Der Holländer Paul Verhoeven (richtig gesprochen: /ˈpʌul fərˈɦuvə(n)/) wird am 18. Juli 2024 86 Jahre alt. Wie so viele große Regisseure des späten 20. Jahrhunderts hat er nun ein Alter erreicht, in dem es zunehmend unwahrscheinlich wird, dass er weitere Filme drehen wird. Vielleicht auch deshalb hatte ich im letzten Monat das Bedürfnis, sein Gesamtwerk zu sichten, mit Ausnahme seiner frühen Kurzfilme und Wat zien ik (1971). Dabei schloss ich einige Lücken in seinem Œuvre, kannte nämlich zuvor nur drei seiner „Holland-Filme“, hatte die großen Hollywoodstreifen jedoch zum Teil sehr oft gesehen. Nach einer so intensiven Beschäftigung mit Paul Verhoeven möchte der Filmnerd in mir ein Ranking erstellen, was sich jedoch als äußerst schwierig herausstellt, denn abgesehen von den Plätzen 1 und 2, bei denen es überhaupt keine Zweifel gibt, liegen viele seiner Filme in meiner Gunst eng beieinander.
Verhoeven setzte sich jahrzehntelang intensiv mit dem historischen Jesus auseinander. Seine private Bibliothek zum Thema umfasst mehr als tausend Titel. Er war Mitglied des Jesus-Seminars und verfasste ein Buch über den historischen Jesus, das 2009 in Deutschland veröffentlicht wurde. Viele seiner Filme weisen eindeutige Bezüge zu seiner Leidenschaft auf, insbesondere in De vierde man und in seinem letzten Film Benedetta spielt Jesus eine gewichtige Rolle.
Doch zunächst einige grundlegende Informationen zum Regisseur und warum ich ihn so schätze:
Paul Verhoeven kennt keine halben Sachen. Seine Filme und auch er selbst sind kompromisslos, ja, sogar rücksichtslos. Schon in Holland schwamm er gegen den Strom: Als das Drehbuch für das Coming-of-Age-Biker-Drama Spetters wegen zu expliziter Sexszenen umgeschrieben werden musste, damit die Produktion eine saftige Finanzierungsspritze erhält, tat Verhoeven, wie ihm aufgetragen wurde, kassierte das Geld aus dem Fördertopf und drehte dann doch einfach das Originaldrehbuch. Anschließend gab’s natürlich Ärger, aber der Film war im Kasten und trotz heftiger Proteste ein Kassenerfolg. Es hatte sich also ausgezahlt, seinen künstlerischen Prinzipien treu zu bleiben.
Paul Verhoeven kennt keine halben Sachen. Seine Filme und auch er selbst sind kompromisslos, ja, sogar rücksichtslos. Schon in Holland schwamm er gegen den Strom: Als das Drehbuch für das Coming-of-Age-Biker-Drama Spetters wegen zu expliziter Sexszenen umgeschrieben werden musste, damit die Produktion eine saftige Finanzierungsspritze erhält, tat Verhoeven, wie ihm aufgetragen wurde, kassierte das Geld aus dem Fördertopf und drehte dann doch einfach das Originaldrehbuch. Anschließend gab’s natürlich Ärger, aber der Film war im Kasten und trotz heftiger Proteste ein Kassenerfolg. Es hatte sich also ausgezahlt, seinen künstlerischen Prinzipien treu zu bleiben.
Spetters: Drei Freunde wollen im Motorcross durchstarten, um so ihren sozialen Verhältnissen zu entfliehen. Doch nur einer von ihnen verfügt über das nötige Talent.
In Hollywood hatte man nichts dagegen, wenn Verhoeven die Gewaltschraube kräftig anzog – von der bekloppten Reaktion der MPAA auf RoboCops Comicgewalt einmal abgesehen – doch ließ der Holländer nackte Frauen Männer beim Sex abstechen oder einfach nur wild auf der Bühne rumhopsen, hagelte es Kritik. Weil Verhoeven aber spätestens seit Spetters wusste, dass ein bisschen Kontroverse um explizite sexuelle Darstellungen das Interesse der Öffentlichkeit wecken und den Verkauf von Kinokarten fördern kann, verstand er sich meisterlich darauf, Provokationen kommerziell zu nutzen.
Jedoch wird man ihm sicherlich nicht gerecht, wenn man seine Filme auf die darin enthaltenen Sex- und Gewaltdarstellungen reduziert, auch wenn sie zweifellos ein wesentlicher Bestandteil sind. Ein Aspekt, der mir beim erneuten Sichten seines Gesamtwerkes als Bindeglied auffiel, ist die unglaubliche Energie, mit der die Handlung vorangetrieben wird. Jede Szene hat einen inneren Drive, einen eigenen kleinen, sehr effizient herausgearbeiteten Spannungsbogen, der den Zuschauer bei der Stange hält. Aus Interviews mit Schauspielern und Crew, aber auch aus Behind-the-Scenes-Aufnahmen weiß man, dass Verhoeven am Set ein Energiebündel ist, das es versteht, diese Energie auf seine Darsteller zu übertragen. Und das merkt dann auch der Zuschauer. Deshalb kommt in den allermeisten Verhoevenfilmen keine Langeweile auf, nicht einmal bei den schwächeren wie De vierde man und Hollow Man.
Verhoevens Filme sind auch immer ein Spektakel. Sie sind ein bisschen wie ein Zirkus: laut, grell, plakativ, spektakulär. Auch vulgär darf es zugehen. Folglich passen Sujets wie das Mittelalter (Flesh and Blood) und Las Vegas (Showgirls) hervorragend zu ihm.
Jedoch wird man ihm sicherlich nicht gerecht, wenn man seine Filme auf die darin enthaltenen Sex- und Gewaltdarstellungen reduziert, auch wenn sie zweifellos ein wesentlicher Bestandteil sind. Ein Aspekt, der mir beim erneuten Sichten seines Gesamtwerkes als Bindeglied auffiel, ist die unglaubliche Energie, mit der die Handlung vorangetrieben wird. Jede Szene hat einen inneren Drive, einen eigenen kleinen, sehr effizient herausgearbeiteten Spannungsbogen, der den Zuschauer bei der Stange hält. Aus Interviews mit Schauspielern und Crew, aber auch aus Behind-the-Scenes-Aufnahmen weiß man, dass Verhoeven am Set ein Energiebündel ist, das es versteht, diese Energie auf seine Darsteller zu übertragen. Und das merkt dann auch der Zuschauer. Deshalb kommt in den allermeisten Verhoevenfilmen keine Langeweile auf, nicht einmal bei den schwächeren wie De vierde man und Hollow Man.
Verhoevens Filme sind auch immer ein Spektakel. Sie sind ein bisschen wie ein Zirkus: laut, grell, plakativ, spektakulär. Auch vulgär darf es zugehen. Folglich passen Sujets wie das Mittelalter (Flesh and Blood) und Las Vegas (Showgirls) hervorragend zu ihm.
Bis Flesh and Blood war Rutger Hauer in so gut wie jedem Verhoevenfilm dabei. Hier spielt er an der Seite von Jennifer Jason Leigh.
Dass Verhoeven auch ein Händchen für Drehbücher hat, zeigt sein niederländisches Filmprojekt Steekspel, bei dem er aus einer Vielzahl aus Publikumseinsendungen das Drehbuch in mehreren Etappen mühsam zusammengeschustern musste. Weiß man das nicht, wenn man den Film sieht, glaubt man, es handele sich um ein effizientes, punktgenaues Script. Natürlich hat Verhoeven hierbei mit anderen Autoren zusammengearbeitet, so wie er es immer tut. Offenbar mag er es nicht, alleine schreiben zu müssen, sondern vertraut auf den kreativen Austausch beim Schreibprozess.
Seine mit Abstand klügsten, bissigsten und komischsten Drehbücher schrieb er zusammen mit Ed Neumeier (RoboCop, Starship Troopers). Nirgends ist seine Satire, seine Kritik an Politik, Gesellschaft und Medien, treffender, humorvoller, pointierter. Und das bringt mich nun auch zu den glorreichen 7.
Total Recall stünde sicherlich weiter oben in dieser Liste, hätte ich ihn nicht ungemein oft gesehen. Denn so sehr ich diese Philip K. Dick Verfilmung auch schätze, verliert der Film durch Wiederholungssichtungen etwas von seiner Qualität. Da wären zum einen die in die Jahre gekommenen Effekte, zum anderen einige billige Fluchereien und dröge Erklärszenen. Ich war deshalb drauf und dran, Keetje Tippel oder Steekspel auf Platz 7 zu setzen.
Spetters ist jener Film auf dieser Liste, an den ich im Nachgang am häufigsten zurückdenken musste, der mich innerlich am meisten beschäftigte. Was als vermeintlich harmloser Bikerfilm mit vielen Sexszenen beginnt, wandelt sich langsam aber unerbittlich zu einer beeindruckenden Gesellschaftsstudie Hollands Anfang der 80er Jahre, die Themen wie sexuelle Orientierung und das Scheitern von Lebensentwürfen ernsthaft und teilweise sehr drastisch behandelt. Verhoeven sagte einmal, seine Filme mögen wie Provokationen wirken, seien aber tatsächlich Ausdruck der Wut über die Nichtigkeit unserer Lebenspläne. Keiner seiner Filme führt einem diesen resignativen Ansatz gnadenloser vor Augen als Spetters.
Zwartboek schwächelt am Schluss. Mir erscheint der Film mindestens fünfzehn Minuten zu lang. Aber gibt es ein vergleichbares europäisches Werk über den Widerstand im Zweiten Weltkrieg? Ich kenne keines. Das Ensemble der Widerstandskämpfer und Nazichargen spielt außerdem fantastisch. Von mir erhält der Film deshalb den Preis für die beste schauspielerische Gesamtleistung im Werk Verhoevens.
Elle muss wohl als filmisches Experiment verstanden werden. Anders kann ich die Täter-Opfer-Umkehr, die uns hier verkauft wird, nicht begreifen. Dass der Umgang mit einer erfahrenen Vergewaltigung zu einer Läuterung des Opfers führt, ist schon ziemlich starker Tobak, aber auch eine wahnsinnig spannende Versuchsanordnung, die vom Zuschauer eine Haltung einfordert wie kein anderer Verhoevenfilm.
Basic Instinct ist einer der besten Neo Noirs, die es gibt. Verhoeven spielt hier gekonnt mit den klassischen Erzählmustern des Detektivfilms, baut clevere Verweise zu Hitchcock ein und machte seinerzeit Sharon Stone über Nacht zur heißesten Schauspielerin des Planeten. Ihre Darstellung der Super-Femme-Fatale Catherine Tramell bleibt unerreicht. Darüber hinaus muss man vermutlich Eier aus Stahl haben, um in Hollywood ein derartiges Ende in einem Studiofilm durchzusetzen.
Über RoboCop ist bereits viel gesagt und geschrieben worden. Kürzlich erschien eine vierstündige Dokumentation namens RoboDoc: The Creation of RoboCop, die wirklich keine Frage unbeantwortet lässt. RoboCop ist ein zeitloses Meisterwerk und führt uns eindringlich den Wahnsinn eines entfesselten Kapitalismus vor Augen. Bei der leichten, humorvollen und eleganten Inszenierung des Films ist es kaum zu fassen, wie vergiftet die Atmosphäre am Set tatsächlich war.
Starship Troopers ist der in meinen Augen beste Big-Budget-Studiofilm, der je gedreht wurde. Eine bissige Satire auf eine faschistische Gesellschaft, die unter zu dicken Eiern leidet, in der Gewalt verherrlicht wird und institutionalisiert ist. Gleichzeitig ist Starship Troopers eine zuckersüße Seifenoper mit US-Kids, deren Frisuren immer perfekt sitzen. Als der Film 1997 erschien, war er gaga im besten Sinne. Er ist es noch immer. Und ich werde mir garantiert niemals eine der Fortsetzungen ansehen.