Freitag, Juli 31, 2009

Slumdog Millionaire: Ein zweifelhaftes Vergnügen?


Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zum Werk des Briten Danny Boyle. Während Trainspotting einer der wichtigsten europäischen Filme der 90er Jahre ist und 28 Days Later sicherlich eine Wegweiserfunktion im Zombiefilm-Genre zukommt (durch seine realitätsnahe DV-Ästhetik wirkte dieser Streifen garantiert auch über das Horrorgenre hinaus), gehören A Life Less Ordinary und Sunshine zu jener Sorte von Filmen, mit denen man durch die Überdosis an Optik-Kitsch seine Geschmacksrezeptoren langfristig zerstören kann. In letztere Kategorie fällt gewissermaßen auch der große Oscargewinner dieses Jahres: Slumdog Millionaire. Zwar kann man diesen kunterbunten Schmachtstreifen in die Nähe des Bollywood-Kinos rücken und all das Grellbunte auf diese Weise rechtfertigen. Man übersieht dann jedoch, dass Boyle schon zuvor einen Hang zu dieser manieristischen Ästhetik hatte, die mir persönlich zuwider ist.

Nun wurde Slumdog Millionaire von einigen Kritikern Slum-Tourismus vorgeworfen. Doch dieser Vorwurf greift zu kurz. Dass die Realität um einiges komplexer ist, zeigt eine Reportage in der heutigen Ausgabe des Magazins der Süddeutschen Zeitung. Anhand der bewegten Biographie von Shafiq Syed wird demonstriert, welch positive wie negative Einflüsse der plötzliche Starstatus auf ein Slumkind haben kann: Ende der 80er Jahre wurde Syed über Nacht mit dem Film Salaam Bombay! zum Star. Salaam Bombay! gewann mehrere Preise in Cannes und war als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert. Syeds Leben glich einer Fahrt in der Achtbahn: Vom Slum ins Luxushotel und zurück. Wie es heute um ihn steht und wie es um die Kinderstars von Slumdog Millionaire gut fünf Monate nach dem großen Sieg bei den Academy Awards bestellt ist, erfährt man in diesem Artikel des SZ-Magazins:

Ein indisches Märchen
Von Dirk Peitz


Mit dem Oscar-Film "Slumdog Millionär" wurden die Kinder Rubina und Azhar zu Stars. Aber was passiert, wenn die Kamerateams wieder weg sind? Shafiq Syed weiß es - er hat es vor 20 Jahren selbst erlebt.

Normalerweise zieht Shafiq Syed um halb sieben morgens die Haustür hinter sich zu. Seine Frau ist dann schon wach, doch die drei kleinen Kinder schlafen noch, auf dem Bett, das sich die ganze Familie teilt. Ein kleiner Raum für fünf, dazu Küche und Abstellkammer, zehn Quadratmeter insgesamt, das ist Shafiqs Zuhause. Die Gegend ist für indische Verhältnisse eine Kleinbürgersiedlung: keine Wellblechhütten, kaum Müll auf den Wegen aus roter Erde, der Strom fließt verlässlich, Wasser gibt es draußen aus dem Gartenschlauch. Die längste Zeit seines Lebens hat Shafiq von alldem nur geträumt.

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