie es verdient hätte.
55 Punkte.

Auch Trapped bedient sich eines dokumentarischen Stils. In einer knapp fünfminütigen Einleitung wird dem Zuschauer die Geldfälscherei erklärt. Anschließend folgen wir dem windigen Geldfälscher Tris Stewart (Naked-Gun-Star Llyod Bridges), dem die Cops erlauben, aus dem Knast auszubrechen, damit er Kontakt zu einer Gruppe von Geldfälschern herstellt. Doch Stewart hält sich nicht an die Abmachung. Sein Plan: Genug Falschgeld zusammenzubekommen, um sich mit seiner Braut (Barbara Payton) nach Mexiko abzusetzen. - Der Plot in Trapped ist geradlinig und einfallslos. Dieser B-Noir wurde im Kielwasser von Anthony Manns stilbildendem Doku-noir T-Men preisgünstig abgekurbelt. Dennoch weiß Regisseur Richard Fleischer, die bescheidenen Mittel zumindest streckenweise effektiv zu nutzen. Neben spritzigen Dialogen (so sagt ein Undercovercop beim Blütenkauf etwa: "With these I can start my own private Marshall Plan in South America.") und durchweg guten Performances beweist Fleischer Talent für gutes Timing und spannungserzeugende Parallelmontagen.
58 Punkte.