Freitag, Februar 23, 2007

TV: Eine Stadt wird erpresst


Gute Krimis sind Vehikel für eine gesellschaftliche Message. Das Verbrechen ist nur der äußerliche Anlass, um den Kommissar in eine Welt zu schicken, von der der Autor möchte, dass der Rezipient sie kennenlernt und sich mit ihr auseinandersetzt. Die Romane von Donna Leon oder Henning Mankell sind Paradebeispiele dafür. Nun hat auch Dominik Graf zusammen mit Rolf Basedow einen solchen Krimi geschrieben und verfilmt. Schon bei Hotte im Paradies arbeiteten die beiden zusammen und heraus kam ein faszinierend authentischer Blick ins Berliner Rotlichtmilieu. Der am heutigen Abend auf ARTE ausgestrahlte Krimi Eine Stadt wird erpresst ist, da hat Spiegel Online völlig Recht, "ein Meisterwerk von einem Thriller".

Professionell agierende Erpresser verlangen von der Stadt Leipzig 20 Millionen Euro in Diamanten, sonst ist mit Anschlägen zu rechnen. Kommissar Kalinke (Uwe Kokisch) leitet die Verhandlungen. Er kämpft dabei nicht nur gegen die gewieften Verbrecher, sondern auch gegen einen Yuppie-Oberstaatsanwalt aus dem Westen. Die Diamanten gelangen auf einfallsreiche Art und Weise bei den Erpressern. Die Spur führt ins Dorf Gralwitz, das unter Einwohnerschwund leidet, weil eine Bergbaugesellschaft die Grundstücke aufkauft. Kalinke nimmt mit seinem Team die Ermittlungen in dem Örtchen auf. Die Polizisten bewegen sich dabei zwischen Bürgermeister, Dorfmieze, Puff und Fußballmannschaft.

Graf ist ein Polizeifilm gelungen, der perfekt ausbalanciert ist. Er inszeniert temporeich aber nie hektisch. Die Dialoge sind spritzig, klingen ausgefeilt aber nie aufgesetzt. Und das Setting in einem Ort voller Ruinen, der von den Braunkohlebaggern aufgefressen zu werden droht und der von Leuten bevölkert ist, die um ihr Überleben kämpfen, verleiht dem Film eine soziale Tiefendimension, die gute Krimis auszeichnet.

Als "Fernsehfilm der Woche" wird das ZDF Eine Stadt wird erpresst demnächst wiederholen. Er sei hiermit uneingeschränkt empfohlen!

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

na, auch ein kleiner Graf-Fan?

empfand diesen hier jetz zwar nicht als Meisterwerk, war aber auch sehr zufrieden, genau wie bei Hotte und auch dem ominösen "Polizeiruf", den er inszeniert hat..der kam letzte Woche im TV.

irgendwie hab ich auf deinen Blog so ein bißchen vergessen, merke aber jetz wieder, wie interessant der eigentlich ist :)

Jochen hat gesagt…

Schön, dass du den Weg hierher gefunden hast!

Ja, klar mag ich Grafs Filme. Den Polizeiruf kenne ich aber leider noch nicht. "Hotte im Paradies" hat mir noch besser gefallen als "Eine Stadt wird erpresst". Das liegt aber auch daran, dass der zum Großteil bei mir um die Ecke gedreht wurde und ich die Locations alle ziemlich gut kenne - die gezeigten Etablissements allerdings weniger gut ;-)

Anonym hat gesagt…

hehe, jaja, natürlich ;)

stimmt, Hotte war richtig klasse. passiert ja auch nicht oft, dass ich mal ein kleines Review schreibe, damals wollt ich auf den aber auch unbedingt hinweisen :)

ich sehe hier mehr und mehr interessante Beiträge :)
aber das schlechte Gewissen verhindert es, dass ich da im Moment drauf einsteige :)

den Vergleich Knallhart-Wut finde ich z.b. hochinteressant, aber leider kenn ich den Buck noch nicht..vielleicht ergibt sich ja zu einem späteren Zeitpunkt dann noch ein Diskurs ;)

Jochen hat gesagt…

Hab mir gerade mal deine Hotte-Rezi bei der ofdb durchgelesen (ist ja die einzige zu dem Film!). Du bringst es da genau auf den Punkt - solltest öfters welche schreiben!

Und "Knallhart" kann ich nur empfehlen. Leider ist der trotz der hohen Aktualität des Stoffes im Kino und den Videotheken untergegangen. Ist den meisten Kinogänger wohl zu unangenehm das Thema...

Anonym hat gesagt…

danke für die Blumen ;)

ich schreib ja alle heiligen Zeiten mal was, aber irgendwie fehlt mir da die Zeit, Konsequenz oder auch die Leidenschaft dafür, um das regelmäßig zu machen. :)
und wenn, dann ist es halt schnell heruntergetippt, ohne besonders zu überlegen, da wäre sicher noch mehr drin.. ^^


Knallhart werd ich mir natürlich definitiv anschauen, fürs Kino fiel er auch bei mir damals ganz knapp durch, wärs aber sicher wert gewesen.