Freitag, November 23, 2007

Ein fliehendes Pferd (1985)

Im September gelangte die zweite Verfilmung einer mittlerweile schon klassischen Abiturlektüre in deutsche Kinos: Ein fliehendes Pferd. Im Folgenden soll es jedoch nicht um diese aktuelle Adaption gehen, sondern um die 80 Minuten kurze TV-Version von Regisseur Peter Beauvais. Beauvais verfilmte Martin Walsers Novelle bereits Mitte der 80er Jahre. Walser betonte in diversen Interviews, wie sehr ihm die neue Umsetzung gefalle und für wie misslungen er Beauvais' Adaption halte. Ob Walser in Bezug auf die 2007er-Version Recht hat, kann ich (noch) nicht beurteilen. Dass die Erstfassung jedoch nichts taugt, stimmt vollkommen!

Warum? Man hat in jeder Minute das Gefühl, es handele sich um eine fürs Schulfernsehen zügig zusammengezimmerte Inszenierung, die nur darauf wert legt, die Handlung einigermaßen werktreu abzufilmen. Eine eigene Interpretation des Stoffs, eine echte filmische Auseinandersetzung mit der Vorlage findet nicht statt. Beauvais versucht erst gar nicht, Bilder zu finden, die das Innere von Helmut Halm (Vadim Glowna) im Medium Film veranschaulichen.

Helmut und Sabine Halm.

Der introvertierte Oberstudienrat Halm, der mit seiner Gattin Sabine (Rosel Zech) im Urlaub am Bodensee seinen ehemaligen Schulfreund und Kommilitonen Klaus Buch (Joachim Dietmar Mues) mit seiner deutlich jüngeren, attraktiven Frau Helene (Marita Marschall) trifft und durch diese Begegnung gezwungen wird, sich mit seinen Lebensängsten auseinanderzusetzen, wird von Glowna mit zu dick aufgetragener Mimik gespielt. Das widerspricht der Novellenfigur, die stets versucht, ihr wahres Gesicht zu verschleiern. Halm darf dann auch brav seine Gedanken in einem langen Selbstgespräch verbalisieren - ein solches Fernsehtheater macht's dem Regisseur schließlich schön einfach, denn so braucht er erst gar nicht über solch anstrengende Dinge wie Verbildlichungen nachzudenken.

Mögen das "Federn" im Bett: Klaus und Helene Buch.

Halm, aus dessen Perspektive sich die Novelle entfaltet, ist also nur ein blasses Abziehbild der literarischen Figur. Anders verhält es sich hingegen mit Klaus Buch: Der agile aber unter gehörigen Selbstzweifeln leidende Journalist wird von Joachim Dietmar Mues treffend verkörpert (zugegebenermaßen ist dies jedoch auch die für einen Schauspieler einfachere, weil zugänglichere Figur). Ebenso Marita Marschall als Klaus Buchs "Trophäen-Frau" Helene kann überzeugen. Rosel Zech als Sabine sagt hingegen ihre Sätze des Öfteren auf, als stünde sie auf den morschen Bühnenbrettern eines zweitklassigen Theaters. Doch das scheint auf Beauvais' Regieanweisungen zurückzuführen zu sein. Und so wundert es auch nicht, dass der dramatische Höhepunkt, eine Segelpartie von Helmut und Klaus, dermaßen stümperhaft inszeniert ist, dass man den Grund für Klaus' Sturz über Bord kaum mitbekommt. Und damit diese ideenlose Umarbeitung einer großartigen Vorlage auch problemlos in eine Doppelstunde Deutsch passt, kürzt man Helenes Rede am Ende dermaßen zusammen, dass man ihren Ausführungen kaum noch folgen kann und sie deshalb fälschlicherweise für ein geistig verwirrtes Dummerchen halten muss.

Kurzum handelt es sich bei dieser Version von Ein fliehendes Pferd um ein zum großen Teil zwar werktreues aber insgesamt ohne jegliche Kreativität abgefilmtes Schlamassel: Die in der Novelle vielschichtig angelegte Hauptfigur wirkt hölzern, die Kamera ist starr und einfallslos, die Kostüme führen einem die geschmacklichen Verirrungen der 80er Jahre vor Augen und die musikalische Begleitung beschränkt sich auf Klaviergeklimper, wie man es aus Hörspielen der 70er Jahre kennt. Die Neuverfilmung kann eigentlich nur besser sein!

2 Kommentare:

Flo Lieb hat gesagt…

Du postest mal wieder! Wie schön, leider sagt mir der Film gar nichts :(

Anonym hat gesagt…

Der neue Film nimmt sich frech alle Freiheiten, die man braucht, um den Schritt von Novelle in ein anderes Medium machen zu können. Da gibt es dann vieles, was vielleicht verstört, insgesamt doch aber einen gelungenen Film ermöglicht.